Wie Stoiber der CSU helfen soll:Die Lot gludert wieder

Edmund Stoiber CSU, Landtagswahl Bayern 2013

Edmund Stoiber vor 20 Jahren - damals noch als Innenminister - als Ehrenleutnant der Gebirgsschützen. Heute ist er CSU-Ehrenvorsitzender und "mit Leidenschaft da, wenn man mich ruft".

(Foto: dpa)

CSU-Altmeister Edmund Stoiber ist zurück - mit gewohnter Dynamik, aber neuem Hang zur Selbstironie. Zusammen mit Kronprinzessin Ilse Aigner will er Wahlkampf für Horst Seehofer machen.

Von Mike Szymanski

Die Golfbälle liegen wie Fallobst auf dem Rasen, aber Edmund Stoiber interessiert sich nicht dafür. Genauso wenig wie für die Golfer, die in einiger Entfernung mit ihren surrenden Elektroautos ihre Runden ziehen. Ein Frühlingstag im April, Stoiber ist zum Bergkramerhof gekommen, einem Golfresort am Rande seiner Heimatstadt Wolfratshausen. Der Aussicht wegen. Der Blick auf die Berge ist herrlich.

Golfspielen? "Liebe Leute, ich habe noch keine Zeit zum Golfspielen." Was haben sie vom Golfklub nicht alles versucht, den 71-Jährigen zu überreden. Er könnte doch jetzt, als Politik-Rentner. Kurse haben sie ihm angeboten, Probestunden. Einfach nur mal den Schläger in die Hand nehmen. Keine Chance. Stoiber sagt, er sei nur "nichtspielendes Ehrenmitglied".

Nichtspielendes Ehrenmitglied - das war Stoiber auch lange genug in seiner CSU, nachdem ihn seine Partei bei der denkwürdigen Klausurtagung in Wildbad Kreuth 2007 gestürzt hat. Stoiber war fortan der Ex-Parteichef, der Ex-Ministerpräsident. In Brüssel wühlt sich der bekennende Aktenfresser als Chef einer Spezialgruppe durchs Paragrafen-Dickicht, ohne dass dabei groß Notiz von seiner Arbeit genommen wird. Der "Archäopteryx aus Wolfratshausen", spottete Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger über den CSU-Politiker.

Voller Leidenschaft und immer auf Abruf

Jetzt meldet sich Edmund Stoiber zurück. "Die Partei weiß: Als Ehrenvorsitzender bin ich mit Leidenschaft da, wenn man mich ruft", sagt er beim Spaziergang. Und CSU-Chef Horst Seehofer hat Stoiber gerufen. Er wird im Landtagswahlkampf der CSU noch einmal eine ganz zentrale Rolle einnehmen. Die CSU kämpft um die Rückkehr zur Alleinregierung, da kann Seehofer jeden Mann gebrauchen. Ein Dutzend Auftritte plant Stoibers Büro gerade zusammen mit der Landesleitung der CSU, verteilt übers ganze Land.

Es ist eine Begegnung mit einem alten Bekannten. Schon die Begrüßung im Restaurant - wie früher: Stoiber betritt das Golf-Restaurant und ist schon wieder auf dem Sprung. "Mal ein bisschen auslüften!", sagt er und geht nach draußen. Nicht mal zum Ankommen hat er richtig Zeit.

Dann dauert es nur ein paar Schritte, bis er thematisch bei der "Renaissance der Regulation" angekommen ist, einem Vortrag über seine Arbeit in Brüssel. Hier schreitet einer über den Golfplatz, der gar nicht dran denkt, sich zur Ruhe zu setzen. Aus der Sakkotasche fummelt er ein Karteikärtchen, auf das er handschriftlich ein paar Zahlen notiert hat. Typisch Stoiber.

Helmut Schmidt : SPD = Edmund Stoiber : CDU/CSU

Noch feilen sie an den Details für den Wahlkampf, für die große Stoiber-ist-zurück-Show. Sie suchen nach passenden Räumen, ein paar Hundert Gäste sollen Stoiber am Abend jeweils erleben können. Bierzelte, meint Stoiber, die passen heute nicht mehr zu seinem neuen Rollenverständnis. Er sieht sich als Elder Statesman, er möchte eine Art Helmut Schmidt für die Union werden. "Wenn ich mich zu Wort melde, dann leidenschaftlich und sehr grundsätzlich", sagt Stoiber. "Auch in den Wahlkampf werde ich ein Stück Nachdenklichkeit reinbringen."

Stoiber im Dialog - so könnte der Arbeitstitel lauten. Ein Moderator könnte mit Stoiber über die große Politik reden, ein Talk, wie man so schön sagt, und dann darf das Publikum Fragen stellen. So stellt Stoiber sich die Veranstaltungsreihe vor, die spätestens im Juni beginnen soll. Die Planungen laufen auf Hochtouren.

Stoiber soll Seehofers Joker im Wahlkampf sein. "Jeder weiß, dass Edmund Stoiber nicht vor großen Wahlkampfveranstaltungen zurückschreckt", sagt Seehofer. Ihm sei "sehr wichtig", dass Stoiber noch mal mit anpackt.

Er kann es noch

Welche eindrucksvolle Wirkung Stoiber auf die CSU-Anhänger noch immer entfalten kann, beobachteten die CSU-Strategen in diesem und im vergangenen Jahr beim Politischen Aschermittwoch in Passau. 2012 hatte Seehofer Stoiber als Hauptredner verpflichtet, weil er selbst den großen CSU-Hallenstammtisch nicht bedienen konnte. Bundespräsident Wulff war gerade zurückgetreten und Seehofer in seiner Funktion als Bundesratspräsident unerwartet in die Rolle des Wulff-Stellvertreters aufgerückt. Er musste sich zurückhalten. Dafür musste Stoiber ran. Das Parteivolk jubelte. Stoiber kann es noch.

Weil das 2012 so gut geklappt hat, durfte "Mister Aschermittwoch" dieses Jahr gleich wieder auf die Bühne. Der Mann wirkte am Rednerpult so agil, so temperamentvoll, dass manche Beobachter schon meinten, hier trete gerade Seehofers Nachfolger auf.

Seither kann sich Stoiber vor Anfragen kaum mehr retten. "Ich bekomme jeden Tag ein halbes Dutzend Einladungen zu Veranstaltungen", erzählt er. Wenn außerhalb Bayerns Kanzlerin Angela Merkel Termine ausschlägt, fragen die Leute, ob dann nicht vielleicht der Stoiber Zeit hat. Stoiber ist die "gludernde Lot" der CSU.

Was Stoiber gelernt hat: sich locker machen

Was hat man nicht über Stoiber auch gelacht, wenn er sich verhaspelt hat, wenn ihm damals die Sätze davon galoppiert waren wie in der berühmten Transrapid-Rede. Nur einer hat damals nicht drüber gelacht: Stoiber. Heute kann er das. Stoiber hat sich auf die späten Tage noch einmal so richtig locker gemacht.

Stoiber sagt heute über Stoiber: "Das war einmal das blonde Fallbeil. Ein Feindbild für die anderen." Ein Markenkern der CSU. Heute, ohne Verantwortung für die Partei und Land, da könne er auch mal leichter über sich lachen. Stoiber ist eine Marke.

Edmund und die Kronprinzessin

Empfang zum 70. Geburtstag von Edmund Stoiber

Edmund Stoiber und Horst Seehofer beim Empfang zu Stoibers 70. Geburtstag: So viel Harmonie hätte niemand mehr erwartet.

(Foto: dpa)

Der Mann ist mit sich im Reinen. Stoiber hat nie eine Wahl verloren. Die eigenen Leute, die seiner überdrüssig waren, kamen dem zuvor und stürzten ihn 2007. Das macht einen großen Unterschied. Seine Nachfolger Erwin Huber als Parteichef und Günther Beckstein als Ministerpräsident verspielten bei der Landtagswahl 2008 die absolute Mehrheit für die CSU. Sie waren gestraft genug.

Das Verhältnis zu Horst Seehofer war nicht immer so harmonisch wie jetzt. Als Seehofer nach Bayern kam, um die Partei und das Land zu übernehmen, musste er als erstes die Landesbank mit zehn Milliarden Euro retten, die sich in den Jahren unter Stoiber auf abenteuerliche Geschäfte eingelassen und verzockt hatte. Seehofer versuchte bald bei öffentlichen Auftritten eine Brandmauer zwischen der "neuen" und der "alten" CSU zu ziehen. Stoiber ließ das nicht auf sich sitzen, nur für das Schlechte verantwortlich zu sein.

"Nachtarocken ist nicht meine Art"

Sie sprachen sich aus. Vor einem Jahr sagte Seehofer, der Sturz Stoibers sei ein politischer Fehler gewesen. Stoiber verzichtete in seinem Buch "Wie die Welt sich ändert" auf eine Abrechnung mit den Gefährten. "Meine Partei weiß: Nachtarocken ist nicht meine Art."

Seitdem mischt Stoiber nicht nur hinter den Kulissen wieder kräftig mit. "Ich glaube, dass die CSU Chancen hat, wieder an die großen Zeiten anzuschließen", sagt er und lässt die Parteifreunde davon träumen, im Herbst alleine regieren zu dürfen. Vorstandskollegen berichten, dass er bei den Sitzungen im Hauptquartier mittlerweile fast immer was zu sagen habe. "Ich habe mich nie aufgedrängt", sagt Stoiber. "Ich gebe Rat aus meiner Erfahrung, wenn Horst Seehofer mich fragt. Ob er ihn befolgt oder nicht, das ist seine Entscheidung." Das ist die Arbeitsgrundlage.

Stoibers Arbeitsauftrag im Speziellen lautet, der CSU in Oberbayern wieder Kraft zu geben. Dort hatte die Partei 2008 mit minus 20 Prozent die herbsten Verluste. Die CSU war abgestürzt auf nur noch 39 Prozent. Der Stoiber-Sturz hat tiefe Wunden hinterlassen. Seehofer weiß, die Rückkehr zur Alleinregierung kann aber nur mit starken Oberbayern gelingen.

Deshalb hat er Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner nach Bayern zurückbeordert. Die Bezirkschefin ist im Parteivolk beliebt. Nun kandidiert sie für die Landtagswahl. Aber in Oberbayern zählt noch immer, was Stoiber zu sagen hat.

Und er gibt klar zu erkennen, dass Aigner für ihn die Richtige ist. "Es gibt eine oberbayerische Mentalität, und auch die muss von der Partei repräsentiert werden. Ilse Aigner tut das", sagt Stoiber. Sie werden viel zusammen im Wahlkampf zu sehen sein. Und Aigner nimmt die Hilfe gerne an: "Edmund Stoiber ist und bleibt für viele in der CSU eine Identifikationsfigur", sagt sie. "Gerade wir in Oberbayern haben ihm viel zu verdanken."

So kommt es, dass Seehofer mit einem Mann aus der Vergangenheit um die Zukunft der CSU kämpft. Stoiber jedenfalls traut sich diese Aufgabe zu.

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