Nürnberg:Planungschaos, sonnengöttliche Personalführung und ein fragwürdiger Deal

Helmut Nawratil, Vorstand der Bezirkskliniken Mittelfranken

Helmut Nawratil, Vorstand der Bezirkskliniken Mittelfranken.

(Foto: Roggenthin)
  • Helmut Nawratil ist seit 2012 Vorstand der mittelfränkischen Bezirkskliniken. Er ist höchst umstritten.
  • Während hohe Personalkosten der Klinik beklagt werden, fährt er einen teuren Campingbus als Dienstwagen. Außerdem wurde sein Gehalt auf einen Schlag um beinahe 50 Prozent erhöht.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Die fragwürdigen Vorgänge nehmen ihren Anfang am 7. September 2012. Für acht Uhr hat Helmut Nawratil, seit kurzem Interims-Chef der Bezirkskliniken Mittelfranken, die dort für den Einkauf zuständigen Führungskräfte in sein Büro bestellt. Er plane, so hatte er sie vorab per E-Mail wissen lassen, den Einkauf auf den Prüfstand zu stellen. Die Klinikfirma mit 3000 Beschäftigten in acht psychiatrischen Hospitälern und zwei Heimen muss sparen. Sie macht Verlust, und Nawratil soll sie wieder in die Gewinnzone führen.

Zu dem Treffen hat er auch zwei Vorstände der Firma Clinicpartner eingeladen. Bereits in seiner Einladungs-Mail hat Nawratil Clinicpartner in höchsten Tönen als "innovative Einkaufsgenossenschaft" gepriesen, mit der er kooperieren wolle. Dabei sind die Bezirkskliniken beim Einkauf von Medikamenten und anderen Gütern vertraglich an die Firma Prospitalia gebunden. Wettbewerb ist das eine, doch was sich in den Monaten nach dem Treffen in Nawratils Büro abspielte, lässt den bislang massivsten Vorwurf gegen den umstrittenen Klinikchef laut werden.

Nawratil nahm offenkundig großen Einfluss darauf, dass anstelle von Prospitalia Clinicpartner den Millionenauftrag bekam. Er half damit einer Firma, mit der er selbst als Privatunternehmer Geschäfte machte. Als Klinikchef wiederum sorgte er dafür, dass Clinicpartner vor der öffentlichen Ausschreibung vertrauliche Daten über die Konditionen des Konkurrenten bekam. Nawaratil soll sogar befürwortet haben, dass ein Clinicpartner-Manager Zugriff auf die Finanzbuchhaltung der Bezirkskliniken erhält. Die Sprecherin der Bezirkskliniken wies die Vorwürfe an ihren Chef auf Anfrage als falsch zurück. Alles sei korrekt gelaufen und längst überprüft.

Doch in die Vorgänge involvierte Mitarbeiter belasten Helmut Nawratil. Ihre Version der Geschehnisse wird von internen Unterlagen und E-Mailverkehr gestützt, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Daraus geht auch hervor, dass Beschäftigte ihren Chef ausdrücklich warnten und auf Datenschutz pochten, Nawratil sich jedoch teilweise darüber hinwegsetzte.

So wird die Liste an Fragwürdigkeiten immer länger, die jetzt auch das bayerische Innenministerium als Rechtsaufsichtsbehörde auf den Plan rufen. Ein Campingbus als Dienst-Zweitwagen, aus dem Ruder gelaufene Millionenprojekte, Planungschaos, sonnengöttliche Personalführung - und nun auch noch der Clinicpartner-Deal. Er wirft auch die Frage nach der Unabhängigkeit Nawratils auf. Denn der ist nicht nur Klinikvorstand, sondern betreibt von seiner Privatadresse aus auch zwei Firmen im Klinikgeschäft.

Eine davon, die NHX.Health AG, gibt auf ihrer Internetseite Clinicpartner als Referenz an. Auf einer Liste mit "erfolgreichen Mandaten", Auftraggebern und Kunden. Welche Geschäfte machte oder macht der Unternehmer Nawratil mit Clinicpartner, wann und in welchem Umfang? Auf Nachfrage weicht seine Sprecherin aus. "Alle Geschäftsbeziehungen, welche die Bezirkskliniken Mittelfranken betreffen, wurden offengelegt, mehrfach geprüft und führten zu keinen Beanstandungen."

Fest steht, dass es laut internen Unterlagen in Sachen Clinicpartner ziemlich schnell ging. Bereits wenige Tage nach dem Treffen in Nawratils Büro verlangte Clinicpartner per E-Mail die Herausgabe detaillierter Angaben über die laufenden Geschäfte und damit über die Prospitalia-Konditionen. Unter anderem ging es um Lieferanten oder den "Verbrauch der letzten zwölf Monate und aktuelle Netto-Einkaufspreise". Angeblich nur "zur Durchführung von Preisvergleichen".

Die Kliniksprecherin sieht darin keinen Verstoß gegen den Prospitalia-Vertrag, involvierte Mitarbeiter schon. Denn unter Punkt 8 verpflichteten sich die Bezirkskliniken darin ausdrücklich, "über Einkaufskonditionen jeder Art gegenüber Dritten" Stillschweigen zu wahren. "Alle von der Prospitalia überlassene Unterlagen", hieß es dort, "sind vertraulich zu behandeln".

Clinicpartner bekam "die erforderlichen Unterlagen" für die "Untersuchung zu Optimierungspotenzialen für Organisation, Logistik und Sortiment", sagt die Kliniksprecherin. Aber: Detailinfos über Konditionen des Konkurrenten verschaffen einer Firma naturgemäß einen großen Vorteil, wenn sie sich, wie in diesem Fall, wenig später an der Neuausschreibung des Auftrages selbst beteiligt.

Nawratils Unterstützung für Clinicpartner wäre womöglich noch weiter gegangen, hätten Mitarbeiter ihn nicht gestoppt. Ende Oktober 2012 wollte die Firma für einen ihrer Manager Zugang zur Finanzbuchhaltung der Bezirkskliniken. Bei den zuständigen Mitarbeitern herrschte aus Datenschutzgründen blankes Entsetzen. Erst recht, als ihr Chef Nawratil das Ansinnen unterstützte. Interne Kritiker kanzelte er ab. Tenor: Nichts sei daran problematisch und außerdem sei er schließlich auch dafür. Es könne sich ja ein Klinikmitarbeiter daneben setzen. Führungskräfte verhinderten schließlich im letzten Moment den Zugriff des Clinicpartner-Managers.

Ein Machtwort spricht Nawratil am 2. Oktober 2013, als die Ausschreibungsergebnisse für den Millionenauftrag im Einkauf präsentiert werden. Dabei boten die Firmen nicht nur Fixpreise, sondern auch Dienstleistungen an. Bewertet man beides gleich, liegt Prospitalia vorn, gewichtet man die Preise stärker, ist es Clinicpartner.

Wie Helmut Nawratil sich nun für seine Geschäftsfreunde ins Zeug legt, protokollierte ein Mitarbeiter in einem vertraulichen Vermerk. Demnach merkte ein Teilnehmer an, Wirtschaftlichkeit habe nicht nur mit dem Preis, sondern auch mit der Dienstleistung zu tun. Nawratil aber wischte das Argument vom Tisch. Die Bezirkskliniken seien ein Sanierungsfall, der Preis zähle. "Er entscheidet deshalb ohne weitere Diskussion, dass die Bezirkskliniken Mittelfranken ab dem 1. Januar 2014 mit Clinicpartner zusammenarbeiten."

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