Weltbild-Verlag:Nächste Entlassungswelle steht an

Weltbild-Verlag vor Insolvenz

Viele Weltbild-Mitarbeiter müssen sich neue Jobs suchen.

(Foto: Jens Kalaene/dpa)

Ende April läuft das Insolvenzgeld aus: In den 220 Filialen des Weltbild-Verlags steht noch in dieser Woche der nächste Kahlschlag an. Und es wird sicher nicht der letzte sein. Die 1400 Mitarbeiter bangen.

Von Stefan Mayr

Der Hilferuf klingt durchaus verzweifelt. "Hallo Verdi, was ist mit uns Filialen?", schreibt ein Besucher mit dem Namen "Anonym" auf dem Internet-Blog der Gewerkschaft zum Thema Weltbild-Insolvenz. Der User fragt: "Es haben Sitzungen stattgefunden, wie es mit uns weiter (oder auch nicht) gehen soll und keiner sagt, was los ist???"

Er bittet, dass "man uns Filialen nicht im Regen stehen lässt" und unkt: "Dass wir in drei Wochen unsere Jobs verlieren, scheint kein Ar.... zu interessieren." Die Filialen seien "auch ein wichtiger Teil" des Unternehmens, "weil ohne uns würden die nicht einen Pfennig noch bekommen vom Kunden!" Zum Abschluss fleht der Mitarbeiter: "Also bitte bitte seid ihr so nett und informiert auch uns."

1400 Menschen arbeiten in den etwa 220 verbliebenen Filialen der insolventen Verlagsgruppe Weltbild, ihr Schicksal entscheidet sich im Laufe der kommenden sieben Tage. Im Februar hat die Weltbild Plus Medienvertriebs GmbH & Co. KG ein sogenanntes Schutzschirm-Insolvenzverfahren beantragt, seitdem bekommen die Mitarbeiter ihre Gehälter als Insolvenzgeld von der Arbeitsagentur überwiesen.

Dieses Insolvenzgeld fließt aber nur noch bis 30. April, also kommenden Mittwoch. Danach muss die Geschäftsführung respektive der vorläufige Sachwalter Christian Plail von der Kanzlei Schneider Geiwitz & Partner die Löhne aus eigener Tasche zahlen. Der 1. Mai - also der Tag der Arbeit - könnte für viele der erste Tag der Arbeitslosigkeit sein. Wie geht es weiter mit "Anonym" und seinen 1399 Kollegen?

Neben dem Österreicher Taus und Holtzbrinck will auch ein Finanzinvestor den Verlag kaufen

"Es ist noch keine Entscheidung gefallen", sagt Patrick Hacker, der Sprecher des Insolvenzverwalters Arndt Geiwitz. Auch die Weltbild-Plus-Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende Julia Käding hält sich sehr bedeckt: "Wir sind mitten in den Verhandlungen und können noch nichts sagen." Aus gut informierten Kreisen heißt es, die Verhandlungen über einen Sozialplan sollen noch in dieser Woche abgeschlossen sein - und wie bei der Weltbild-Mutter werde eine Transfergesellschaft eingerichtet.

Fakt ist, dass alle Filialen auch zum Restrukturierungs-Paket "Weltbild 2.0" gehören, das Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz Anfang April ausgerufen hat. Fakt ist auch, dass Geiwitz die Filialen zusammen mit dem Konzernmutter verkaufen will. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist neben dem österreichischen Industriellen Josef Taus (MäcGeiz) und dem Verlagshaus Holtzbrinck auch ein Finanzinvestor am Kauf interessiert. Medienberichten zufolge stehen von den 220 Geschäften etwa 100 auf der Kippe. Davon wiederum sollen etwa 60 bereits definitiv aufgegeben werden. Die restlichen 40 würden nochmals auf Rentabilität geprüft, heißt es.

Der neue Weltbild-Konzernbetriebsratsvorsitzende Timm Boßmann forderte in einem Interview den Erhalt möglichst vieler Geschäfte, weil diese unverzichtbarer Bestandteil des Geschäftsmodells "Multichannel" seien. "Wenn die Gruppe erfolgreich verkauft werden soll, müssen wir ein flächendeckendes und funktionierendes Filialsystem haben", sagt Boßmann. Eigentlich sei er sich dabei mit Arndt Geiwitz einig, nur bei der Anzahl der Schließungen gingen die Meinungen auseinander.

Allerdings nennt keiner der beiden eine Zahl. Boßmann mahnt: "Wenn Weltbild Plus jetzt sturmreif geschossen wird, könnten Investoren auf den Plan treten, die nur eines wollen: sich unliebsame Konkurrenz vom Hals schaffen." Deshalb sollte man mit den Schließungen warten, "bis sich ein Investor geäußert hat". Nach der Entlassung von 582 Menschen zum 1. April wird also der zweite Kahlschlag kommen, offen sind nur noch Zeitpunkt und Ausmaß.

Wegen der Entlassungen ist jede Menge Know-how verloren gegangen

Streng genommen könnte man auch vom dritten oder vierten Kahlschlag sprechen, denn weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit gab es im März und April viele andere Entlassungswellen, mit denen die Insolvenzverwalter ihre Braut sukzessive für die Kaufinteressenten aufhübschten. Schon Anfang März wurden viele Geschäftsleiter aus der zweithöchsten Führungsebene entlassen.

Betroffen waren die Chefs der Abteilungen SAP, Musik und Video, der Chefeinkäufer für das Non-Book-Angebot, die Chefin Katalog-Werbung, der Chef der Spielzeug-Tochter Kidoh und sogar der Mitentwickler des E-Buch-Lesegerätes "Tolino", das ja im Kampf gegen das Amazon-Produkt Kindle als überaus erfolgreich gilt. Diese Entlassungen sind intern durchaus umstritten: Einerseits wird mit den gut bezahlten Leuten kräftig Ballast abgeworfen, ohne sie spart das Unternehmen respektive der potenzielle Käufer viel Geld. Andererseits geht mit ihnen jede Menge Know-how verloren, ein Mitarbeiter sagt: "Das innere Gerüst wurde herausgerissen."

Insolvenzverwalter Geiwitz betonte bis zuletzt, er wolle Weltbild als "Gesamtpaket" verkaufen. Allerdings hat er inzwischen derart gründlich aufgeräumt, dass von der einstigen Verlagsgruppe nur noch wenig übrig bleibt: Der Kundenservice mit einst 140 Mitarbeitern ist inzwischen zugesperrt und an externe Dienstleister vergeben.

Die Buw-Holding aus Osnabrück sucht bereits "telefonische Kundenberater" für "das Projekt Weltbild" am Standort Halle/Saale. Fest steht außerdem, dass die zwei Weltbild-Rechenzentren zum Jahresende geschlossen werden. Die betroffenen Mitarbeiter gehören zu jenen 70, deren Entlassung zum 1. April offiziell angekündigt wurde.

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