Vorwürfe gegen Inspektion Landshut:Polizei kontra Polizei

Sie sollen betrunken Auto fahren und unbeteiligte Bürger grundlos zu Boden schlagen. Die Folgen? Manchmal gar eine Beförderung. Ein anonymer Schreiber aus dem Präsidium Niederbayern erhebt gegen mehrere Beamte der Inspektion Landshut schwerwiegende Anschuldigungen.

Wolfgang Wittl, Landshut

Das Polizeipräsidium Niederbayern ist durchaus vertraut mit anonymen Schreiben. Allein in diesem Jahr sind bereits sechs Drohungen gegen verschiedene Einrichtungen eingegangen. Was dem Präsidium jedoch am Dienstag vergangener Woche in den Briefkasten flatterte, birgt hausintern mehr Zündstoff als alles andere. In einem fünfseitigen Brief erhebt ein Mann, der sich als Angehöriger des Polizeipräsidiums bezeichnet, massive Vorwürfe gegen die Inspektion Landshut.

Polizei Landshut Bayern

Unter den Beamten der Polizeiinspektion in Landshut herrscht offenbar ein rüdes Betriebsklima. So schildert es jedenfalls ein Insider.

(Foto: Alexander Schmid)

Er schildert ein Arbeitsumfeld, in dem ein gutes Betriebsklima seitens der Dienststellenleitung "absolut unerwünscht" sei. Vielmehr sollten sich Beamte einen Wettstreit um die Ahndung der meisten Vergehen liefern. "Ein Polizist mit halbwegs normalen Ansichten hat keinerlei Chancen mehr, in den gehobenen Dienst aufsteigen zu können", heißt es - angeblich mit spürbaren Folgen: "Krankheit, Burn-out, Depressionen und ernste Suizidgedanken".

Die Detailgenauigkeit, in der sich der Verfasser äußert, lässt im Polizeipräsidium keinen Zweifel aufkommen, dass es sich um einen Insider handeln muss. "Das liegt auf der Hand", sagt Sprecher Till Hauptmann. Die Vorwürfe sind inzwischen bei der Staatsanwaltschaft angelangt, die sich Ermittlungen vorbehält. Unabhängig davon wird auch das Polizeipräsidium dienstinterne Untersuchungen vornehmen.

Besonders pikant: Gerade sogenannte Leistungsträger der Landshuter Polizei, die laut Brief "mit allerhöchster rechtlicher Härte gegen vermeintliche Straftäter vorgehen", sollen selbst straffällig und zum Teil verurteilt worden sein. In dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, werden sechs Beamte mit ihrem Namen und Dienstgrad genannt, die sich mehrere Verfehlungen geleistet haben sollen.

Die Anschuldigungen sind gravierend: So soll ein führendes Mitglied der Inspektion unbeteiligte Bürger "nur zu oft" grundlos zu Boden schlagen. Untergebene Kollegen würden hinterher genötigt, Stellungnahmen so zu verfassen, dass daraus resultierende Strafverfahren "mit Sicherheit eingestellt" würden.

Wer krank sei, müsse sich von dem Mann außerdem als faul beschimpfen lassen, was den Konkurrenzkampf unter den Polizisten nur weiter anheize. Manche Beamte würden beurteilungsfördernde Anzeigen daher selbst im Urlaub bearbeiten. Die Dienststellenleitung unterstütze diese "intriganten Machenschaften", heißt es.

Ein anderer Beamter soll wegen mehrfacher Körperverletzung im Amt als auch privat aufgefallen sein, einmal soll er im Rausch einen Automaten von der Wand geschlagen haben. Gleichzeitig habe der Mann "keinerlei Skrupel, gegen seine Kollegen Strafverfahren einleiten zu lassen". Ein weiterer Polizist habe bei der Verfolgung eines vermeintlichen Räubers unrechtmäßig in die Luft geschossen und sei sogar mit einer Leistungsprämie belohnt worden. Ermittlungen, die seine Zuständigkeit überschritten, würden durch einen "Spezl" nachträglich als rechtmäßig abgesegnet.

Erst gepöbelt, dann befördert

Zwei jüngere Polizisten wiederum würden durch publikumswirksame Durchsuchungen in der Landshuter Innenstadt auffallen oder Menschen nach Festen und Wirtshausbesuchen auflauern - mitunter durch zivile Späher. Dabei sollen sie in ihren früheren Dienststellen selbst wiederholt durch Trunkenheitsfahrten aufgefallen sein. Einer der Beamten habe erheblich alkoholisiert einen Verkehrsunfall verursacht, für den er nach anfänglicher Fahrerflucht verurteilt wurde. Sein Kollege habe ein einmonatiges Fahrverbot erhalten, da er sich angetrunken hinter das Steuer eines Dienstwagens gesetzt habe.

Beide Polizisten seien aussichtsreiche Kandidaten für den gehobenen Dienst wie auch jener Kollege, der sich angeblich bei einem Volksfest danebenbenommen hat. "Nach reichlichem Bierkonsum" habe er erst die Security beleidigt und sich dann mit körperlicher Gewalt der Festnahme durch Kollegen widersetzt, nicht ohne die vorher "aufs Übelste beschimpft" zu haben. Würden die Ermittlungen gegen diesen Mann nicht noch andauern, wäre er zwischenzeitlich sogar befördert worden, behauptet der anonyme Schreiber.

Die Leitung der Landshuter Polizei verweist wegen des laufenden Verfahrens auf das Polizeipräsidium. Dort heißt es, manche Vorwürfe seien bekannt gewesen, andere Vorgänge seien bereits geahndet. Noch unbekannte Anschuldigungen würden mit großem Ernst geprüft. Anlass für den Brief war offenbar ein Zeitungsartikel, in dem die Polizeigewerkschaft beklagte, immer mehr Beamte würden durch Unterbesetzung und wachsende Belastungen erkranken.

Das trifft wohl auch auf die Inspektion Landshut zu. Die Aufgaben dort seien sehr arbeitsintensiv, sagt Präsidiumssprecher Hauptmann. Knapp 150 Polizisten sollen ein Gebiet mit 120.000 Einwohnern abdecken, doch längst nicht jede Stelle ist offenbar besetzt. Das gelte auch für Dienststellen wie Straubing und Passau. Im Herbst wird Niederbayern voraussichtlich 70 neue Polizisten zugeteilt bekommen, die Verantwortlichen erhoffen sich davon eine spürbare Entlastung.

Hinterfragt wird im Präsidium indes die Motivation des Verfassers. Er wünsche sich, schreibt der Mann, dass auch bei der niederbayerischen Polizei wieder "nach gesundem Mittelmaß und nicht mit größtmöglicher Härte gearbeitet" werde. Über die Brisanz seiner Ausführungen sei er sich voll und ganz bewusst.

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