Verkehrstechniker im Gespräch:Wie sich Staus vermeiden lassen

Staus nerven, vor allem in der Urlaubszeit. Doch mit kluger Verkehrsplanung kann der Verkehr am Laufen gehalten werden. Wie das funktioniert - und welche Gefahr dabei von Navigationsgeräten ausgeht, erklärt Forscher Fritz Busch.

Franziska Gerlach

Fritz Busch ist Professor für Verkehrstechnik an der Technischen Universität München. Er weiß, wie Stau entsteht, aber auch, wie er vermieden werden kann.

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Sie stehen und stehen und stehen. Auf der A9 bei Garching staut sich der Verkehr besonders häufig.

(Foto: dapd)

SZ: Herr Busch, wie entstehen Staus auf Autobahnen?

Fritz Busch: Im Wesentlichen unterscheidet man drei Gründe für Stau: Unfälle, Baustellen oder zu hohe Verkehrsbelastung.

SZ: Wie viel Verkehr verkraftet denn eine deutsche Autobahn?

Busch: Im Durchschnitt hat ein Autobahnquerschnitt eine Kapazität von 1800 Autos pro Stunde und Fahrstreifen, das macht ein Fahrzeug alle zwei Sekunden. Liegt der Wert darüber, kommt es zu Überlastungsstau. Doch bereits bei einer Auslastung von circa 80 Prozent besteht ein erhöhtes Risiko für den sogenannten Stau aus dem Nichts.

SZ: Stau aus dem Nichts ist ein Stau, der ohne Unfall oder sonstige Störung entsteht. Wie kommt es dazu?

Busch: Insbesondere dadurch, dass die Leute bei hohem Verkehrsaufkommen ihr Fahrverhalten nicht aufeinander abstimmen. Da reichen manchmal kleine Unachtsamkeiten, wie zum Beispiel sich kurz zu den Kindern umzudrehen oder durch einen Unfall auf der Gegenfahrbahn abgelenkt zu sein. Wenn ich dann wieder auf die Spur schaue, merke ich plötzlich, dass ich meinem Vordermann zu nah aufgefahren bin. Ich muss stärker bremsen und mein Abstand verringert sich. Diese Reaktionskette schaukelt sich von Fahrzeug zu Fahrzeug hoch und führt irgendwann zum Verkehrsstillstand. Einen ähnlichen Effekt haben auch unkoordinierte, sprunghafte Spurwechsel, etwa wenn ein Fahrer versucht, in eine Lücke zu drängeln.

SZ: Wie wird auf bayerischen Autobahnen versucht, Stau zu vermeiden?

Busch: Zum Beispiel durch Stauwarnanlagen. An Schilderbrücken über der Autobahn wird mit Wechselverkehrszeichen angezeigt, ob die Fahrt frei ist oder aufgrund der aktuellen Verkehrslage die Geschwindigkeit begrenzt wird und besser nicht überholt werden sollte. In Bayern gibt es zwei Verkehrsrechnerzentralen, die diese Anlagen mit aktuellen Daten versorgen und so das komplette Verkehrsnetz in Bayern steuern. Die Geschwindigkeitsvorgaben dieser Stauwarnanlagen werden übrigens bewusst immer etwas niedriger kommuniziert als man de facto noch fahren könnte - einfach um Stau so gut es geht zu verhindern.

SZ: Und was hat es mit diesen Schildern auf sich, die hin und wieder an Autobahnkreuzen zu sehen sind?

Busch: Das sind sogenannte Wegwechselweisungsanlagen, die versuchen, den Verkehr bei Staugefahr sinnvoll umzuleiten mit Vorschlägen für alternative Routen.

SZ: Wie werden diese Vorschläge angenommen?

Busch: Je nach Verkehrslage und Ortskenntnis folgen rund 20 bis 40 Prozent der Verkehrsteilnehmer diesen Hinweisen. Leider lässt sich ein Großteil noch immer von seinen Navigationssystemen in die Irre führen. Irgendwie scheinen viele Autofahrer ihrem Navigationssystem regelrecht hörig zu sein - oder ihm zumindest besonders zu vertrauen.

SZ: Schließlich bietet das Navigationssystem auch eine alternative Route an?

Busch: Schon. Das Problem ist nur, dass die meisten Navigationssysteme nach denselben Algorithmen rechnen. Und wenn alle derselben Ausweichroute über eine schmale Bundesstraße folgen, gibt es dort früher oder später auch Stau. Im Extremfall lässt die Autobahndirektion dann schon mal per Rundfunk durchsagen, dass statt des Navigationssystems die Hinweise der Wechselwegweisungsanlagen beachtet werden sollen. Man sollte seinem Navigationssystem wirklich mit Sinn und Verstand folgen.

SZ: Ab welcher Staulänge lohnt es sich denn, von der Autobahn abzufahren?

Busch: Das ist schwer zu sagen, weil es immer auch darauf ankommt, auf welches Straßennetz ich ausweichen kann. Wegen fünf Kilometern Stau macht es aber definitiv noch keinen Sinn.

SZ: Ihre Empfehlung für Stauprävention?

Busch: Harmonisch und ausgeglichen fahren. Wir Verkehrstechniker wünschen uns bei hohem Verkehrsaufkommen eine gemäßigte Geschwindigkeit von 80 km/h. Und dass Autofahrer die alte Fahrschulregel des halben Tachos für den Abstand befolgen, bei 100 km/h also etwa 50 Meter Abstand einhalten. Das ist genau ein Leitpfosten auf der Autobahn.

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