Verschuldete Kommune:Bad Endorfer Vertragsgeflecht

Verschuldete Kommune: Die Therme in Bad Endorf macht der Gemeinde finanziell wenig Freude. Die Gäste, allerdings zu wenige, schätzen ihr jodhaltiges Heilwasser.

Die Therme in Bad Endorf macht der Gemeinde finanziell wenig Freude. Die Gäste, allerdings zu wenige, schätzen ihr jodhaltiges Heilwasser.

(Foto: oh)

An den komplexen Besitzverhältnissen der chronisch defizitären Therme, des Hotels und der Klinik arbeiten sich seit Jahren die Lokalpolitiker des Kurortes ab. Nun vermeldet der Gemeinderat eine Lösung, die aber nicht alle gutheißen

Von Matthias Köpf, Bad Endorf

Die große Zeit der Kur war in Bad Endorf besonders kurz: Erst 1963 trat bei einer Bohrung nach Erdöl statt dessen jodhaltiges Heilwasser zu Tage, das dem beschaulichen Endorf 1988 in aller Form den Titel "Bad" einbrachte - und nur zehn Jahre später war dann auch hier schon von der Kurkrise die Rede, in die sich die deutschen Bäder durch die Reformen des damaligen Bundesgesundheitsministers Horst Seehofer getrieben sahen. Bis dahin hatten die damaligen Lokalpolitiker ihre Gemeinde und deren Therme längst in ein Gewirr aus Stiftungen, Tochterfirmen und Betreibergesellschaften verstrickt, an dessen "Entflechtung" sich ihre Nachfolger seit vielen Jahren abgearbeitet haben. Nun meldet das Rathaus Vollzug: Der Gemeinderat hat einen Entflechtungsvertrag gebilligt, mit dem die wesentlichen Immobilien einer Aktiengesellschaft übertragen werden.

Größter Anteilseigner an dieser Gesundheitswelt Chiemgau AG (GWC) ist mit 76 Prozent der Aktien die Gemeinde selbst, das übrige knappe Viertel ist in Streubesitz. Die GWC war bisher nur die Betreiberin der chronisch defizitären Therme, des zugehörigen Hotels sowie der großen Simssee-Klinik. Die Gebäude und Grundstücke gehörten überwiegend einer gemeindlichen Stiftung. Die Fäden wurden aber in der GWC gezogen, während im Rathaus am Ende kaum mehr jemand das Geflecht durchschaut hat. Zuletzt kämpfte sich eine ganze Schar von Steuerfachleuten, Wirtschaftsprüfern und Juristen durch mehr als 700 Vertragsdokumente und schriftliche Absprachen. Viele Verträge müssen nun mühsam wieder aufgelöst werden.

Einfach so durchschlagen ließ sich der gordische Knoten schon deshalb nicht, weil dieser Schwerthieb immer die Gemeinde selbst getroffen hätte. Diese hatte viel Geld in eine erste Sanierung der Therme gesteckt und liegt bei der Pro-Kopf-Verschuldung seither unter allen 46 Gemeinden des Landkreises Rosenheim auf Platz 45. Die Sanierung blieb trotzdem Stückwerk und genügte nicht einmal den amtlichen Brandschutzvorschriften, weshalb das Landratsamt zwischenzeitlich sogar mit der zwangsweisen Schließung drohte.

Um diese leidigen Brandschutzprobleme, um die dringend nötige Modernisierung der Technik, um die kostspielige Sanierung des fast 5000 Meter tiefen Bohrlochs der Jodquelle und um ein neues Parkhaus soll sich die GWC in Zukunft selbst kümmern - und sich auch das dafür notwendige Geld selbst besorgen. Da die GWC nun auch Eigentümerin der Therme, der Klinik und der Grundstücke werden soll, kann sie auf dieser Basis neue Kredite aufnehmen. Den Wert der Immobilien sieht die Gemeinde durch Gutachten belegt.

Während die große Mehrheit des Gemeinderats dieser Lösung zugestimmt hat, üben die Endorfer Grünen weiterhin scharfe Kritik. In Ihren Augen liegt der Preis, den die GWC der Gemeinde für die Immobilien zahlen soll, weit unter dem tatsächlichen Wert und sei vor allem danach bemessen, wie viel das Unternehmen zahlen könne, sagt der Sprecher der Endorfer Grünen, Martin Both. Der Steuerzahler bezahle nach dem komplett hinter verschlossenen Türen ausgehandelten Entflechtungsprozess die Sanierung eines Privatunternehmens. Dass dieses den notorischen Verlustbringer Therme in die schwarzen Zahlen führen kann, bezweifeln die Grünen. Die Gemeinde habe sich mit dem Verkauf der Grundstücke aber ihrer Gestaltungsmöglichkeiten beraubt und trage als Hauptaktionär der GWC trotzdem weiter das Risiko.

Die parteifreie Bürgermeisterin Doris Laban verweist in einer Mitteilung aus dem Rathaus dagegen auf die "außerordentlich guten" Marktchancen mit zuletzt jährlich 270 000 Besuchern der Therme und 18 000 Patienten in den Kliniken. Insgesamt beschäftige die GWC mehr als 1000 Menschen in den Zukunftsbranchen Gesundheit und Tourismus. Die Gemeinde mit ihren gut 8000 Einwohnern gewinne durch die Entflechtung wieder Spielraum für andere Aufgaben. Die Endorfer will Laban in einer Bürgerversammlung über alle Details informieren, sobald der Entflechtungsvertrag unterzeichnet ist.

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