Volkszählung in Bayern:Wie viele sind wir eigentlich?

Die große Inventur: In drei Wochen startet auch in Bayern die Volkszählung. 16.000 Interviewer werden dazu etwa 1,2 Millionen Bürger aufsuchen. Wir erklären, was der Staat von uns wissen will.

Mike Szymanski

Erstmals seit 1987 schwärmen wieder Volkszähler aus, um Deutschland statistisch zu erfassen. Wie viele Menschen leben in der Bundesrepublik? Wie leben sie? An welchen Gott glauben sie? Vom 9. Mai an werden allein in Bayern 16000 Interviewer im Einsatz sein und an den Türen klingeln. Die Süddeutsche Zeitung beantwortet Wissenswertes über den Wissensdrang des Staates.

Statistisches Bundesamt zu 'Familien in Deutschland - Ergebnisse des Mikrozensus 2006'

Volkszählung in Bayern: 16.000 Interviewer werden dazu etwa 1,2 Millionen Bürger aufsuchen.

(Foto: dpa)

Warum wird wieder gezählt?

Die EU verlangt nach der großen Inventur. Jedes Mitgliedsland soll solide Daten über die Bevölkerung vorliegen haben und diese künftig alle zehn Jahre aktualisieren. Die Daten aus dem Jahr 1987 sind längst überholt und taugen kaum noch als Grundlage für politische Entscheidungen.

Bei wem klingelt es an der Tür?

Knapp zehn Prozent der Bayern können sich auf Besuch einstellen, 1,2 Millionen Bayern müssen damit rechnen, befragt zu werden. Diese sogenannte Haushaltsstichprobe ist per Zufallsprinzip ermittelt worden. Zusätzlich bitten Interviewer in Seniorenheimen und Studentenwohnheimen um Gespräche. Post bekommen auch etwa drei Millionen Immobilieneigentümer und Verwalter, sie sollen in Fragebögen Auskunft zur Wohnsituation machen. Insgesamt müssen sich ein Drittel der Bayern Fragen gefallen lassen.

Heißt Volkszählung nicht, dass jeder befragt wird?

Das Verfahren hat sich im Vergleich zu 1987 deutlich geändert. Wenn man so will, dient die stichprobenartige Befragung der Bevölkerung vor allem zur Feinjustierung. Die Statistiker werten vor allem Daten aus den Melderegistern und etwa der Arbeitsagentur aus, aber da kommt es zu Ungenauigkeiten. Beim Melderegister wird das Problem anschaulich: Beim Umzug nehmen es die Bürger meist sehr genau, sich in der neuen Stadt anzumelden. Beim Abmelden sind sie nachlässig. So kommt es beispielsweise, dass die Zensus-Experten davon ausgehen, dass die Einwohnerzahl in Deutschland womöglich um bis zu 1,3 Millionen nach unten korrigiert werden muss. So viele Menschen wohnen allein in Bayerns Landeshauptstadt München.

Was will der Staat denn wissen?

Was will der Staat denn wissen?

Im Grunde hat sich an den Fragen im Vergleich zu 1987 nicht sehr viel geändert: Gefragt wird beispielsweise nach Alter, Geschlecht, Familienstand, Migrationshintergrund sowie Bildung und Job. Es besteht Auskunftspflicht - mit Ausnahme bei der Frage zum Bekenntnis zu einer Religion. Darauf zu antworten, ist jedem selbst überlassen.

Warum geht es den Staat etwas an, wie ich lebe?

Wie viele Schulen und Kindergärten gebraucht werden, hängt davon ab, wie viele Kinder es im Land gibt. Wenn der Staat weiß, woher die Migranten kommen, kann er theoretisch besser auf Integrationsprobleme eingehen. Bei der Volkszählung 1987 kam zum Beispiel heraus, dass es in Deutschland 1,3 Millionen Wohnungen weniger gab als vermutet. Allerdings hat auch Bayerns Datenschutzbeauftragter, Thomas Petri, Zweifel, ob man wirklich dazu noch flächendeckend die Bürger befragen müsse. Statistiken gebe es schließlich schon genug, argumentiert er. "Nützlich ist der Zensus schon", sagt er, "ob er auch wirklich erforderlich ist, da kann man sicher ein Fragezeichen setzen."

Ist der Staat zu neugierig?

Da gehen die Meinungen auseinander. Datenschützer Thomas Petri meint, der Staat wolle es schon ziemlich genau wissen. "Aber ausgeschnüffelt wird der Bürger nicht", sagt Petri. Der Staat sei an anderer Stelle viel neugieriger, wie die Debatten um Vorratsdatenspeicherung und das Lohndatensammelprojekt Elena zeigten. Trotzdem dürfe man den Zensus nicht bagatellisieren, es handele sich um sehr private Daten, die zu schützen seien.

Und wenn ich mich weigere?

Und wenn ich mich weigere?

Dann kann es teuer werden. Schließlich besteht eine Auskunftspflicht. Erst kommen Erinnerungen, dann Mahnungen - schließlich droht ein Zwangsgeld. Im Normalfall sind das 300 Euro, der Widerstand kann aber auch mit einem Bußgeld bis zu 5000 Euro geahndet werden.

Dann schummele ich eben bei den Antworten.

Mogeln kann auffliegen. Karlheinz Anding, Leiter des Landesamtes für Statistik, sagt: "Wir gehen natürlich davon aus, dass die Angaben stimmen. Wir haben aber auch eine Qualitätskontrolle und schicken Mitarbeiter stichprobenartig zu Wiederholungsbefragungen."

Warum gab es damals so einen Aufstand gegen die Volkszählung und heute nicht?

Tatsächlich hält sich der Protest bisher in Grenzen. Bayerns Datenschutzbeauftragtem liegen bislang nicht einmal ein Dutzend Beschwerden vor. "Die Bürger haben sich an Datenerhebungen gewöhnt", sagt Thomas Petri und verweist darauf, mit welcher Selbstverständlichkeit Bürger heute in sozialen Netzwerken wie Facebook vertrauliche Informationen von sich aus herausgäben. Andererseits habe der Gesetzgeber dieses Mal sauberer gearbeitet, weshalb das Misstrauen gegenüber dem Staat nicht so ausgeprägt sei wie 1987. Nicht zu vernachlässigen sei auch der Umstand, dass nicht alle Haushalte befragt werden. Weniger direkt Betroffene bedeutet weniger Ärger.

Was kostet die Volkszählung?

Was kostet die Volkszählung?

Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums belaufen sich die Gesamtkosten in Deutschland auf 710 Millionen Euro. Auf Bayern entfallen 115 Millionen Euro, wovon der Freistaat 55 Millionen Euro übernehmen muss. "Völlig überzogen" nennen die Landtags-Grünen den Aufwand. Großangelegte Fragebogenaktionen brauche es heute nicht mehr, die erforderlichen Daten würden auf anderem Wege schon erhoben.

Wann sind die Daten ausgewertet?

Das wird noch eine ganze Zeit dauern. Das Datensammeln dauert mehr als ein Jahr, die Aufbereitung weitere Monate. In anderthalb Jahren wissen die Statistiker schon mal genau, wie viele Menschen in Deutschland und Bayern leben. Die Endergebnisse werden erst für Mai 2013 erwartet.

Läuft denn alles nach Plan?

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagt: "Der Countdown läuft" und zeigt sich zuversichtlich. Nachdem sich anfänglich nicht genügend Freiwillige fanden, die Interviewer sein wollten, hat der Staat Angestellte aus dem öffentlichen Dienst zwangsrekrutiert. 16000 Interviewer braucht Bayern insgesamt, nach Angaben des Landesamtes für Statistik fehlen noch 350. Daran dürfte die Inventur aber nicht scheitern.

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