Volksentscheide bei Landtagswahl:Was Sie über die Verfassungsänderungen wissen müssen

Am 15. September wählt Bayern nicht nur einen neuen Landtag, die Bürger können auch per Volksentscheid über fünf Verfassungsänderungen abstimmen. Und den Bezirkstag wählen. Was Sie darüber wissen müssen.

In Bayern wird ein neuer Landtag gewählt, das hat sich herumgesprochen. Eine Überraschung war für viele Bürger beim Öffnen der Wahlbenachrichtigung allerdings, dass sie mehr als nur einmal abstimmen dürfen und sollen: Fünf Volksentscheide zu Verfassungsänderungen und der Bezirkstag stehen am 15. September ebenfalls zur Entscheidung. Konkret sollen folgende Sätze und Themen zur 1946 in Kraft getretene Verfassung hinzukommen:

  • Gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land in Artikel 3: "Er (der Staat) fördert und sichert gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern, in Stadt und Land."
  • Die Finanzausstattung der Gemeinden in Artikel 83: "Der Staat gewährleistet den Gemeinden im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit eine angemessene Finanzausstattung."
  • Förderung des Ehrenamts in Artikel 121: "Staat und Gemeinden fördern den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl."
  • Eine Schuldenbremse in Artikel 82: "Der Haushalt ist grundsätzlich ohne Nettokreditaufnahme auszugleichen." An diese Landes-Schuldenbremse schließen sich noch einige Klauseln an, die Neuverschuldung bei konjunkturellen oder anderen Ausnahmesituationen trotzdem zulassen.
  • Eine Informationspflicht bei EU-Angelegenheiten in Artikel 70: "Über Angelegenheiten der Europäischen Union hat die Staatsregierung den Landtag zu unterrichten. Ist das Recht der Gesetzgebung durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union betroffen, kann die Staatsregierung in ihren verfassungsmäßigen Aufgaben durch Gesetze gebunden werden. Ist das Recht der Gesetzgebung durch ein Vorhaben der Europäischen Union betroffen, hat die Staatsregierung bei ihren verfassungsmäßigen Aufgaben die Stellungnahmen des Landtags maßgeblich zu berücksichtigen. Das Nähere regelt ein Gesetz."

Im Landtag haben die Reformen bereits vor der Sommerpause die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht. CSU, SPD, Freie Wähler und FDP hatten sich in längeren Verhandlungen auf die Zusätze geeinigt. Nur die Grünen votierten dagegen - sie halten zumindest die ersten vier Reformen für "Luftnummern", die die Verfassung aufblähten "nach dem Motto: schadet alles nix, sind schöne Sätze". Kritiker sprechen von Beschlüssen fürs Schaufenster.

Weitreichende politische Folgen könnte dagegen die Änderung von Artikel 70 haben: Die komplizierte Formulierung legt fest, dass die Staatsregierung künftig die Zustimmung des Landtags braucht, wenn sie bayerische Kompetenzen an die EU abgeben will. Der Landtag kann die Regierung vor einer Abstimmung im Bundesrat auf eine Art imperatives Mandat verpflichten, und das sogar per Gesetz.

Das ist deswegen bedeutend, weil ein solches Gesetz auch im Volksentscheid beschlossen werden könnte. Die Bayern hätten also direkte Mitsprache. Landtags-Vizepräsident Reinhold Bocklet (CSU) wertete dies nun als wichtigen Schritt: "Wir nehmen damit endlich Teil an der europäischen Debatte." Er gesteht aber auch zu: Es sei rechtlich umstritten, ob die Staatsregierung auf ein Abstimmungsverhalten im Bundesrat verpflichtet werden könnte.

Was Sie über den Bezirkstag wissen müssen

Neben Verfassungänderungen und Landtag dürfen die Bürger auch über einen neuen Bezirkstag entscheiden:

  • Was der Bezirkstag ist: Wer von Kommunen spricht, meint damit üblicherweise Gemeinden und Städte sowie Landkreise. Dabei gibt es in Bayern noch eine dritte Ebene: die sieben Bezirke. Sie sind eigenständige Einheiten.
  • Was der Bezirkstag macht: Tätig sind die Bezirke vor allem im sozialen und medizinischen Bereich. Sie sind an der Finanzierung von Behindertenwerkstätten ebenso beteiligt wie an Wohnheimen oder integrativen Kindergärten. Ein zweiter wichtiger Bereich ist die Hilfe zur Pflege. Alle Landkreise und kreisfreien Städte müssen einen bestimmten Teil ihrer Einnahmen an den Bezirk weiterleiten, in diesem Jahr sind das fast 1,2 Milliarden Euro.
  • Wer im Bezirkstag sitzt: Im Freistaat ist der oberbayerische Bezirk der größte: 68 ehrenamtliche Bezirksräte gibt es hier. Viele von ihnen haben noch andere kommunale Mandate. Sie wählen einen der Ihren zum Bezirkstagspräsidenten, im Moment ist das Josef Mederer (CSU), einst Bürgermeister von Schwabhausen im Landkreis Dachau. Alle fünf Jahre wird der Bezirkstag neu gewählt.
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