Wandern in Bayern:Plumsklo, Lager, Kerzenschein - das war einmal

In den Alpen halten Dreibettzimmer, exotische Speisen und Wlan Einzug. Die junge Generation von Bergtouristen will auch auf 2400 Metern den gleichen Komfort wie im Tal. Einige Hütten haben sich schon darauf eingestellt.

Von Korbinian Eisenberger und Sabine Pusch

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Auf einer Hütte in den Alpen, 1912

Quelle: SZ-Archiv/Scherl

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Kaltes Wasser, Plumpsklos und Schnarchlager - wenn auch nicht immer komfortabel, eine Berghütte lebt von ihrer Einfachheit. Umso erstaunlicher ist es, dass im Gebirge immer häufiger Dreibettzimmer, exotische Speisen und kabelloses Internet zu finden sind. Vier Beispiele:

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Quelle: oh

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Vor einer modischen Trennwand stehen futuristische Stühle und Designertische. Eierkopfförmige Lampenschirme baumeln von der kahlen Decke. Die Außenwände sind zu großen Teilen verglast. Auf einem Flachbildschirm flackert ein künstliches Lagerfeuer. Was auf den ersten Blick dem Inventar eines Fast-Food-Restaurants gleicht, ist der Entwurf für die neue Inneneinrichtung der Höllentalangerhütte (Sektion München) im Wettersteingebirge.

Noch in diesem Herbst will die DAV-Sektion München die 138 Jahre alte Bergsteigerunterkunft abreißen lassen. Die Entwürfe erinnern dabei eher an einen Plattenbau als an eine gemütliche Berghütte. Wegen der Lawinengefahr, heißt es. Schon jetzt werden die Gäste mit "internationaler Küche" angeworben. Demnächst sollen dann Zimmer für Paare oder Familien zu buchen sein. "Große Lager sind nicht mehr zeitgemäß", sagt DAV-Sprecher Frank Martin Siefarth. Demnach soll in der neuen Höllentalangerhütte ein Raum mit Flipchart, Beamer und Leinwand eingerichtet werden. Kabelloses Internet sei dann für alle Gäste zugänglich und über das Smartphone empfangbar.

Das neue Konzept sei laut Siefarth unweigerlich "moderner als die Zirbenstube". Mit einer Holzvertäfelungen und Kachelofenatmosphäre hat das Konzept freilich nicht mehr viel gemein. Hätte der Architekt nicht zwei bayerische Musikanten in das Modell seiner Almstube gesetzt - man hätte wohl Schwierigkeiten, sie als solche zu identifizieren.

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Quelle: imago stock&people

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In der Vorderkaiserfeldenhütte im Kaisertal (Sektion München Oberland) ist der Kunde nach alter Schule König. Die mehr als hundert Jahre alte Hütte hat für Paare eine "Kaisersuite" eingerichtet, dazu zahlreiche Zwei- oder Vierbettzimmer - allesamt heizbar. In den Waschräumen gibt es heiße Duschen, im Winter läuft gegen Aufpreis warmes Wasser auch an den Waschbecken. In der Küche bereitet ein junger Koch aus Neapel italienische Teigtaschengerichte zu, die er mit neapolitanischem Bergpfeffer garniert.

Ohnehin liegt dem Wirt der Vorderkaiserfeldenhütte das leibliche Wohl seiner Gäste am Herzen. Die Küche hält das ganze Jahr eine Auswahl extravaganter Vier-Gänge-Menüs bereit. Als Vorspeise wird etwa "geräuchertes Forellenfilet mit Preiselbeersahne" serviert. Im Hauptgang "Hirschspieße mit Rosmarinpolenta und Salat" - abgerundet durch eine "Käseauswahl mit Früchten der Saison". Immer häufiger werden auf der Vorderkaiserfeldenhütte deshalb Geburtstage, Firmenfeiern und sogar Hochzeiten gefeiert. Das Brautpaar kann dann aus mehr als 2000 Kombinationsmöglichkeiten sein eigenes Festmenü zusammenstellen.

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Quelle: SZ

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Auf der Gufferthütte im Rofangebirge (Sektion Kaufering) hat man sich seit Anfang des Jahres auf eine andere Gruppe von Sportlern spezialisiert: Mountainbiker. "Die sind meist ein wenig im Zeitstress, wollen schnell etwas essen und dann zügig weiter", sagt Hüttenwirt Thomas Meyer. Auch äßen sie weniger deftig als Wanderer. Auf den Schweinebraten, der am Wochenende im Angebot ist, würden sie eher verzichten - er läge zu schwer im Magen.

Jeden Donnerstag ist deshalb "Bikertag". Dann gibt es das "Bikermenü", Nudeln, Salat und ein Getränk, für acht Euro. Vor der Hütte steht ein Schlauchautomat, in einem meterlangen Fahrradständer reiht sich ein Mountainbike an das andere. "Ein Mal pro Monat verschicke ich auch einen Newsletter mit den aktuellen Veranstaltungen, gebe Tourentipps und informiere über die kulinarischen Angebote", sagt Meyer. Im Frühjahr waren Bärlauchwochen, für September und Oktober sind Kürbis- und Wildwochen geplant. Seit einigen Monaten bieten die Wirtsleute zudem "Candle-Light-Dinner" mit Übernachtung für verliebte Ausflügler an.

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Quelle: Taschachhaus

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"Es macht keinen Sinn, die Zeit anzuhalten", sagt Christoph Eder, der Hüttenwirt des 2434 Meter hoch gelegenen Taschachhauses im Pitztal (Sektion München-Oberland). In der Broschüre ist von großem Komfort, komfortablen Schlaf- und Duschmöglichkeiten sowie einer ausgezeichneten Bewirtung die Rede. Den ausgehungerten Wanderern wird ein dreigängiges Abendmenü samt Salatbuffet angeboten, auf Wunsch auch vegetarisch oder vegan. Zudem wollen sich die Wirtsleute in Zukunft auf Unverträglichkeiten wie Lactose- oder Glutenintoleranz einstellen.

Das Taschachhaus ist längst keine urige Hütte mehr. Die Entscheidung, das Gebäude zu einem modernen Ausbildungszentrum auszubauen, sei ganz bewusst gefallen, betont Eder. Dass ein Teil der heimeligen Atmosphäre durch die umfassenden Umbauten verloren ging, nahm man in Kauf. "Die Leute, die sich über den Komfort beschweren, also die klassischen Knickerbocker-Bergsteiger, wollen wir eh nicht ansprechen", sagt der Hüttenwirt. Dem modernen Wanderer solle es an nichts fehlen. Neben den warmen Duschen gibt es deshalb auch Wlan, einen Kicker und sogar eine Kletterhalle.

So könnten sich die Gäste nach dem Drei-Gänge-Menü noch eine Runde zum Bouldern treffen, erklärt Christoph Eder den Sinn des Angebots inmitten der Bergwelt. "Wir bieten regelmäßig Vorträge und Bergsteigerseminare an", sagt er. Dazu lade man immer wieder bekannte Sportler und Trainer ein. Um den Rundumservice zu perfektionieren, arbeiten die Betreiber im Pitztal inzwischen auch verstärkt mit der Industrie zusammen. Die Gäste können sich Testmaterial ausleihen und so die neuesten Errungenschaften im Bereich Wandern und Klettern unverbindlich ausprobieren.

Lesen Sie mehr zu Hütten in Bayern in der Süddeutschen Zeitung vom 13.08.2013 im Bayernteil.

© SZ vom 13.08.2013/dayk
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