Wahl-Sensation in Bamberg:Ente gut, alles gut

Dass sein Wahlslogan so schnell Wirklichkeit wird, damit hätte You Xie wohl nicht gerechnet: Die Bamberger Wähler hievten ihn auf der Parteiliste von Platz 29 auf 1 - und machten den Imbissbesitzer zum Stadtrat. Ausgerechnet für die Partei, die in der Domstadt keinen leichten Stand hat.

Von Katja Auer

Am Tag danach steht You Xie wieder in seinem Imbiss nahe den alten Hafenkränen an der Regnitz. Es gibt Ente, Achtschätze, Hühnerfleisch und natürlich gebratene Nudeln. Für Schüler und Studenten zum Sonderpreis von 1,50 Euro. Der China Fan Imbiss ist in Bamberg beinahe legendär, seit fast 20 Jahren füttert You Xie, 55, dort schon Studenten durch. Das mag ein Grund sein, warum aus dem Imbiss-Besitzer You Xie der Wahlgewinner You Xie geworden ist: Man kennt ihn halt.

Dennoch war es eine kleine Sensation am Montagabend im Rathaus, als endlich alle Stimmzettel zur Stadtratswahl ausgezählt waren. You Xie, der gebürtige Chinese, der erst seit 2010 die deutsche Staatsbürgerschaft hat, der Politikneuling, der erst 2012 der CSU beigetreten ist, wurde auf der CSU-Liste nach vorne gewählt. Nach ganz vorne, von Platz 29 auf Platz eins. 10 621 Bamberger gaben You Xie ihre Stimme - mehr als dem Kreisvorsitzenden und dem Fraktionschef, mehr als zwei ehemaligen Oberbürgermeister-Kandidaten. "Das hätte ich nicht gedacht", sagt You Xie. Dass er es in den Stadtrat schaffen würde, damit habe er gerechnet. Aber nicht mit diesem Ergebnis. Er steht auf Platz sechs der Stadträte mit den meisten Stimmen.

Ein bescheidener Stadtrat

Er könnte jetzt einen Führungsanspruch anmelden als CSU-Stimmenkönig, Bürgermeister werden wollen oder Fraktionsvorsitzender. Will er aber nicht. "Ich bin schon froh, dass ich als Ausländer in der CSU und im Stadtrat bin", sagt er. Er will sich für soziale Themen einsetzen, für Kindergärten, Schulen und Altenheime. Für Fahrradwege. Und für mehr öffentliche Toiletten in Bamberg. Die reichten einfach nicht aus, sagt er.

Viele haben geschmunzelt, als You Xie seine Wahlplakate in der Stadt aufhängte. "Ente gut, alles gut", stand darauf zu lesen, eher Glückskeks-Spruch als Wahlkampfslogan. Außerdem: "Ich bin ein Bamberger! Ich stehe für Bamberg!" Tatsächlich betont You Xie immer wieder, wie sehr ihm die Welterbe-Stadt zur Heimat geworden ist. 1988 kam Xie nach Franken, nach einer langen Zugfahrt durch China, die Sowjetunion, Polen und die DDR. Er studierte Germanistik. Als 1989 in China die Panzer rollten und die Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens niederwalzten, schrieb You Xie dagegen an.

Er wurde zum Dissidenten, darf nicht mehr nach China einreisen. Er schrieb weiter, ist preisgekrönter Journalist und Schriftsteller, eine wichtige chinesische Zeitung wählte ihn 2010 auf die Liste der 100 einflussreichsten Intellektuellen Chinas, die der Künstler Ai Weiwei anführt. 1999 gründete Xie die einzige chinesischsprachige Monatszeitung in Europa, die "European Chinese News", die er im Oktober 2011 allerdings einstellen musste.

"Früher habe ich mich für China engagiert", sagt You Xie. Für seine alte Heimat könne er momentan nichts tun, also wolle er sich in seiner neuen Heimat einbringen. "Ich bin mit leeren Händen nach Deutschland gekommen", sagt er, "und jetzt will ich etwas zurückgeben." Dass er sich dafür ausgerechnet die CSU ausgesucht hat, findet er selbst gar nicht überraschend. Christlich und sozial, das seien die Grundwerte der CSU, die auch ihm wichtig seien.

Die Türen sind offen

"Eine tolle Verstärkung für die CSU", nennt ihn der Kreisvorsitzende Christian Lange. "Wenn so jemand anklopft, muss man die Tür öffnen." Der Wahlerfolg von You Xie ist dennoch allenfalls ein Glanzlicht im Debakel, das die Wahl für die Bamberger CSU wieder einmal ist. Drei Sitze musste die Partei abgeben und auch wenn sie mit 27,5 Prozent und zwölf Sitzen stärkste Fraktion bleibt, hat der Niedergang der Christsozialen der vergangenen Jahre in der Domstadt einen historischen Tiefpunkt erreicht.

Stellte die CSU von Kriegsende an noch konsequent die Oberbürgermeister, verliert sie spätestens seit dem Amtsende des parteifreien Herbert Lauer 2006, der wenigstens zeitweise auch Kandidat der CSU war, fortwährend an Zustimmung. Zwei Oberbürgermeister-Wahlen gegen den amtierenden Rathauschef Andreas Starke von der SPD verlor die CSU eindeutig, zuletzt mit dem Pathologen Gerhard Seitz, der gerade einmal gut 27 Prozent der Stimmen bekam - und das in einer Stadt, die trotz ihrer vielen Studenten als durch und durch bürgerlich bezeichnet werden kann.

Lange galt die Partei als zerstritten und auch wenn das vorbei sein soll, so traten diesmal zwei ehemalige CSU-Stadträte mit eigener Liste an und erreichten auf Anhieb drei Stadtratsplätze.

Bleiben 27,5 Prozent für die CSU. Das sei nicht das Ergebnis, das man sich erhofft habe, räumt Lange ein. 14 Sitze seien das Ziel gewesen, "das haben wir klar verfehlt", sagt er. Erklärungen hat er aber auch parat, da sei zum einen der Generationenwechsel. Einige bewährte Stadträte seien ausgeschieden und deren Zugkraft habe man nicht kompensieren können. Zum anderen sei das Auszählverfahren nach Hare-Niemeyer, das bei der Kommunalwahl erstmals angewendet wurde, von Nachteil für die CSU. Positiv sei aber doch, dass die CSU weiter stärkste Fraktion bleibe und zusammen mit der SPD die Mehrheit habe.

Andere in der CSU wollen das Ergebnis nicht beschönigen. "Wir müssen alles hinterfragen, besonders die Politik und die Inhalte der letzten zwölf Jahre", schreibt Markus Huml im Internet-Netzwerk Facebook. Der Ehemann von Gesundheitsministerin Melanie Huml wurde als Vierter für die CSU gewählt. Nach diesem Ergebnis könne "kein Stein mehr auf dem anderen bleiben". Das müsse man intern klären und die Konsequenzen ziehen. Das hatten auch andere schon gefordert.

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