Regierungswechsel:Stillstand in der Landespolitik

Tag der offenen Tür in der Bayerischen Staatskanzlei in München, 2016

Am Kabinettstisch haben zuletzt nicht immer alle Minister Platz genommen. Von Pappfiguren wie hier beim Tag der offenen Tür ließen sie sich aber auch nicht vertreten.

(Foto: Catherina Hess)
  • In Berlin wird um die Regierungsbildung im Bund gerungen, in Bayern steht die Landespolitik still.
  • Ministerpräsident Horst Seehofer muss erst zurücktreten und Markus Söder vom Landtag zum Regierungschef gewählt werden - vermutlich wird das Mitte März passieren.
  • Die Opposition beklagt, dass die CSU nur um sich kreise.

Von Wolfgang Wittl

Sitzungssaal S 103 in der bayerischen Staatskanzlei ist für gewöhnlich ein gut besuchter Raum, jedenfalls dienstags - und nicht nur deshalb, weil gleich nebenan die Kantine liegt. Woche für Woche werden hier zur Mittagszeit die Pressekonferenzen des Ministerrats abgehalten. Staatskanzleichef Marcel Huber gibt am Rednerpult Auskunft über die neuesten Beschlüsse. Manchmal wird er flankiert von einem Kabinettsmitglied. Und wenn etwas Besonderes zu verkünden ist, schaut sogar Ministerpräsident Horst Seehofer vorbei. Die Plätze für die Journalisten sind in aller Regel gut besetzt, die Öffentlichkeit will schließlich wissen, was die Staatsregierung mit dem Land so vorhat.

Seit Wochen glänzt der Staatskanzleichef jedoch als einziger zuverlässig mit Anwesenheit. Nicht immer gelingt es ihm dann, seine Enttäuschung zu verbergen. Und dafür sei er nun extra aus Berlin hergeflogen, stöhnte Huber jüngst mit Blick in den leeren Raum. Dabei ist das maue Interesse keineswegs eine Bösartigkeit der Medien, sondern schlicht dem überschaubaren Nachrichtenwert geschuldet. Alle Augen richten sich auf die Regierungsbildung in Berlin - und darauf, wann genau der künftige Ministerpräsident Markus Söder nun an die Spitze des Freistaats rückt. Die Landespolitik steht still, als holte sie noch einmal tief Luft vor dem Landtagswahlkampf. Kann sich ein prosperierendes Bundesland wie Bayern das leisten?

Mitnichten, findet die Opposition: "Für eine gute Zukunft müssen die Weichen jetzt gestellt werden", fordert Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen im Landtag. Doch statt drängende Probleme anzugehen, etwa am Wohnungsmarkt und im Naturschutz, kreise die CSU nur um sich. Das sei "umso frustrierender, weil Geld ja vorhanden ist", klagt Hartmann.

Auch SPD und Freie Wähler werfen der CSU vor, sie versäume es, die Weichen zu stellen - "durch den Machtkampf zwischen Seehofer und Söder geht das ja schon Jahre so", kritisiert SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Es werde "höchste Zeit, dass sich die CSU wenigstens auf der Zielgeraden dieser Legislatur mit Landespolitik befasst", fordert Rinderspacher. Dritter Nationalpark, dritte Start- und Landebahn am Münchner Flughafen, soziale Probleme: All die Fragen müssten endlich geklärt werden. Blickt Ludwig Hartmann aber auf die Ergebnisse der Kabinettssitzungen, fällt sein Fazit ernüchternd aus: "Nichts los."

Tatsächlich lesen sich die Tagesordnungen für den Ministerrat mitunter wie der Briefverkehr zwischen zwei Referaten. Man kann derzeit tief eintauchen in Sachstandsberichte, weniger jedoch in Fragen zur Zukunft. In der nächsten Kabinettssitzung sollen Gesetze zur Seniorenmitwirkung oder zur "Einführung von Kammern für internationale Handelssachen" besprochen werden. Da ist es zu verschmerzen, wenn bei der Beratung ein paar Minister fehlen, so wie beim letzten Mal. Nur eine Stunde dauerte das Treffen, die meiste Zeit habe Seehofer über die Koalitionsgespräche in Berlin berichtet, erzählten Minister. Danach sei er sofort wieder in die Hauptstadt gefahren, eine Regierung bilden.

Offene Stellen werden derzeit nicht besetzt

Die Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion in Banz hatte Seehofer noch nach wenigen Stunden mit der Begründung verlassen, er müsse dringend nach München fahren und "die Staatskanzlei wieder auf Trab bringen". Dort rätselte manch einer, was der Chef damit meinte. Die Themen des Kabinetts Seehofer seien abgearbeitet, auch die Regierungszentrale wartet auf den neuen Ministerpräsidenten Söder.

Offene Stellen werden derzeit nicht besetzt, Beamte scherzen bei der Verabschiedung von Kollegen, man werde dem Scheidenden ja womöglich bald folgen. Einzelne Ministerien beschäftigen sich zwar bereits mit Söders Zehn-Punkte-Plan. Offizielle Arbeitsaufträge gibt es aber noch nicht. Erst muss Seehofer zurücktreten und Söder vom Landtag zum Regierungschef gewählt werden, vermutlich Mitte März.

In der CSU wird der Status quo durchaus kritisch gesehen. Man müsse sich eben bis zum Wechsel gedulden, sagt ein Kabinettsmitglied. Immerhin sei die Situation besser als 2007 unter Edmund Stoiber, der nach seinem angekündigten Rückzug noch das Programm für die nächsten Monate festgezurrt und seinem Nachfolger somit kaum Spielraum hinterlassen habe. Nur um eines soll sich Seehofer als Ministerpräsident auf Wunsch von Abgeordneten noch kümmern, um die Gespräche mit dem Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zum Flughafenausbau. Alle weiteren Aufgaben lägen in Berlin.

Wie wahr: Die für diesen Montag in München geplante CSU-Vorstandssitzung wurde am Sonntag kurzfristig abgesagt, weil die Koalitionsgespräche noch andauerten. Es stehe nicht einmal fest, ob am Dienstag überhaupt Sitzungssaal S 103 benötigt werde, sagte ein CSU-Unterhändler.

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