Wasserburger Polizei:Interne Ermittler sollen Prügelvorwürfe klären

Möglicher Fall von Polizeigewalt in Wasserburg: der 53 Jahre alte Erwin Meier (Name geändert)Foto: oh

Erwin Meier erlitt eine Platzwunde, Prellungen und Schürfungen. 

(Foto: oh)

Sie sollen einen Mann mit dem Kopf an eine Wand gestoßen haben: Nach den Prügelvorwürfen gegen Wasserburger Polizisten werden nun interne Ermittler aus München das mutmaßliche Opfer und einen Zeugen vernehmen. Der Fall hat einige rätselhafte Aspekte.

Von Heiner Effern

Nach den Prügelvorwürfen gegen Polizisten in Wasserburg wollen interne Ermittler neben dem mutmaßlichen Opfer auch einen ersten Zeugen vernehmen. Der Mann hatte in der SZ die Beamten schwer belastet. Schläge, Tritte oder Beleidigungen des Zivilisten habe er nicht beobachten können, sagte er.

Stattdessen habe er gesehen, wie die Polizisten den Kopf des Mannes gegen das Autodach schlugen, ihn von der Menge auf der Straße wegbrachten und an einer schwer einsehbaren Stelle mit der Faust auf den Kopf des Mannes einschlugen. Er sei den Polizisten gefolgt, als er diese Szene filmen wollte, hätten ihm die Beamten das Handy abgenommen. "Ich war total schockiert", sagte er.

Der 53 Jahre alte Erwin Meier (Name geändert) wirft der Polizei vor, ihn in der Neujahrsnacht ohne Grund misshandelt zu haben. Er habe in der Wasserburger Altstadt die Polizisten nur gefragt, warum sie einen jungen Mann gerade in so rüdem Ton kontrolliert hätten. Daraufhin sei er, sagt Meier, zuerst grob niedergerungen, gefesselt und später im Polizeiauto geschlagen worden. In die Wache hätte ein Polizist ihn im "Schwitzkasten" gebracht - nicht ohne ihn zuvor am Eingang mit dem Kopf an eine Wand zu stoßen.

In der Behandlungsakte des Krankenhauses sind eine Platzwunde, die Prellung des Kiefers und Schürfwunden vermerkt. Darüber steht lapidar: "Nach Wundversorgung erbrochen." Ein Gelage an Silvester kann nicht der Grund gewesen sein. Meier war mit von der Polizei bestätigten 0,34 Promille Alkohol im Blut fast nüchtern. Er hat drei Beamte angezeigt. "Dass sich mein Mandant die meisten Verletzungen erst zugezogen hat, als er bereits mit Handschellen fixiert war, ist nicht in Einklang zu bringen mit geordneter Polizeiarbeit", sagt Meiers Anwalt Oliver Drexler. "Ich bin überzeugt, dass er die Wahrheit sagt. Es gilt nun aufzudecken, was bei der Wasserburger Polizei los ist."

Die Polizisten weisen alle Vorwürfe zurück. Der Mann habe einem Beamten, der nach der Kontrolle eines jungen Mannes, der ausfällig geworden war, gerade wieder einsteigen wollte, geschubst und mit der Faust geschlagen, heißt es in einer Stellungnahme des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Als die Beamten danach versucht hätten, den Mann zu beruhigen, habe dieser sich mit Schlägen und Tritten gewehrt sowie einen Beamten gezielt in die Genitalien gegriffen.

Als er nach mehrmaliger Aufforderung nicht losgelassen habe, hätte sich der Beamte mit Schlägen befreit. Auch im Auto, obwohl gefesselt, habe der Mann mit Kopfstößen versucht, einen Polizisten zu verletzen. Der Festgenommene sei deshalb angezeigt worden.

Die Beamten der zentralen Ermittlungsstelle in München, die in ganz Südbayern Fälle untersuchen, in die Polizisten verwickelt sind, müssen zahlreiche offene Fragen klären. Zum Beispiel, warum die Wasserburger Polizisten in ihrem ersten Bericht ans Präsidium Oberbayern Süd mit keinem Wort den Zeugen erwähnten, dem sie in der Altstadt das Handy abgenommen hatten.

Das Präsidium erfuhr davon offenbar durch die Nachfrage der Süddeutschen Zeitung. Als der Besitzer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sein Telefon am nächsten Morgen abholte, fragte ihn niemand nach einer Aussage. Erst nach der Presseanfrage erhielt er einen Anruf von der Polizei, dass er vernommen werden soll.

Auf einen Zeugenaufruf hatte die Polizei zunächst verzichtet. Dafür hatte Erwin Meier privat eine Anzeige geschaltet, in der er Menschen suchte, die in der Neujahrsnacht gegen zwei Uhr vor dem Lokal "Zum Roten Turm" seine Festnahme beobachtet hatten. Nicht ohne Erfolg, sagt Meier.

Auch der Zeuge, der in der SZ Angaben machte habe sich gemeldet. Doch nicht nur dieser. Wenige Tage später stand in den Lokalmedien doch noch ein Zeugenaufruf der Polizei. In dem kurzen Artikel wurden die vermeintlichen Gewalttaten des als "renitent" bezeichneten Mannes als Tatsachen wiedergegeben.

Völlig offen bleibt auf beiden Seiten die Frage nach einem Motiv. Warum sollten Polizisten, die in der Silvesternacht Dienst tun, vor einer teilweise sicherlich feiertrunkenen Menge einen Mann ohne triftigen Anlass misshandeln? Warum sollte ein 53 Jahre alter Mann, Programmierer, fester Wohnsitz, unbescholten, fast nüchtern, so die Kontrolle verlieren, weil ein ihm unbekannter Mann von Polizisten in grobem Ton kontrolliert wurde?

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