Wehrdienst:Historisch unaufgeregt

Die letzten Wehrpflichtigen haben ihren Dienst angetreten - ein einschneidender Termin für das Land, und für den 22-jährigen René Lehmann.

Malte Conradi

Fast 54 Jahre ist es her, dass die ersten Wehrpflichtigen der Bundesrepublik in die Kaiser-Wilhelm-Kaserne in Amberg einzogen. Sie markierten damit den Beginn einer Institution, die die Bundesrepublik Deutschland prägte wie kaum eine andere: Millionen junger Männer wurden seither von den Kreiswehrersatzämtern zum Wehrdienst herangezogen und dienten als "Bürger in Uniform".

Letzte Pflicht-Rekruten treten Wehrdienst an

In Bayern beginnen 1500 junge Männer ihren Dienst - als letzte Pflicht-Rekruten der Republik.

(Foto: dapd)

Am Ende dieser jahrzehntelangen bundesrepublikanischen Tradition stehen Männer wie René Lehmann. Der 22-Jährige ist einer der 12.000 letzten Wehrpflichtigen, die am gestrigen Montag in Deutschland zum Wehrdienst einberufen wurden. In Bayern begannen 1500 junge Männer ihren Dienst, nur in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen waren es mehr.

Zum nächsten Einberufungstermin am 1. März werden dann nur noch Freiwillige in die Kasernen einrücken. Wenn die Wehrpflicht im Juli auch offiziell ausgesetzt wird, soll dann niemand mehr gegen seinen Willen eine Uniform tragen. Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg nennt das den "tiefgreifendsten Einschnitt in der Geschichte der Bundeswehr".

Für René Lehmann begann der sechsmonatige Grundwehrdienst im Luftwaffenstützpunkt Roth bei Nürnberg. Dass dieser Tag nicht nur für ihn persönlich, sondern auch für das ganze Land ein einschneidender war, ist dem 22-Jährigen bewusst. Doch Lehmann ist ein nüchterner junger Mann. Dass er einer der letzten Rekruten ist, der zum Dienst bei der Bundeswehr eingezogen wurde? Für Lehmann nicht mehr als "eine schöne Geschichte für die Enkelkinder".

Auch bei seinen neuen Kameraden sei "das Gefühl, dass wir die letzten sind, noch nicht sonderlich präsent". Erstmal sind andere Dinge wichtig: Die Stube beziehen, die Ausbilder kennenlernen und "unendlich viel Papierkram". Dass sein Chef ihn bei seiner Abschiedsrede auf der Weihnachtsfeier vor versammelter Mannschaft ironisch als "Glückspilz" bezeichnet hat, der jetzt so kurz vor Schluss noch ran muss? Dass der Brief mit dem Einberufungsbescheid erst vor vier Wochen kam? "Ist halt so passiert, das ärgert mich nicht", sagt Lehmann.

Früher oder später, vermutet der gebürtige Dresdner, wäre er wohl sowieso bei der Bundeswehr gelandet. Als gelernter Fluggerätemechaniker, glaubt er, hat der Bund ihm viel zu bieten. Deswegen überlegt er auch schon, nach dem Grundwehrdienst zu bleiben: "Es gibt gute Aufstiegsmöglichkeiten, ich kann den ganzen Bereich der militärischen Anwendung kennenlernen und man kann ganz gut verdienen." Auch ein Auslandseinsatz würde Lehmann reizen, als Techniker würde er dann die Flugzeuge und Hubschrauber der Bundeswehr am Boden warten und reparieren.

Der Standort Roth, bei dem Lehmann Dienst tun wird, ist mit 3000 Soldaten einer der größten in Bayern, ihn wird es sicher auch weiterhin geben. Doch es ist zu erwarten, dass Bayern als Bundesland mit den meisten Bundeswehrstandorten (68) besonders von der Aussetzung der Wehrpflicht betroffen sein wird. Besonders in vielen der kleineren Standorte wird ohne Wehrpflichtige wohl bald nicht mehr viel los sein. Lokalpolitiker müssen sich dort auf eine Schließung "ihrer" Kasernen einstellen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: