Vilshofen:Alles auf Anfang

Nach dem Debakel mit Martin Schulz spricht sich die SPD Mut zu. Landeschefin Natascha Kohnen hält eine flammende Rede, Olaf Scholz eher nicht

Von Lisa Schnell, Vilshofen

So schnell kann es zurzeit gehen in der SPD. Gerade noch hat Olaf Scholz das schlechteste Ergebnis bei den Vorstandswahlen auf dem SPD-Parteitag geholt, jetzt ist der Erste Bürgermeister von Hamburg Parteichef. Zwar nur für die Übergangszeit, bis Fraktionschefin Andrea Nahles den Vorsitz übernehmen soll, aber immerhin. Und so läuft Scholz am Mittwochmorgen als Parteichef in das Bierzelt der SPD in Vilshofen ein. "Moin", sagt er zur Begrüßung und lässt schon erahnen, dass dieser Aschermittwoch ein ganz anderer wird als der im vergangenen Jahr.

Damals riefen die Genossen "den größten Aschermittwoch aller Zeiten" aus. Angeblich 5000 Gäste jubelten im Wahljahr dem damaligen Heilsbringer Martin Schulz zu. Sein Konterfei prangte auf T-Shirts, Aufklebern, Plakaten. "Martin! Martin!", tönte es durch das Zelt. Dieses Jahr ruft keiner "Olaf, Olaf". Das Zelt ist deutlich kleiner, es fasst nur etwa 2500 Besucher. Vergangenes Jahr drohten die Jusos, es mit ihrer Begeisterung fast zum Einstürzen zu bringen. Nun haben sie auf ihre T-Shirts ihren Protest gegen die SPD-Führung gedruckt: "No Groko."

Politischer Aschermittwoch - Scholz

Den Blick nach vorne richten will der kommissarische SPD-Vorsitzende Olaf Scholz (Zweiter v. rechts) nach dem jüngsten Auf und Ab. Dabei entgeht ihm nicht, dass es Parteimitglieder gibt, die eine Groko ablehnen.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Eigentlich ist der Aschermittwoch die Bühne, von der aus dem politischen Gegner markige Sprüche um die Ohren gehauen werden. Markige Worte aber fallen in letzter Zeit in der SPD schon genug und zwar in den eigenen Reihen. Scholz hat nun die Aufgabe, seine Partei wieder zu einen und für eine erneute große Koalition mit der Union zu werben. Er muss die SPD als Steuermann durch stürmische Zeiten lenken, wie es der bayerische Generalsekretär Uli Grötsch sagt. Es ist freilich eher ein Orkan, der die SPD gerade durchschüttelt. Da ist die Empörung über Martin Schulz, der plötzlich Außenminister werden wollte, obwohl er geschworen hat, nie in ein Kabinett Merkel einzutreten. Da sind die scharfen Worte, mit denen Außenminister Sigmar Gabriel Schulz bedacht hat. Und da ist der Streit, ob die Vereinbarungen im neuen Koalitionsvertrag eine Regierungsbeteiligung rechtfertigen. "Die harten Tage liegen hinter uns, jetzt geht's nach vorne", sagt Scholz und muss am Eingang erst einmal warten, bis das Zelt bereit ist für seinen Einzug.

Neben Scholz steht die SPD-Landeschefin Natascha Kohnen. Während es in Berlin drunter und drüber geht, soll sie in Bayern als Spitzenkandidatin einen erfolgreichen Landtagswahlkampf führen. Vergangenes Jahr hat Kohnen nur die Schlussworte gesprochen. An diesem Aschermittwoch muss sie zeigen, dass sie Bierzelt und Wahlkampf kann. In den könne die SPD "mit Selbstbewusstsein, Stolz und mit aufrechter Haltung" gehen, sagt ihr Vorredner und Chef der Landtagsfraktion, Markus Rinderspacher. Um zu erklären, woraus sich der Stolz speist, muss er aber weit ausholen, zurück bis ins Jahr 1918, als Kurt Eisner von den Unabhängigen Sozialdemokraten den Freistaat Bayern ausgerufen hat. Kohnen bleibt im Hier und Jetzt und findet erst einmal deutliche Worte in Richtung Berlin. "Unsere Partei hat in den letzten Wochen nicht immer das allerbeste Bild abgegeben", sagt sie und ruft gegen den Applaus an: "Da muss man nicht applaudieren, das muss man korrigieren!" Viele öffentliche Kommentare hätte man sich einfach sparen sollen. Mehr Respekt vor der Meinung des anderen, das erwarte sie sich von ihrer Partei, auch in der Diskussion um eine erneute Regierungsbeteiligung, für die Kohnen mit großer Leidenschaft wirbt. Die Kritik, der Koalitionsvertrag sei nicht der große Wurf, lässt sie nicht gelten. Sie spricht von der Alleinerziehenden, die aus der Arbeit in die Kita hetzt, wo ihr Junge als letzter auf der Bank sitzt, von der Rentnerin, die sich ihre Wohnung nicht mehr leisten kann. Für sie bringe der Koalitionsvertrag Verbesserungen. "Soll ich der Frau sagen, das ist nicht der große Wurf?", fragt Kohnen. Dann wendet sie sich der CSU zu, dem designierten Bundesinnen- und Bauminister Horst Seehofer etwa. Wenn einer einen neuen Job antrete, dann schaue man sich seine Zeugnisse an, ruft Kohnen. "Eine glatte Sechs" gibt sie Seehofer im "Fach Wohnen", ebenso im "Fach Integration". Zum ersten Mal entdeckt Kohnen - wie zuvor schon die Grünen und die Freien Wähler - das Thema Heimat für ihren Wahlkampf. Heimat, das heiße Tradition, ja, christliche Werte, aber auch Moderne, Offensein und nicht Abschottung, wie es die CSU verstehe, ruft Kohnen.

Kohnen spricht frei, mit Leidenschaft. Spätestens jetzt ist klar, was sie damals gemeint hat, als sie angekündigt hat, die Menschen nicht nur mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen erreichen zu wollen. "Die ist ja ganz toll", sagt ein Parteifreund begeistert. Viel falsch machen kann der eigentliche Hauptredner Scholz da kaum noch. Als er auf die Bühne tritt, werden die ersten No-Groko-Schilder gezückt, denen Kohnen beim Abgang von der Bühne noch einen kleinen Schlag versetzt hat.

Wie Kohnen wählt Scholz einen ernsthaften Ton und bleibt seinem Ruf als nüchterner Hanseat treu, der für seine Kompetenz, aber nicht für sein rhetorisches Geschick bekannt ist. Nur einen Lacher gibt es, als Scholz die Bayern mit "Moin, Moin" begrüßt. An die Begeisterung, die Kohnen dem Publikum entlockt hat, kann er nicht gleich anschließen, auch wegen Sätzen wie diesem: "Wir müssen für eine gute Zukunft sorgen, auf die man setzen kann und zwar jetzt und in der Zukunft." Dann nennt auch Scholz die schon so oft von Groko-Unterstützern aufgezählten Erfolge der SPD im Koalitionsvertrag: die bessere Kinderbetreuung, mehr Sozialwohnungen, die Einschränkungen für befristete Arbeitsverhältnisse. Allen, denen das nicht reicht, ruft Scholz dann noch zu, dass Computer ermittelt hätten, zwei Drittel der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag seien Forderungen aus dem SPD-Programm. "Wer hat noch Fragen?" Die Jusos halten derweil eisern ihre Protestschilder in die Höhe. Die anderen spenden zweieinhalb Minuten Applaus. Eine Gaudi war's nicht, sagt Christoph Rösch aus Rothenburg ob der Tauber. Aber die Lage sei ja sehr ernst. Aufmunternd nennt er Scholz' Worte. Überzeugt hat der amtierende Parteichef ihn aber nicht. Rösch wird gegen die Groko stimmen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: