Waakirchen:Die Angst vorm schwarzen Mann

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Gähnende Leere herrscht im Kegelstüberl von Waakirchen, seit nebenan Flüchtlinge eingezogen sind. (Foto: Manfred Neubauer)
  • Das oberbayerische Waakirchen ist ein Ort, wie es so viele gibt in Bayern. Man ist hier bodenständig-konservativ, die Stimmung auf keinen Fall fremdenfeindlich, betont der Bürgermeister.
  • Und doch bleiben die Kegler weg, seit 20 Flüchtlinge in die Turnhalle eingezogen sind.
  • "Ich habe es nicht glauben wollen, dass bei etlichen Leuten der Rassismus so tief sitzt", sagt der Wirt, der inzwischen ein Drittel weniger Umsatz macht.

Von Christian Sebald, Waakirchen

Im Küchencontainer neben der Waakirchner Turnhalle schneidet Haile Fetui Zwiebeln in hauchdünne Streifen. Im Topf auf dem Herd lässt der Asylbewerber aus Eritrea derweil das Öl heiß werden. Auf einem Tisch steht eine Platte mit klein gehackten Tomaten, daneben eine Schale mit geschälten Kartoffeln. Haile Fetui bereitet das Abendessen zu, für sich und seinen Freund. Andere Flüchtlinge haben sich derweil in der Unterkunft im Untergeschoss der Turnhalle um den Fernseher versammelt. "Wir sind glücklich hier", sagt Mazen in holprigem Englisch. Der Enddreißiger ist vor dem Bürgerkrieg in Syrien nach Bayern geflohen. "Endlich keine Kämpfe mehr, die Leute sind freundlich, sie haben uns Schuhe und Kleidung gebracht, wir sind gut versorgt."

Alles bestens also in der Flüchtlingsunterkunft. Aber nur auf den ersten Blick. Im Kegelstüberl nebenan sitzt der Wirt Stefan Heufelder und versteht die Welt nicht mehr. "Seit hier Ende April die Flüchtlinge eingezogen sind, bleiben mir die Kegler weg", sagt der 60-Jährige. "Inzwischen mache ich fast ein Drittel weniger Umsatz." Der Grund, warum immer weniger Gäste zu Heufelder kommen: Sie wollen nicht neben einer Asylbewerber-Unterkunft kegeln. "Ich habe es nicht glauben wollen, dass bei etlichen Leuten der Rassismus so tief sitzt", sagt Heufelder. "Aber eine Stammkundin hat mir wörtlich gesagt, dass sie es ihrer Kegelgruppe nicht erklären kann, dass sie neben der Flüchtlingsunterkunft kegeln sollen."

"Wir sind glücklich hier", sagt der Syrer Mazen. (Foto: Manfred Neubauer)

Monatelange Flucht voller Strapazen

Die Asylbewerberunterkunft in Waakirchen im Landkreis Miesbach ist eines der Notquartiere, wie sie zurzeit hundertfach überall in Bayern aus dem Boden gestampft werden. Unten, im Tischtennisraum im Untergeschoss der Gemeindeturnhalle, haben sie Stockbetten aufgestellt, davor simple Metallspinde, damit die Betten wenigstens ein bisschen abgeschirmt sind. Um den Fernseher herum stehen reichlich angegraute Sofas, wenn es regnet, läuft das Gerät praktisch die ganze Zeit über. Geduscht wird in den alten Umkleiden, gekocht in dem Küchencontainer oben neben dem Eingang.

In der Unterkunft leben 20 Männer - aus Syrien, aus dem Senegal, aus Eritrea, aus Mali und aus Somalia. Alle haben eine monatelange Flucht voller Strapazen hinter sich. Die meisten kamen auf schrottreifen Booten, wie man sie beinahe allabendlich in den Nachrichten sehen kann, übers Mittelmeer. Natürlich liegt es auch an der Sprachbarriere, dass keiner ausführlicher von seiner Flucht erzählen will. Aber sicher nicht nur. "Wir wollen jetzt Krieg und Not hinter uns lassen", sagt Mazen. "Wir wollen ein besseres Leben."

Man ist hier bodenständig-konservativ

Auch das oberbayerische Waakirchen ist ein Ort, wie es so viele gibt in Bayern. Gut 5500 Einwohner zählt die beschauliche Landgemeinde, die auf halber Strecke zwischen dem Tegernsee und Bad Tölz liegt. Die Einwohner leben von der Landwirtschaft und vom Handwerk, viele arbeiten auch im Tourismus und natürlich pendeln etliche bis nach München. Man ist hier bodenständig-konservativ - an so manchem schmucken Einfamilienhaus prangt ein Hirschgeweih. "Viele hier haben es in ihrem ganzen Leben noch nicht mit einem Afrikaner zu tun gehabt", sagt Irmi Markl, die sich im Helferkreis für die Asylbewerber engagiert. "Klar, dass mancher skeptisch auf die Asylbewerber reagiert."

Bei den Problemen, die der Kegelstüberl-Wirt Heufelder mit seinen Gästen hat, geht es aber nicht um Skepsis. Es geht um Fremdenfeindlichkeit. "Hernach kommen wir noch so weit, dass wir mit den Asylbewerbern kegeln sollen, hat mir nicht nur ein Gast erklärt", berichtet der Kegelstüberl-Wirt Heufelder, "andere haben laut in die Runde gefragt, was machst' denn, wenn die bei Dir essen wollen, und wieder andere haben gemeint, dass sie keine Lust haben, auf der Toilette auf einen Flüchtling zu treffen."

Auf keinen Fall fremdenfeindlich

Auch auf den Informationsabenden der Gemeinde geht es bisweilen hoch her. Dabei bietet der Waakirchner Bürgermeister Sepp Hartl (Freie Wähler) sie eigentlich an, um Ängsten und Ressentiments vorzubeugen. "Aber es hat mich schon erstaunt, wie viele Mütter hier kategorisch gegen eine Flüchtlingsunterkunft sind, weil sie befürchten, die Asylbewerber könnten ihren Kindern was antun", sagt Helferin Markl. Und Hartl weiß, dass "etliche Frauen Angst vor Übergriffen haben". Wie andere hat auch er beobachtet, dass der Parkplatz vor der Gemeinde-Turnhalle jetzt sehr viel weniger genutzt wird - "offenbar aus Furcht, die Autos dort könnten beschädigt werden". Gegenüber Flüchtlingen aus Zentralafrika seien wegen der Hautfarbe "die Vorbehalte natürlich besonders stark".

Gleichwohl, das betonen die Helferin Markl und Bürgermeister Hartl beinahe bei jedem Satz, sei die Stimmung in Waakirchen auf keinen Fall fremdenfeindlich. "Das Gegenteil ist vielmehr der Fall", sagt Hartl und verweist auf den 36 Mitglieder starken Helferkreis, den Sprachunterricht, den ehemalige Lehrer ehrenamtlich geben, die vielen Sachspenden aus der Bevölkerung, das Engagement der Vereine und all die anderen Leistungen, welche die Flüchtlingen in ihrem neuen Alltag unterstützen. "Das ist es doch, was zählt", sagt Hartl, "unsere Leute leisten ungeheuer viel für die Flüchtlinge."

Der Miesbacher Landrat Wolfgang Rzehak (Grüne) teilt die Einschätzung. "Natürlich gibt es Ressentiments, allerdings bei einem sehr kleinen Teil der Bevölkerung", sagt Rzehak, der für die Verteilung der Flüchtlinge in seinem Landkreis zuständig ist. "Und das auch nicht nur in Waakirchen. Sondern in allen Gemeinden, die Asylbewerber aufnehmen müssen." Die überwiegende Mehrheit empfange die Asylbewerber mit großem Wohlwollen. Rzehak hofft nur, dass das so bleibt. Dieses Jahr wird sich die Zahl der Asylbewerber in Bayern auf 70 000 verdoppeln. Im Landkreis Miesbach werden 900 statt der jetzt 470 Flüchtlinge leben. in Waakirchen sind es dann nicht mehr 20, sondern 56 Flüchtlinge.

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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