Volksmusik:Bayerns singende Bürgermeister

Volksmusik: Christian Hanika, 31, sieht zwar nicht unbedingt aus wie ein Lokalpolitiker der Freien Wähler, er ist aber Zweiter Bürgermeister von Bad Abbach.

Christian Hanika, 31, sieht zwar nicht unbedingt aus wie ein Lokalpolitiker der Freien Wähler, er ist aber Zweiter Bürgermeister von Bad Abbach.

Sie schreiben Lieder über heiße Nächte mit einem Südländer und Liebeserklärungen an die bayerische Heimat. Das bringt ihnen Anerkennung - und oft noch mehr Spott.

Von Andreas Glas

Der Refrain geht so: "Liebe brennt so heiß wie Feuer, da gibt es keine Rettung mehr / Wie ein Blitz aus heit'rem Himmel, kommt sie ganz unverhofft daher." Ein Schlager eben. Aber um das Lied geht es nicht, es geht um Markus Hofmann (Freie Wähler), den Sänger des Liedes. Und um die Frage, ob das Singen neuerdings zum Jobprofil eines bayerischen Bürgermeisters gehört.

Erste Station: Bad Kötzting, Oberpfalz. Die Sonne brennt, nun ja, wie Feuer, und Bürgermeister Hofmann, 41, trägt Kurzarmhemd. Er lächelt, wie einer eben lächelt, dessen Lied im Radio läuft und kürzlich die Nummer eins einer Schlager-Hitparade in Nordrhein-Westfalen war. Dank Hofmann ist die Liste der singenden Kommunalpolitiker im Freistaat mal wieder etwas länger geworden. Auf dieser Liste stehen unter anderem: Josefa Schmid (FDP), Bürgermeisterin in Kollnburg; Christian Hanika (FW), zweiter Bürgermeister in Bad Abbach; der Münchner Kreisrat Tobias Thalhammer (FDP). Warum machen die das alle? Höchste Zeit, mal nachzufragen.

"Die Leute wollen das. Du wirst dadurch greifbarer", sagt Markus Hofmann. Er mache keine Musik, um Wähler zu fangen, "aber du kannst das letztendlich nicht trennen, wenn du so ein Amt hast". Also singt er nicht nur für die Hitparade, er singt auch für Kötztinger Brautleute, die er als Bürgermeister traut. "So liab hob i di" von Andreas Gabalier, "The rose" von Bette Midler, solche Sachen. Er will beweisen, dass Politiker mehr können als Reden, Aktenfressen, Sitzungenleiten. Er will, wie man so sagt, ein Politiker zum Anfassen sein. "Das kommt an bei den Leuten", sagt Hofmann - und setzt bei der politischen Imagepflege auf das unpolitischste aller Musikgenres: den Schlager, ausgerechnet. Er wolle eben, "dass die Leute auch mal abschalten können". Der singende Bürgermeister als Feelgood-Manager.

Zweite Station: Kollnburg, Niederbayern. "Wo die Sprache aufhört, da fängt Musik erst an / Musik ist die Sprache, in der man nicht lügen kann." Eine singende Politikerin ist eine ehrliche Politikerin, diese Logik könnte man aus ihren Liedzeilen raushören. Nein, sagt Bürgermeisterin Josefa Schmid, 43, "die Leute wählen mich auch so, da brauche ich die Musik nicht als Beschleuniger". Damals, als sie ihr erstes Lied aufnahm, habe sie "einfach das Bedürfnis gehabt, eine Hymne an die Heimat zu singen. Das war kein Kalkül."

Damals, das war vor vier Jahren. Und ihre Heimat schaut durchs Rathausfenster brutal schön aus: der Pröller, drum herum die Hügel des Bayerwalds. Damals, im Musikvideo, flanierte sie im Dirndl durch die Landschaft, sprang im Bikini in einen See und sang "Weu'sd a Herz hast wie a Bergwerk". In nur zwei Tagen hatte das Video Klicks im fünfstelligen Bereich. Aus allen Ecken der Republik kamen Reporter, um über die singende Bürgermeisterin zu berichten. Ihrer Bekanntheit hat das nicht geschadet, drei Wochen später war Landtagswahl, sie holte in Niederbayern die meisten Stimmen für die FDP - und bekam nur deshalb kein Mandat, weil ihre Partei die Fünf-Prozent-Marke verpasste.

Kein politisches Kalkül, ehrlich nicht? "Mir wäre es lieber, wenn man das fein säuberlich trennt", sagt Schmid. Sie meint ihre Rollen als Politikerin einerseits und als Sängerin andererseits. Dabei hatte sie im Vorspann des Bergwerk-Videos ihr politisches Amt selbst erwähnt. Wahlkampfwerbung, fand Rainhard Fendrich, ließ die Coverversion seines Liedes auf Youtube sperren und gab das Video erst wieder frei, als Schmid den Vorspann gelöscht hatte.

Zwei Jahre später fuhr Schmid zum Videodreh nach Istrien. "Tiziano" hieß das Lied, der Dreh fand vor klassischer Schlagerkulisse statt: Vorne, im roten Abendkleid, Josefa Schmid, dahinter die Meeresbrandung. "Tiziano, ti amo / Tiziano, und mein Puls rast davon / Tiziano, ti amo / Tiziano, die Nacht ist kurz, los komm." Die Botschaft war recht eindeutig: Komm, du schöner Südländer, lass uns, äh, schmusen. Hat die einen an der Klatsche? Ist das nicht zu freizügig für eine Politikerin?

"Es braucht mehr Politiker, die Mensch sind"

"Man sollte das alles ein bisschen lockerer sehen", findet Schmid. Sie hat ja recht: Wer sich empört, dass Politiker Sex haben, sollte sich fragen, ob es wirklich Josefa Schmid ist, die einen an der Klatsche hat. Aber ihre Argumentation macht das nicht schlüssiger. Sie will ihr Amt von ihrer Rolle als Sängerin trennen, sagt aber: "Es braucht mehr Politiker, die Mensch sind, Herz haben und das auch zeigen." Zumal jetzt, da "die Welt in Moll unterwegs" sei. Dann redet sie von Krieg und Terror und davon, dass Schlager gute Laune mache.

Bei manchen mag das ja klappen, aber man kann halt auch die Uhr nach dem Shitstorm stellen, wenn mal wieder ein Politiker ein Lied aufnimmt. Im Netz, aber auch in den Medien, die bei Josefa Schmid brutal hingelangt haben - und auch brutal daneben. Die Huffington Post unterstellte der "Bayerwald-Beyoncé", sie habe "ihr gesangliches Flachland" angehoben, indem sie für die Bikiniszene im Bergwerk-Video ein "Busendouble" engagiert habe. Und dass Schmid den Jubilaren in Kollnburg gern auf der Steirischen oder der Zither vorspielt, lasse "nur Rückschlüsse auf die Hörschwäche der Geehrten zu". Logisch, Musik ist Geschmackssache, man könnte aber etwas fairer sein: Schmid macht Musik seit sie Kind war, sie weiß schon mit Instrumenten umzugehen.

Wenn Barack Obama zu "Amazing Grace" ansetzt, wenn Münchens OB Dieter Reiter beim Isarfest "Bad Moon Rising" auf der E-Gitarre schrubbt, finden das alles sooo lässig. Doch sobald ein Politiker kommerzielle Musik macht, ist das billiger Wahlkampf, nur peinlich. "Die Leute brauchen Stereotype, die in eine Schublade passen", sagt Schmid. Wenn ein Politiker ausschere, "überfordert das einige". Komisch bin nicht ich, komisch sind die kleinbürgerlichen Nörgler. So sieht Schmid das.

Dritte Station: "Rengschbuag". So hieß das Lied, das Christian Hanika, 31, im Winter veröffentlichte. "Rengschbuag, du bist mei Heimat, Rengschbuag, du bist mei Stod / Wo der Dom die Donau griaßt, ma di in sei'm Herzen spürt". Im Musikvideo schunkelt Hanika mit Dauergrinsen durch die Altstadt, als wäre Regensburg der Musikantenstadl. Dass seine Stimme im Studio geradegebogen wurde, war dem Lied anzuhören. "Ich kann nicht singen, das muss ich leider zugeben", sagt Hanika. Trotzdem kündigte er das Lied großspurig als "Stadthymne" an. Der Shitstorm war programmiert, in Netz und Medien hagelte es Spott, auch in dieser Zeitung. Muss man denn Mitleid haben, wenn einer mit Anlauf ins Fettnäpfchen hüpft?

Nein, aber dass Kommentatoren schrieben, sie bekämen lieber Krebs, als sein Lied anzuhören, "war nicht nett", sagt Hanika. "Ich habe eine Woche nicht gescheit schlafen können und mir gedacht: Seid doch nicht so böse." Er fühlt sich missverstanden. Er habe auch kein politisches Kalkül im Sinn gehabt, er ist ja nicht Zweiter Bürgermeister in Regensburg, sondern im benachbarten Bad Abbach. Auch dort hat er auf die Mütze gekriegt. "Der identifiziert sich ja gar nicht mit unserer Gemeinde, der singt über Regensburg", das hätten ihm manche vorgehalten, sagt Hanika.

Wenn er erzählt, dann rührt einen das fast an. Er kommt echt rüber, authentisch. Diese Adjektive wünscht sich das Volk von seinen Vertretern - und haut trotzdem drauf, wenn einer mal rausguckt aus der professionellen Fassade. "Die Leute sagen: lauter so abgestumpfte Politiker. Das sind aber die gleichen, die lästern, was ich jetzt wieder für einen Schmarrn mache", sagt Hanika. Klar, er sucht die Aufmerksamkeit, er ist nicht nur Politiker, er ist DJ, Hochzeitsmusiker, Moderator, tritt in TV- Kochsendungen auf - aber jeder kriegt doch gern Applaus. Alles was er tut, "tue ich einfach gern", sagt Hanika, "Hauptsache, die Leute sind glücklich." Und mal ehrlich: Ein Bürgermeister, der die Leute glücklich machen will - dagegen kann ja wirklich keiner was haben.

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