Wiederaufnahme im Fall Peggy:Zweifel an Verhörmethoden der Emittler

Fall Peggy - Prozess Ulvi K.

Ulvi K. wurde als Peggys Mörder verurteilt. Nun bekommt er einen neuen Prozess, bei dem es auch um sein Geständnis geht.

(Foto: dpa)

Ein Jahr nach Peggys Verschwinden räumt der geistig zurückgebliebene Ulvi K. plötzlich den Mord an dem Mädchen ein. Doch wie viel ist sein Geständnis wert? Im Wiederaufnahmeverfahren sagen Polizeibeamte aus - und machen deutlich, dass die Ermittler offenbar einige Vorgaben bei den Vernehmungen gemacht haben.

Von Hans Holzhaider, Bayreuth

Im Wiederaufnahmeverfahren im Fall Peggy gibt es Zweifel an den Verhörmethoden der Ermittler. Dem geistig zurückgebliebenen Ulvi K. wurden offenbar Vorgaben gemacht - zumindest vor seinem Geständnis. Vor dem Landgericht Bayreuth haben am Dienstag Polizeibeamte ausgesagt. Sie schilderten, wie es 2002 zu dem überraschendem Mordgeständnis kam.

Die neunjährige Peggy war im Mai 2001 im oberfränkischen Lichtenberg verschwunden. Eine Leiche wurde nie gefunden. Ein Jahr später gestand Ulvi K. den Mord, im April 2004 wurde er verurteilt. Das Gericht stützte sich dabei vor allem auf sein Geständnis, das er allerdings inzwischen widerrufen hatte. Seine Ausführungen ähnelten zudem der Tatrekonstruktion der Ermittler. Ein Gutachter, der das Geständnis im damaligen Prozess als glaubwürdig bewertete, wusste nicht, dass es eine solche Rekonstruktion gab. Deshalb wird der Fall jetzt vor dem Landgericht Bayreuth neu aufgerollt.

Die Ermittler wussten 2002, dass Ulvi K. bereits im Vorjahr ausgesagt hatte, er hätte Peggy am Tag ihres Verschwindens gesehen, berichtet ein Polizeibeamter am Dienstag vor Gericht. Allerdings habe die Überprüfung der Angaben ergeben, dass einiges nicht stimmen konnte. Deswegen wollten die Ermittler Ulvi K. nochmal vernehmen. Sein Anwalt erklärte, sein Mandant sei ein kranker Mann, er könne sich in Schwierigkeiten bringen. Schließlich habe man sich aber auf drei weitere Vernehmungen geeinigt.

In der ersten Vernehmung habe Ulvi K. den sexuellen Missbrauch an Peggy einige Tage vor ihrem Verschwinden geschildert, sagt der Beamte nun aus. Bei der zweiten Vernehmung habe der Angeklagte erneut erzählt, er habe Peggy am Tag ihres Verschwindens getroffen, sie sei weggelaufen, gestolpert, habe am Knie geblutet, schließlich habe er sie aus den Augen verloren. Nach Ende der dritten Vernehmung hätten zwei andere Beamte Ulvi K. mitgenommen. Er selbst, so der Zeuge, habe das Tonbandgerät zusammengepackt. Als er nach wenigen Minuten ins Nebenzimmer kam, habe Ulvi K. gerade berichtet, wie er Peggy Mund und Nase zugehalten habe. Einer der Polizisten machte sich Notizen.

Fragen nach der Verhörmethode

Nun stellt der Richter intensive Fragen nach der Verhörmethode. Wurden Ulvi K. irgendwelche Vorgaben gemacht, die er dann übernommen hat? Sein Kollege habe die Vernehmung geführt, sagt der Polizeibeamte. Vor dem Landgericht Bayreuth liest der Richter Passagen aus alten Verhörprotokollen vor: Einer der Ermittler habe sich an Ulvi K. gewandt und ihm erzählt, "was ich an Ihrer Stelle in dieser Situation gemacht hätte". Mehrmals habe Ulvi K. Vermutungen von Vernehmungsbeamten in seine Aussagen übernommen. Ein Beispiel:

Polizist: "Haben Sie vielleicht Angst gehabt, was passiert, wenn die Peggy heimkommt und blutet, dass sie dann vielleicht alles erzählt?"

Ulvi K.: "Nein, ich habe keine Angst gehabt."

Danach 13 Minuten Pause.

Polizist: "Sie haben vorhin gesagt, sie hätten Angst gehabt, dass Peggy was erzählt."

Ulvi K.: "Ja."

Ulvi K. sei am Anfang sehr unsicher gewesen, sagt der Beamte im Zeugenstand. "Er hat uns dann immer lang angeschaut, als ob er auf eine Reaktion wartet, ob wir nicken oder nicht." Es wird an diesem dritten Prozesstag ziemlich deutlich, dass die Vernehmungsbeamten das Aussageverhalten von Ulvi K. durch eigene Vorgaben gesteuert haben. Der Richter arbeitet auch heraus, dass verschiedene Elemente in dem Geständnis Vorbilder in früheren Vernehmungen haben - so hatte Ulvi K. schon einmal in einem anderen Zusammenhang von einem Sturz Peggys berichtet.

Entstand das Geständnis also aus einer Kombination aus Vorgaben durch die Vernehmungsbeamten und K.s Erinnerungen an andere, ähnliche Situationen? Der zweite Beamte, der am Dienstag aussagt, widerspricht. Sie seien schon auf der Treppe gewesen, als er Ulvi K. gefragt habe, ob er die Wahrheit gesagt habe. Ulvi K. habe verneint, dann habe er ihm spontan von der Tötung Peggys erzählt. Beim Geständnis habe er Ulvi K. keine Vorhalte gemacht, sagt der Polizist, sondern habe ihn frei reden lassen. Auch gedroht habe er dem Mann nicht.

Der Gutachter von 2004, der die Glaubwürdigkeit des Geständnisses nun erneut bewerten soll, konnte am Dienstag seinen Bericht nicht mehr präsentieren. Er soll nun am 6. Mai gehört werden.

(Mit Material der dpa)

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