Wahl-Debakel der CSU:"Der Schock ist kleiner"

Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein musste einst wegen eines Wahlergebnisses von 43,3 Prozent zurücktreten. Horst Seehofer darf mit 42,6 Prozent bleiben - und Beckstein versteht das.

Olaf Przybilla

Günther Beckstein hat am 1. Oktober 2008 seinen Rücktritt als Ministerpräsident erklärt, nachdem die CSU bei der Landtagswahl 43,4 Prozent der Stimmen erreicht hatte. Sein Nachfolger Horst Seehofer hat am Sonntag bei der Bundestagswahl nur 42,6 Prozent für die CSU erreicht. Von Rücktritt allerdings redet niemand.

SZ: Herr Beckstein, warum mussten Sie als Ministerpräsident mit 43 Prozent der Stimmen gehen - Ihr Nachfolger mit 42 Prozent aber nicht?

Günther Beckstein: In der Politik gibt es keine festgelegten Regeln für einen Rücktritt. Es hat auch keinen Sinn, über meinen damaligen Schritt im Nachhinein noch andauernd nachzugrübeln. Wenn die eigene Partei nicht voll hinter einem steht, dann muss man gehen, gerade in schwieriger Zeit.

SZ: Die Frage ist aber doch: Warum stand die Partei nicht hinter Ihnen?

Beckstein: Ich verheimliche nicht, dass ich mir mehr Loyalität gewünscht hätte zu meiner Zeit in der Verantwortung. Vielleicht hat man das CSU-Ergebnis diesmal aber auch erwartet.

SZ: 42 Prozent für die CSU in Bayern sind bereits erwartbar?

Beckstein: So vielleicht nicht. Aber der Schock ist diesmal einfach kleiner. Man hat das ja alles schon mal erlebt. Bei mir kam die Niederlage noch wie der Blitz aus dem heiteren bayerischen Himmel. Unser Fall jetzt kommt nicht mehr von diesen ganz hohen Höhen aus.

SZ: Noch mal zur Erinnerung: Warum sind Sie vor einem Jahr zurückgetreten?

Beckstein: Ich hatte mir selbst ein Ziel gesetzt: Mehr als 50 Prozent sollten es sein. Dieses Ziel habe ich nicht erreichen können. Dann muss man handeln.

SZ: Hatten Sie vielleicht so wenig Rückhalt, weil Sie nicht aus dem Stammland der CSU, aus Oberbayern, kommen?

Beckstein: Ich glaube nicht, dass man fehlende Loyalität mit der Herkunft erklären kann. Ich glaube, dass die CSU etwas gelernt hat. Auf mich wirkt es so, als habe unsere Partei verstanden, dass es keinen Sinn hat, bei jeder Niederlage das Führungspersonal auszutauschen. Das hat der eine oder andere jetzt begriffen.

SZ: Die CSU hat in Nürnberg-Nord bei der Bundestagswahl 29,9 Prozent der Stimmen erreicht. Die Erosion der ehemaligen Volkspartei SPD hat mit ähnlichen Ergebnissen begonnen.

Beckstein: Ich glaube nicht, dass wir denselben Weg gehen werden. Der Niedergang der SPD hat mit der Ausgründung der Grünen aus der Partei zu tun - und mit dem Eintritt Lafontaines bei den Linken. Das vor allem stellt die Sozialdemokraten vor eine Zerreißprobe.

SZ: Das erklärt aber nicht das Absacken der CSU unter die 30-Prozent-Marke in Nürnberg-Nord.

Beckstein: Dieses Ergebnis ist natürlich alles andere als erfreulich. Wir müssen uns nun systematisch überlegen, wie wir für eine große Mehrheit der Leute wieder wählbar werden, wie früher. Das sind wir momentan einfach nicht.

SZ: Woran liegt das?

Beckstein: Es liegt an inhaltlichen Fragen. Wir müssen uns überlegen, was eigentlich das Lebensgefühl der Leute ausmacht. Sonst verlieren wir immer mehr an Zustimmung. Es ist für eine Partei viel leichter, die Stammkundschaft zu verlieren - als die Laufkundschaft zu gewinnen. Aber jetzt muss ich wirklich los.

SZ: Wohin?

Beckstein: Ich fliege nach Tibet. Das ist ein Traum von mir seit 15 Jahren, den ich mir zuvor nie erfüllen konnte. Ich will das Basislager des Mount Everest besuchen, viele Klöster. Nach den Spuren des Dalai Lama werde ich nicht suchen. Ehrlich gesagt, es befremdet mich, wenn sich jemand selbst zum Halbgott erklärt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: