Versammlung:Alte Wunden, neuer Streit

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Sentimentale Worte bei der Verabschiedung des Ärzte-Rebells Wolfgang Hoppenthaller - doch dann kämpfen Bayerns Kassenärzte wieder um die Macht

Von Dietrich Mittler, München

Ein festlich geschmücktes Tannenbäumchen auf einer Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), das fällt aus dem Rahmen. Der Kongresssaal im fünften Stock des KVB-Gebäudes in München ist bislang eher durch heftige Wortduelle und klammheimliche Koalitionsverhandlungen zwischen einzelnen Ärztegruppen aufgefallen. Insbesondere dann, wenn sich die Bildung eines neuen Vorstands abzeichnete. Vor dieser Situation steht die KVB auch jetzt. Immerhin dreht es sich da um die Frage, wer künftig in einer Institution das Sagen hat, welche die ambulante ärztliche Versorgung in ganz Bayern sicherstellt.

Dieses Mal erschien zunächst alles anders: Nahezu alle Anträge wurden am Samstag mit großer Mehrheit verabschiedet, wenn nicht gar einstimmig. Die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2015 etwa - durchgewunken. Der Aufkauf von nicht besetzbaren Arztsitzen durch die KVB - voll akzeptiert. Der Beschluss, sich für ein konsequentes Tabakwerbeverbot einzusetzen - bei zwei Enthaltungen verabschiedet. Fach- und Hausärzte lobten ihr konstruktives Miteinander, auf das dreiköpfige Vorstandsteam prasselte Dank für die zurückliegenden sechs Jahre Arbeit. "In diesem Kreis ist kein Platz für Egomanie, Blockaden und Streit um des Streites willen", sagte Petra Reis-Berkowicz, die scheidende Vorsitzende der KVB-Vertreterversammlung. Das hat es hier, soweit sich die Teilnehmer erinnern können, vor einer neuen Amtsperiode in der ärztlichen Selbstverwaltung noch nicht gegeben.

Doch abgesehen von dieser geradezu demonstrativ herausgestellten Einigkeit, als Reis-Berkowicz anhob zur Aussage "Lieber Wolfgang, wir werden dich vermissen", wurde klar: Für Bayerns Ärzteschaft geht gerade ein Kapitel zu Ende. Wolfgang Hoppenthaller, der Rebell, der sich im Kampf um ein Streikrecht für Ärzte sowohl mit den Kassen als auch mit der Staatsregierung angelegt hatte, nahm zum letzten Mal als Delegierter an einer KVB-Vertreterversammlung teil. "Ich werde jetzt 70 Jahre alt, man muss mal die Jungen dranlassen", sagte er am Rande der Veranstaltung. Es kamen Erinnerungen hoch, auch daran, wie 2010 sein "Putschversuch" gegen die Macht der Kassen einen Tag vor Heiligabend gescheitert war. "Danach war natürlich ein großer Scherbenhaufen da", räumt er ein. Die Kassen kündigten als Strafaktion die Hausarztverträge auf, was die Ärzte damals teuer zu stehen kam. Doch selbst dieses Debakel sahen ihm jetzt manche Kollegen nach: "Sein misslungener Ausstieg war ein Riesenerfolg. Er hat die Politiker sensibilisiert", meinte einer der Hausärzte. Ein Facharzt kam gar zu dem Schluss: "Wir werden schon einen Platz finden, wo wir Sie reinbringen können, wenn wir gerade jemanden brauchen, der auch mal auf den Tisch haut."

Doch das - so zeigte sich im Verlauf der Versammlung - bringen Bayerns Kassenärzte auch ohne Hoppenthaller fertig. Vorstandsmitglied Ilka Enger ließ deutliche Kritik anklingen: Auf viele Fragen habe die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns noch keine Antwort, sagte sie im Rückblick auf die gemeinsame Arbeit im Vorstandsteam. Sie habe die Erfahrung machen müssen, dass die KVB "ein Tanker ist, der nur sehr langsam voranzubringen und zu wenden" sei. Eigentlich, so betonte Enger, seien sie ja alle vor sechs Jahren mit der Zielvorgabe angetreten, mehr auf die Basis zu hören. Und nun werde einem aus Unterfranken angereisten Kollegen verweigert, in der Vertreterversammlung ein innovatives Projekt vorzustellen, das lokale Probleme lösen soll: Im Kreis Miltenberg machen sich Ärzte und Lokalpolitiker augenblicklich dafür stark, den Weg für eine zweite Bereitschaftsdienstpraxis zu ebenen. Sie soll die ärztliche Versorgung der Bevölkerung im Süden des Landkreises verbessern. "Es ist ein verheerendes Signal, dass wir uns gegen Gäste verwehren, die Probleme an uns herantragen", sagte Enger.

KVB-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Krombholz reagierte wütend: "Ich wehre mich dagegen, in die Ecke geschoben zu werden, undemokratisch zu sein." Andere warfen Enger "Populismus" vor. Während des Schlagabtauschs wurde in den Sitzreihen fleißig getuschelt. Offenbar auch darüber, wer künftig die Psychotherapeuten im Vorstand vertreten könnte. Zumindest bis zum 21. Januar 2017, also bis zur konstituierenden Vertreterversammlung, macht das noch Ilka Enger.

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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