Vor der Landtagswahl:Die Wahlkampfkarawane

Unverdrossen hetzen die Spitzenkandidaten von CSU und SPD, Günther Beckstein und Franz Maget, durchs Land - und immer lächeln sie.

Katja Auer

Es ist Urlaubszeit in Bayern. Auch das politische Spitzenpersonal reist durch das Land. Allerdings weniger auf Erholungs- denn auf Wählersuche. Mit dem Bus werden CSU-Ministerpräsident Günther Beckstein und SPD-Spitzenkandidat Franz Maget bis zur Landtagswahl am 28. September jeweils 20 000 bis 30 000 Kilometer zurückgelegt haben. Zwei Tage im Bus.

Günther Beckstein, seyboldpress

Ministerpräsident Günther Beckstein auf Wahlkampftour.

(Foto: Foto: Seyboldpress)

Sulzbach-Rosenberg, 10 Uhr. Karl-Heinz König ist kein anständiger Bayer. Das hat er auf einen Zettel geschrieben und sich an den Blaumann geheftet. So steht er mit grimmiger Miene vor dem Rohrwerk Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg und wartet auf den Spitzenkandidaten der CSU. Denn Günther Beckstein hat gesagt: "Ein anständiger Bayern wählt die CSU".

König, der Betriebsratsvorsitzende, empfand das als "persönliche Beleidigung" und das will er Beckstein heute sagen. Der schaut sich die Produktion an, wo es stinkt und raucht, und glühende Eisenstäbe aus den Maschinen schießen. Zurück lässt er einen signierten Helm und einen unversöhnten Karl-Heinz König. Beckstein hat ihm gesagt, "anständig" habe er im Sinne einer "anständigen Maß Bier" verwendet. König wird ihn trotzdem nicht wählen. "Weil ich den Wechsel will", sagt er.

Mering, 14 Uhr. Auch Franz Maget stoppt seinen Bus für einen Firmenbesuch. Unterwegs hat er ein Interview gegeben - zum Thema Linksregierung in Hessen, für seinen Wahlkampf interessiert sich kaum ein Journalist - und ein Boulevardmagazin abgewiesen, das ihn in Lederhose fotografieren wollte. "Nein wirklich nicht, wir sind doch nicht im Raritätenkabinett." Der SPD-Kandidat schaut sich das Gesundheits- und Sozialzentrum Mering an, ein Vorzeigeprojekt. Der SPD-Bürgermeister - vier gibt es im Landkreis Aichach-Friedberg - ist da und bittet um Unterstützung für ein Gymnasium.

Arzt Arian Derakhichan erzählt Maget von den Sorgen seiner Zunft. Er fühlt sich "von der Politik alleingelassen". Ob die SPD die Probleme lösen kann? Er zuckt die Schultern, "die Gelben haben wahrscheinlich die besten Ansätze für den Mittelstand". Im benachbarten Kissing wartet noch ein Bürgermeister, der das Gymnasium auch haben will. Ein weiterer Firmenbesuch ohne Zuschauer. Frust beim Spitzenkandidaten? "Man muss die Bilanz eines solchen Tages sehen", sagt Maget, "die Addition der einzelnen Termine." Immerhin schafft es die örtliche Abgeordnete Simone Strohmayr so in die lokale Presse.

Amberg, 12.15 Uhr. Der Wahlkampfbus, Becksteins rollendes Büro, fährt mit Polizeieskorte auf dem Amberger Marktplatz vor. Die örtlichen Abgeordneten drücken sich in Becksteins Nähe rum, um auf wirklich jedem Foto zu erscheinen. "Ich genieße Wahlkampf", ruft Beckstein in die Menge. Der direkte Kontakt sei großartig. Er beschriftet Autogrammkarten und Fußbälle und geht erst weiter, wenn ihn seine Begleiter sanft am Ärmel ziehen. Immer mehr Hände halten ihm sein Bild unter die Nase.

Dann kommt Andreas Fleischmann und er hat ein Anliegen. "Herr Beckstein, es ist wirklich anstrengend, 32 Kinder zu unterrichten", sagt der angehende Realschullehrer. Beckstein verspricht, jeden Lehrer mit einem Notenschnitt bis 3,5 einzustellen und Fleischmann lässt sich noch den CSU-Bildungsflyer signieren. "Ich wähle ihn auf jeden Fall", sagt der junge Mann. Das will auch die ältere Dame tun. Obwohl ihm noch die Ausstrahlung fehlt, "wie sie der Stoiber hatte". Franz Maget? "Nein, wirklich nicht."

Beim Besuch der Miro-Ausstellung stößt Ehefrau Marga zur Wahlkampftruppe. Ob sie das gerne macht? "Ich mache das, weil Wahlkampf ist und weil Ferien sind."

Kissing, 17 Uhr. Auch Josef Wurmser, ein Bayer, wie ihn die CSU erfunden haben könnte, wartet schon - auf Maget. Er ist Mitglied der königlich-bayerischen Josefspartei, deren Ziel die Wiedereinführung des Josefitages am 19. März als Feiertag ist. Maget, der sehr stolz auf seinen bayerischen Vornamen Franz Josef ist, gehört der Partei ebenfalls an und hat sich dafür sogar eine Sondergenehmigung von Gerhard Schröder geholt.

Deswegen, und obwohl ihn die örtliche CSU schon mehrmals für seine enge Bekanntschaft mit Maget gerügt hat, fährt Wurmser den jetzt im Trachtenjanker gekleideten SPD-Kandidaten mit seiner Pferdekutsche zum Schloss Friedberg.

Es merkt nur kaum jemand, denn die Straßen in den Neubaugebieten sind leer. Der Eismann hupt beim Überholen, zwei Radlfahrer winken. Im Schlosshof wartet immerhin die örtliche SPD-Prominenz, Maget soll das renovierungsbedürftige Gebäude besichtigen. "In der Hoffnung, dass Du, wenn Du Ministerpräsident bist, die Zuschüsse genehmigst", sagt Parteifreund Roland Fuchs.

Hahnbach, 14.35 Uhr. In Markt Hahnbach sind sie schon weiter, die Zuschüsse sind geflossen. Nun besucht Beckstein die Kirche St. Jakobus, deren Außenfassade saniert wurde und wo jetzt das Geld für die Innenrenovierung fehlt. Das halbe Dorf ist da, die Anwohner lehnen aus den Fenstern. Die Hahnbacher Marktbläser sind angetreten und spielen das Steigerlied, das gerne auf SPD-Parteitagen gesungen wird. Hier allerdings hat das mit dem Bergbau zu tun, gewählt wird in der Gegend überwiegend die CSU.

Beckstein schaut er sich die Kirche an und verspricht, dass er die Förderanträge "wohlwollend prüfen" werde. Mehr nicht, "denn bei mir gibt es im Wahlkampf keine Versprechen". Das Volk ist beeindruckt. "Ich glaube schon, dass er sich für die Sorgen der Leute interessiert", sagt eine Frau. "Aber die Leute sagen, dass er sich schwer tun wird."

Beckstein weiß, dass er noch nicht am Ziel ist: "Ich versuche, jeden Anflug von Überheblichkeit zu vermeiden. Die Leute sollen sehen, dass ich es nicht als Selbstverständlichkeit ansehe, gewählt zu werden."

Friedberg, 18.30 Uhr. Magets Kutsche fährt am Friedberger Volksfest vor. Simone Strohmayer spricht die Leute an: "Darf ich Ihnen den Franz Maget vorstellen?" Der wird ein paar Autogramme los, unverdrossen begrüßt er die Friedberger. "Servus miteinand", sagt Maget, "ein schönes Volksfest habt's." Ein Fernsehteam ist da, der Reporter will wissen, was Maget zu der geplanten Linksregierung in Hessen sagt. "Ärgerliche Begleitmusik", sagt der zum wiederholten Mal an diesem Tag. "Das nimmt mir Raum für bayerische Themen."

Ob er bei der unguten Lage der SPD keine Angst vor einer Wahlschlappe wie vor fünf Jahren hat? "Ein Marathonläufer läuft auch einfach weiter", sagt Maget. Im Zelt gemäßigtes Interesse. "Das ist ein guter Mann", sagt einer, "aber er wird es nicht schaffen." Er bedauert das, es ist ihm anzumerken. "Wir sind keine Roten", heißt es dagegen am Nachbartisch. Dafür ist Mutti Well da, die 90-jährige Mutter der Biermösl Blosn. Maget seit vielen Jahren herzlich verbunden, lässt sie sich immer bringen, wenn er in die Gegend kommt.

Frohnberg, 15.30 Uhr. Auch auf dem Frohnberg ist Volksfest, rund um die Marien-Wallfahrtskirche. Den evangelischen Ministerpräsidenten braucht man dort nicht vorzustellen. Am Eine-Welt-Stand kauft Beckstein ein Bananen-Kochbuch. "Wo Du doch gar keine Bananen magst", sagt seine Frau. "Bist Du der Bürgermeister?", fragt die sechsjährige Alisha. Beckstein lacht, so was gefällt ihm. Die Oma hält sich ob so viel kindlicher Unbedarftheit erschrocken die Hand vor den Mund und die Uroma will lieber Kaffee und Kuchen als dem Ministerpräsidenten die Hand schütteln.

Sabrina Rauscher nutzt die Gelegenheit. "Herr Beckstein, nehmen Sie ihn doch mal auf den Arm", ruft sie und drückt ihm den acht Monate alten Leon in die Hand. Der Kleine schaut skeptisch, die Mama macht entzückt ein Foto. Wieder eine Wählerstimme. Da sitzt auch Peter Putze, Justizvollzugsangestellter im Ruhestand. "Herr Beckstein, Prost", sagt er und reicht dem Ministerpräsidenten seine Maß hinüber.

Der nimmt und trinkt einen Schluck. "Fralle mog i eahm", sagt Putze und jederzeit wieder würde er mit Beckstein sein Bier teilen. Mittlerweile ist es 16 Uhr und Beckstein isst zum ersten Mal an diesem Tag. Drei Bratwürste mit einem Spitzel. Wie Maget wird er im Wahlkampf einige Kilo verlieren.

Bischofsgrün, 18 Uhr. Am Fuße des Ochsenkopfs im Fichtelgebirge der erste Missklang. Demonstranten erwarten Beckstein. Zwei Gruppen, die einen für, die anderen gegen eine Autobahn durch das Fichtelgebirge. Beckstein hört zu, redet gut zu und posiert schließlich für ein Erinnerungsfoto vor dem Transparent "Keine Autobahn durch das Fichtelgebirge". Das will die Initiative ins Internet stellen.

Becksteins Sprecher schaut resigniert zu, sein Chef will Bürgerkontakt, was soll er da machen. Auf dem Gipfel warten Böllerschützen und eine Blaskapelle, diesmal mit Defiliermarsch. 600 CSU-Anhänger sind da. Beckstein verspricht Bürgern aus Warmensteinach Unterstützung beim Kampf gegen die NPD, die dort ein Gasthaus kaufen will und sagt, dass er Bayern zum "Bildungsland Nummer eins" machen will.

Jubel auf dem Ochsenkopf. Beckstein bleibt lange, draußen wird es dunkel. Wenn er vor Mitternacht heim nach Nürnberg-Langwasser kommt, trinkt er mit Ehefrau Marga vielleicht noch ein Gläschen Wein.

Oettingen, 20.30 Uhr. Endlich trifft auch Franz Maget auf begeisterte Anhänger. 300 Leute sind in den Kronengarten gekommen und Maget spricht eine Stunde lang - ohne Manuskript, wie immer - über Mindestlohn, Bildung und die Überheblichkeit der CSU. Es ist eine gute Rede und die Zuhörer klatschen oft. "Jetzt hat Beckstein sogar gesagt, ein anständiger Bayer wählt die CSU", ruft Maget in die Menge.

Und dann, mitten in einer SPD-Kundgebung, trübt doch einer die gute Stimmung. "Hier ist einer", ruft ein Mann, nicht mehr ganz nüchtern, und spaziert am Rednerpult vorbei. Lautstark bekennt er, dass er die CSU zu wählen gedenke. Franz Maget lächelt unverdrossen. Was bleibt ihm anderes übrig.

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