Wiesnerinnerungen: Peter Gauweiler:"Bei mir ist das Fass schon offen, wenn ich es nur anschaue"

Als KVR-Chef führte Peter Gauweiler ein strenges Regiment. Als Privatmann mag er die Wiesn - meistens. Was der CSU-Politiker besonders abstoßend findet - und wie viel Schläge er fürs Anzapfen bräuchte.

Birgit Kruse

Plötzlich sitzt er am Biertisch. Durch einen Seiteneingang ist Peter Gauweiler nahezu unbemerkt ins Zelt gekommen. Nun betrachtet er von der Galerie im Hippodrom aus das Treiben. Die Ersten tanzen schon auf den Bänken, die Band spielt und wird mit jedem Wiesnhit ein bisschen lauter, die Gäste ausgelassener. Statt seiner braunen Lederhosen trägt Gauweiler heute eine helle Kordhose. Doch den Trachtenjanker samt Weste und kariertem Hemd hat er sich nicht nehmen lassen. Sein spezielles Wiesn-Outfit? Nein. Gauweiler gehört zu den Münchnern, die man das ganze Jahr über in Tracht antreffen kann. Für ihn gehört Tracht zum Lebensgefühl - so muss es wohl auch sein als Ehrenmitglied in zwei Münchner Trachtenvereinen.

Wiesnerinnerungen: Peter Gauweiler: Als KVR-Chef hat er das Lineal eingeführt, um dem Schankbetrug Einhalt zu gebieten. 26 Jahre später misst er wieder nach - doch diesmal passt alles.

Als KVR-Chef hat er das Lineal eingeführt, um dem Schankbetrug Einhalt zu gebieten. 26 Jahre später misst er wieder nach - doch diesmal passt alles.

(Foto: Stephan Rumpf)

sueddeutsche.de: In den vergangenen Jahren konnte man beobachten, dass immer mehr Menschen in Tracht oder dem, was sie dafür halten, auf die Wiesn gehen. Dann hängen die Sachen für den Rest des Jahres im Schrank. Ist das Oktoberfest zum zweiten Fasching in der Stadt verkommen?

Peter Gauweiler: Ein bisschen was mit Verkleiden hat das schon zu tun. Ich sehe das jedoch eher positiv. Nicht nur, dass sich der Ballermann-Effekt der letzten Jahre wieder etwas abschwächt. Zum Positiven gehört auch das Tragen der Trachten. Das finde ich sehr charmant. Und wenn die Stadträte, die mit ihren alten Gewändern auf die Historische Wiesn eingezogen sind, wissen würden, welche Autorität sie ausgestrahlt haben, würden sie diese alte Amtstracht bestimmt auch im Alltag öfter tragen.

sueddeutsche.de: Was geht aus Sicht eines Wiesn-Kenners überhaupt nicht?

Gauweiler: Was soll ich da sagen. Über Geschmack lässt sich streiten.

sueddeutsche.de: Gut, über Kleidung wollen Sie nicht reden. Aber vielleicht über Manieren. Über was können Sie sich besonders aufregen?

Gauweiler: Wenn Menschen auf den Tischen tanzen. Das ist doch unappetitlich, wenn einer mit seinen Straßenschuhen da herumspringt, wo ein anderer später wieder seine Brezn und den Radi hinlegen will. Für alle sollte das Prinzip gelten: Nicht die Sau rauslassen, Mensch bleiben. Ab der zweiten Maß wird das eine bewundernswerte Kunst.

Wiesnbesucher, die auf den Tischen tanzen, sind das eine, was Peter Gauweiler nicht leiden kann. Menschen, die sich nicht an Regeln halten, das andere. Nicht umsonst hat er in der CSU lange Jahre den Spitznamen "Schwarzer Sheriff" getragen. Als Gauweiler in den Jahren zwischen 1982 und 1986 als Chef des Münchner Kreisverwaltungsreferates für Anstand und Ordnung zuständig war, wurden auch die Wiesnwirte nicht von seinen Disziplinierungsmaßnahmen verschont. "Schankbetrug" war damals eines der Reizwörter - und für Gauweiler Grund zu handeln. Damals verteilte er öffentlichkeitswirksam kleine Lineale aus Metall, mit denen Wirte und vor allem Gäste nachmessen konnten, ob ihre Maß auch richtig bis zum Eichstrich eingeschenkt wurde. Heute muss er lachen, als er bei seinem SZ-Wiesnbesuch eines dieser Lineale neben seiner frisch eingeschenkten Maß findet. Jede Maß auf dem Tisch wird abgemessen. Das Ergebnis? Alles passt. Na dann: Prost, Herr Gauweiler!

sueddeutsche.de: Als KVR-Chef waren Sie nicht zimperlich, wenn es um Ungenauigkeiten ging - auch nicht bei den Wiesn-Wirten.

Gauweiler: Schankbetrug war auch schon vor meiner Zeit ein Thema. Ich selbst habe als Kreisverwaltungsreferent 1983 förmlich gebeten, in den Festzelten ordentlich einzuschenken. Doch die Wirkung war die gleiche, als wenn Sie einen Dackel bitten, einen Wurstvorrat anzulegen. Dann haben wir 1984 gehandelt - mit Erfolg.

sueddeutsche.de: Erfolg ja. Aber zu welchem Preis. Von den Wirten sind Sie damals sicher sehr angefeindet worden.

Gauweiler: So schlimm war es gar nicht. Dafür waren die Ausreden umso kurioser. Damals wurde das Bier noch in Holzfässern angeliefert und in die Lager gerollt. Eine der Erklärungen, warum das Bier so arg schäumt beim Ausschenken. Unser Argument war jedoch ganz klar: Wer für einen Liter kassiert, muss auch einen Liter ausschenken.

Peter Gauweiler ist in München aufgewachsen. Als Kind lebte er mit seinen Eltern und Geschwistern im Münchner Stadtteil Sendling. Heute würden die U-Bahnlinien die Leute im Zehn-Minuten-Takt auf die Festwiese spucken. Doch damals war der Weg auf die Wiesn eine "Weltreise", erinnert sich Gauweiler. Mit der Straßenbahnlinie 6 musste die Familie in die Stadt fahren. An Magenbrot und Kokosmakronen erinnert er sich. Auch heute geht er noch gerne auf die Wiesn - mehr als Privatmann denn als Politiker.

sueddeutsche.de: Was hat Sie als Kind an der Wiesn am meisten begeistern können?

Gauweiler: Für uns Kinder war es immer eine Mutprobe, Wilde Maus, Tobbogan oder Rotor zu fahren. Damals gab es auch noch Völkerschauen. Für die konnte ich mich begeistern. Den Daheimgebliebenen haben wir immer Magenbrot mitgebracht. Und Kokosmakronen für meine Schwester.

sueddeutsche.de: Und welche Mutproben bestehen Sie heute auf der Wiesn?

Gauweiler: Heuer noch keine. Im letzten Jahr die Achterbahn mit Überschlägen. Mein Sohn hat mich letztes Jahr dazu überredet, mit ihm zu fahren. Das war mäßig furchtbar. Wenigstens ist mir nicht schlecht geworden. Ab und zu fahre ich Autoscooter.

sueddeutsche.de: Was ist die schönste Zeit auf der Wiesn?

Gauweiler: Wir Münchner gehen doch am liebsten auf eine gemütliche Mittagswiesn. Da bekommt man immer einen Platz und kann in Ruhe Mittag essen.

sueddeutsche.de: Beinahe wären Sie 1993 Oberbürgermeister geworden und wären damit fürs Anzapfen zuständig gewesen. Schon mal ausprobiert, wie viele Schläge Sie brauchen?

Gauweiler: (lacht) Bei mir ist das Fass schon offen, wenn ich es nur anschaue.

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