Vorschlag der Freien Wähler:Rückkehr zum Dipl.-Ing.

  • Die Freien Wähler machen sich für eine Rückkehr zum Diplom-Abschluss an bayerischen Hochschulen stark.
  • Der Vorschlag der Freien Wähler knüpft an eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) an. Diese hatte ergeben, dass lediglich 47 Prozent der Unternehmen mit ihren Bachelor-Mitarbeitern zufrieden seien.
  • Die Freien Wähler wollen das Diplomstudium aber nicht nur für technische Berufe, sondern auch wieder für Fächer wie Psychologie und BWL einführen.

Von Anna Günther und Wolfgang Wittl

Gut zehn Jahre nach der europaweiten Hochschulreform machen sich die Freien Wähler für eine Rückkehr zum Diplom-Abschluss an bayerischen Hochschulen stark. Mit dem Titel des Diplom-Ingenieurs sei ohne Not eine weltweit anerkannte Marke aufgegeben worden, sagte Michael Piazolo, der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses im Landtag, am Montag der Süddeutschen Zeitung. Nun sei es an der Zeit, ein deutsches Gütesiegel mit neuen Inhalten wiederzubeleben. Das bedeute nicht, die aus dem Bologna-Prozess resultierenden Veränderungen infrage zu stellen. Vielmehr solle eine Alternative geschaffen werden, die sowohl der Wirtschaft als auch den Studenten diene.

Der Vorschlag der Freien Wähler knüpft an eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) an. Diese hatte ergeben, dass lediglich 47 Prozent der Unternehmen mit ihren Bachelor-Mitarbeitern zufrieden seien. Der 1999 initiierte Bologna-Prozess wurde in Deutschland vor 13 Jahren umgesetzt. Seitdem wurden die früheren Abschlüsse Diplom und Magister nach und nach durch den sechs Semester dauernden Bachelor ersetzt. In weiteren vier Semestern kann ein Master draufgesattelt werden. Dadurch sollte zum einen ein europaweit gemeinsamer Hochschulraum geschaffen werden, zum anderen sollten Studenten früher dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. An der Qualität der Bachelor-Absolventen herrschen in der Wirtschaft jedoch offenbar große Zweifel, wie die Umfrage des DIHK ergab.

Diplomstudium nicht nur für technische Berufe

Beschwerden aus der Wirtschaft hätten die Freien Wähler bestärkt, in dieser Frage aktiv zu werden, sagt Piazolo. Sie wollen das Diplomstudium aber nicht nur für technische Berufe, sondern auch wieder für Fächer wie Psychologie und BWL einführen. Ihr Konzept sieht wie früher ein zweites Praxissemester vor. Bis zum Abschluss sei eine Studiendauer von acht, neun Semestern geplant - sie würde somit genau zwischen Bachelor und Master liegen. Im Gegensatz zum Master würde man beim Diplom jedoch nicht zwei Abschlüsse benötigen, sondern nur einen. Ein Vordiplom soll es beim neuen Diplomstudium laut FW nicht mehr geben, sondern die derzeit flexible Ausbildung im modularen Studium erhalten bleiben. Der Bologna-Prozess habe auch sinnvolle Neuerungen gebracht. Es gehe nicht darum, das Rad komplett zurückzudrehen, sondern neue Angebote zu liefern. Gerade aus dem Mittelstand seien Zweifel an der Praxistauglichkeit von Studenten zu vernehmen. Großunternehmen könnten darauf mit Nachschulungen reagieren, nicht aber kleinere Firmen.

Befürchtungen, der Hochschulbetrieb könne zu stark an den Interessen der Wirtschaft ausgerichtet werden, teilen die Freien Wähler nicht. Die Besetzung von wissenschaftlichen Posten werde auch künftig unabhängig erfolgen. "Hochschulen sind nicht die verlängerten Werkbänke der Industrie", sagt Piazolo. Man wolle stattdessen eine Brücke zwischen Wirtschaft und Wissenschaft bauen. Das Problem aus Sicht der Freien Wähler: Der Bachelor erfülle oft nicht die gewünschten Anforderungen. Und wer einen Master daraufsetze, studiere mitunter länger als früher. Auch die psychologische Komponente spiele eine Rolle: "Der Diplom-Ingenieur made in Germany hat weltweit einen guten Ruf." Dieses Potenzial gelte es zu nutzen.

An den Universitäten ist nach der Bologna-Reform Ruhe eingekehrt

Vor fünf Jahren schon hatte der heutige Kultusstaatssekretär Bernd Sibler (CSU) vorgeschlagen, den Titel des Diplom-Ingenieurs im Master-Zeugnis zu erhalten. Von der Opposition hat er dafür Kritik geerntet, auch von den Freien Wählern. Die Zeit sei damals wegen der Unruhe im Bildungssystem - etwa durch die Umstellung auf das G 8 und durch den doppelten-Abiturjahrgang - noch nicht reif gewesen, sagt Piazolo. An den Universitäten ist nach dem Bologna-Prozess inzwischen Ruhe eingekehrt. Die Freien Wähler wären daher nicht überrascht, wenn die Hochschulen auf ihren Vorstoß zunächst reserviert reagierten. Es sei Aufgabe der Politik, durch zusätzliche Stellen Anreize zu schaffen.

An der Technischen Universität Dresden (TUD) wurde der Diplom-Ingenieur trotz der Bologna-Reform nie abgeschafft. "Wir hören immer wieder, dass Studenten extra wegen des Diplom-Ingenieurs nach Dresden kommen", sagt eine Sprecherin. Der Titel sei eben eine echte Marke in der Wirtschaft. Die Dresdner TU ist die einzige unter den neun großen Technischen Universitäten in Deutschland, die den alten Abschluss noch anbietet. Kritik an der Entscheidung habe es nie gegeben. Das sächsische Hochschulrecht macht es möglich, Unis entscheiden dort selbst über Abschaffung oder Änderung eines Studiengangs.

"In Deutschland kennt man die Qualität unserer Ausbildung"

Die Münchner TU behilft sich auf andere Weise: Eine Äquivalenz-Urkunde bescheinigt den Master-Studenten, dass ihr Abschluss genauso viel wert ist wie der alte Diplom-Ingenieur. "In Deutschland kennt man die Qualität unserer Ausbildung, aber international steht der Ingenieur immer noch für einen gewissen Standard", sagt ein TU-Sprecher. Von einem zusätzlichen Diplom-Studiengang halte man jedoch wenig, denn die Vielfalt der Spezialisierungen habe gerade durch interdisziplinäre Master wie zwischen Informatik, Medizin und Technik deutlich zugenommen. Im klassischen Diplom-Studiengang habe man sich nie so spezialisieren können.

Das Kultusministerium äußerte sich auf den Vorstoß am Montag zurückhaltend. Man werde die Überlegung noch mal eingehend prüfen, sagte Sprecher Ludwig Unger. Der Stellenwert des Diplom-Ingenieurs sei bis heute unbestritten. Die Freien Wähler sind überzeugt: Bayern könne bei der Wiedereinführung des Diplomstudiums eine Vorreiterrolle in ganz Deutschland einnehmen. Nach den Pfingstferien wollen sie im Landtag einen Antrag dazu einbringen.

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