Weiding:Molkerei im Kreis Mühldorf soll schließen

Weiding: So urig wie auf diesem Bild geht es auf dem Milchmarkt keineswegs zu. Die Lage ist schwierig, das spüren Molkereien, Bauern und Zulieferer.

So urig wie auf diesem Bild geht es auf dem Milchmarkt keineswegs zu. Die Lage ist schwierig, das spüren Molkereien, Bauern und Zulieferer.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Milch wird hier seit Langem verarbeitet, auch die bekannte Kondensmilch "Bärenmarke". 230 Mitarbeiter sind betroffen. Für die Region geht es um viel mehr.

Von Maximilian Gerl, Weiding

Lorenz Kronberger ist Landwirt, CSU-Mitglied, Bürgermeister von Polling und jetzt Krisenmanager. In den vergangenen Tagen hat er beruhigt, telefoniert, andere informiert und sich. "Die Entwicklung in den letzten Jahren war nicht besonders positiv", sagt er, alle hätten gehofft, dass es wieder werden würde. Als feststand, dass nichts werden würde, sei es aus den Menschen im Ort herausgebrochen "wie aus einem Vulkan". Trauer, Wut, Unverständnis über das mögliche Ende einer "mehr als 100-jährigen Molkerei-Geschichte", wie Kronberger sie nennt.

Weiding, Gemeinde Polling, Landkreis Mühldorf am Inn. Milch wird hier seit Langem verarbeitet, seit Ende des Zweiten Weltkriegs sogar in Form der bekannten Kondensmilch Bärenmarke. Doch bald soll mit der Tradition Schluss sein: Die Molkerei steht vor dem Aus. Zum 31. März 2018 will die Hochwald Foods GmbH ihren einzigen bayerischen Standort schließen. Offiziell sind 230 Mitarbeiter betroffen. Inoffiziell eine ganze Region, die sich mit seiner Molkerei identifiziert, mit der Milch, die von hier in die Welt geht.

180 Millionen Liter Milch aus Mühldorf und Altötting hat das Weidinger Werk zuletzt im Jahr verarbeitet. Milch ist für die Region ein Wirtschaftsfaktor, für Bauern, weiterverarbeitende Betriebe, Zulieferer. Eine Firma etwa fertigt Büchsen für die Abfüllung in der Weidinger Molkerei. "Die sperren dann ein paar Tage eher zu", sagt Kronberger trocken. Der örtliche Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer (CSU) formuliert es drastischer: "Die Firma Hochwald hat den Standort Weiding im wahrsten Sinne heruntergewirtschaftet, indem sie seit Jahren nicht mehr in ihn investiert hat." Ein Sprecher der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Rosenheim ergänzt: "Hochwald entführt die Bärenmarke." Angeblich soll sie künftig in Holland produziert werden, mit norddeutscher statt mit bayerischer Milch. Für die Weidinger ein Affront.

Ihre Molkerei hat mehrere Eigentümerwechsel erlebt. Früher gehörte sie der Allgäuer Alpenmilch, dann kam Nestlé. 2003 erwarb Hochwald das Werk, zusammen mit den europäischen Rechten an der Bärenmarke. Hochwald ist eine Genossenschaft aus Thalfang bei Trier, ein Milchriese. 2015 machte er einen Umsatz von 1,44 Milliarden Euro. Sein Milcheinzugsgebiet erstreckt sich über Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland, Teile Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens bis nach Frankreich und in die Niederlande. In einer Stellungnahme heißt es, Teile der Weidinger Produktion würden an andere Standorte verlagert. Davon erhoffe man sich eine effizientere Produktion und Logistik. Der Beschluss, das Werk zu schließen, "gehört zu den schwersten in der Geschichte von Hochwald".

Die Lage auf dem Milchmarkt ist seit einigen Jahren schwierig. Discounter drücken die Preise, die Nachfrage im Ausland fehlt, genauso die Milchquote, die früher die Milchmenge regulierte und damit indirekt auch den Markt. Im Fall Weiding kommt hinzu: Kondensmilch ist nicht mehr so angesagt. 2015 wurden deutschlandweit 411 000 Tonnen davon produziert. 2016 waren es nur 380 000 Tonnen.

Das Verhältnis zwischen den örtlichen Milchbauern und Hochwald gilt schon seit Längerem als angespannt. Im vergangenen Sommer kündigte Hochwald etwa die Lieferverträge mit ungefähr 200 Bauern der Milcherzeugergemeinschaft (MEG) Traunstein. Eine Hochwald-Sprecherin sagte damals dem Oberbayerischen Volksblatt, dass es mehr Milchanlieferungen gebe, Verarbeitung und Absatz aber gleich blieben. Deshalb müsse man "eine Mengenanpassung" vornehmen. Ein Schock für die MEG. Sie hatte Preisverhandlungen erwartet - nicht die Kündigung.

In Weiding hoffen sie, dass ein Investor das Werk übernimmt, vielleicht eine andere Molkerei aus der Region. Allerdings gilt das Werk als in die Jahre gekommen. Und die Zeit drängt. Bauern, die einen anderen Abnehmer für ihre Milch finden, werden den Vertrag mit dem Weidinger Werk kündigen und einem neuen Betreiber fehlen. Auch viele Molkereimitarbeiter dürften sich schon nach einem neuen Arbeitgeber umsehen, in der Hoffnung, rechtzeitig den Absprung zu schaffen.

"Mit der Hälfte der Mannschaft wird es schwierig, den Betrieb aufrechtzuerhalten", sagt auch Krisenmanager Kronberger. Ob er optimistisch sei, was die Zukunft des Werks angehe? Kronberger wägt die Worte. "Ich werde alles versuchen, um eine Lösung zu finden."

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