Verkehr:Die Kümmerin der Bahn

Verkehr: Seit 2009 ist Jennifer Sauer mit der Werdenfelsbahn unterwegs, mit der täglich 20 000 Fahrgäste reisen.

Seit 2009 ist Jennifer Sauer mit der Werdenfelsbahn unterwegs, mit der täglich 20 000 Fahrgäste reisen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Jennifer Sauer und 13 weitere Kollegen sind Teilnetzmanager bei der Deutschen Bahn in Bayern.
  • Sie sind das "Gesicht nach außen" - und sollen näher an den Kunden sein, aber auch Kontaktperson für die Offiziellen in den Orten entlang der Strecke sein.

Von Ralf Scharnitzky

Es ist nur ein winziges Plastikteilchen, etwa so groß wie eine Schokoladenrippe, aber viel flacher und durchsichtig. Und trotzdem: Jennifer Sauer sieht es, beziehungsweise sieht sie es eben nicht. In dem rechteckigen Behälter neben einer der vielen Türen im roten Regionalzug stecken keine Infoblätter der Deutschen Bahn, weil der Boden des Behälters fehlt. Die 35-Jährige wird dafür sorgen, dass die Box am nächsten Tag repariert ist und darin wieder Handzettel stecken können. Die junge blonde Frau mit dem freundlichen Auftreten ist Netzmanagerin, genauer gesagt Teilnetzmanagerin - wie 13 weitere Kollegen in Bayern. Sie sind, so heißt es intern, das "Gesicht nach außen".

In Weilheim in Oberbayern steigt Jennifer Sauer um 14.49 Uhr in die Regionalbahn nach München. In Garmisch-Partenkirchen werden bei dieser Verbindung zwei Triebwagen zusammengekoppelt - einer kommt aus Reutte, einer aus Innsbruck. Die Doppel-Traktion fährt dann über Murnau, Weilheim, Tutzing, Pasing zum Münchner Hauptbahnhof. Eine Zugverbindung, die von vielen Fahrgästen genutzt wird: von Schülern, Pendlern, Ausflüglern, Radlern und Touristen. Da kann es schon mal eng werden. Ein Kunde, der öfter mit diesem Zug fährt, hatte sich bei der DB über häufige Überfüllung beschwert. Also schaut die Betriebswirtin Sauer mal nach dem Rechten. Als Netzmanagerin ist sie seit dem Jahr 2009 die Kümmerin der Bahn für das Werdenfelsnetz. Sie will herausfinden, ob die Strecke um diese Zeit im Interesse der Kundschaft mit einer Dreifach-Traktion bedient werden muss.

Nach dem ersten Augenschein sieht es nicht so aus, von Überfüllung kann keine Rede sein. Die Netzmanagerin, die in Zivil, mit kleinem Namensschild am Revers, unterwegs ist, sagt: "Der Zug hat noch Potenzial." In den nächsten Tagen wird Sauer noch mehrmals die Strecke um diese Zeit abfahren, um sich ein besseres Bild zu machen. Und dann bekommt der Beschwerdeführer eine Rückmeldung: "Unsere Aufgabe ist es, näher, schneller und gezielter am Kunden zu sein." Da geht es nicht nur um Kapazitäten und Pünktlichkeit der Züge, sondern auch um die Freundlichkeit der Zugbegleiter, die Information der Reisenden und die Sauberkeit der Toiletten. Auf den vier Strecken im Werdenfelsnetz sind täglich 37 Züge unterwegs - und etwa 20 000 Fahrgäste. Jennifer Sauer ist an zwei bist drei Tagen pro Woche unterwegs.

An den übrigen Tagen hält sie sich in ihrem Büro am Münchner Hauptbahnhof, das sie sich mit den beiden anderen oberbayerischen Teilnetzmanagern teilt, über die Fahrten und den Zustand ihrer Züge auf dem Laufenden. Meist schaut sie sogar schon am Frühstückstisch daheim mal kurz nach: Über ein ausgeklügeltes System bekommt sie digital von Fahrdienstleitern, Zugführern, Zugbegleitern und Werkstattchefs rund um die Uhr alle Informationen, die sie als Kümmerer so braucht, "um unseren Kunden die Fahrt mit uns so angenehm wie möglich zu machen".

Als Netzmanagerin ist Sauer nicht nur Ansprechpartnerin für die Fahrgäste, sondern etwa auch für Landräte, Bürgermeister, Stadt- und Gemeinderäte sowie Touristiker in den Ortschaften entlang der Strecken. Da gibt es viel zu besprechen: Mal sind es große Dinge wie ein Bahnhofsumbau in Tutzing oder Weilheim, mal Kleinigkeiten wie eine defekte Uhr. Die 35-Jährige kümmert sich - wenn die Politiker sie denn anrufen. Immer wieder kommt aus Landratsämtern und Rathäusern die Klage, dass man bei der DB keine Ansprechpartner habe. Kopfschütteln bei der Managerin. Jeder Landrat oder Bürgermeister bekomme gleich nach seiner Wahl einen Brief von Bayerns DB-Chef Klaus Dieter Josel - mit dem Hinweis auf Jennifer Sauer. "Aber der Brief scheint in den Schubladen zu verschwinden", meint sie lächelnd.

Die Mitarbeiter sollen am Erfolg beteiligt werden

Selbst wenn so mancher Politiker nicht anruft - die Werdenfels-Managerin hat auch so gut zu tun. Auf der meistbefahrenen Regionalstrecke Bayerns, die zwischen Tutzing und Garmisch-Partenkirchen in weiten Teilen noch eingleisig ist, sind die Fahrgäste und Mandatsträger einigen Kummer gewöhnt - denn die Einführung verlief recht holprig. Die Deutsche Bahn AG hatte im Dezember 2013, wie in der Ausschreibung der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) gefordert, die Frequenz erhöht, den Takt verdichtet und zusätzliche Express-Züge eingesetzt. Ein ambitioniertes Programm. Denn ab Tutzing muss die Strecke in der Region München noch den S-Bahn-Verkehr bewältigen.

Kurz nach dem Start lag das Netz auf Platz sieben von 26 bewerteten Strecken im bayernweiten Ranking der BEG, die für den Freistaat den öffentlichen Schienenverkehr bestellt und beaufsichtigt. Alle bayerischen Regionalzüge werden nach einheitlichen Kriterien im BEG-Qualitätsmesssystem erfasst; unter anderem mit regelmäßigen Fahrgastbefragungen und verdeckten Tests in den Zügen. Dabei geht es auch um das Personal. Geachtet wird etwa darauf, ob die Zugbegleiter die Fahrkarten kontrollieren, wie ihre "sozial-kommunikative" Kompetenz ist und ob die Ansagen im Zug verständlich und freundlich sind. Zwischenzeitlich auf Platz fünf gestiegen, ist das Netz von Jennifer Sauer in der aktuellen Liste auf Platz acht abgerutscht.

Um wieder im Ranking nach oben zu klettern, hatten die drei oberbayerischen Netzmanager eine geradezu revolutionäre Idee, die Anfang August alle innerbetrieblichen Hürden genommen hat: Die Mitarbeiter auf den vier Netzen in Oberbayern werden künftig am Erfolg beteiligt. "Wir wollen damit die Motivation unserer Mitarbeiter steigern", sagt Sauer. Gezahlt wird allerdings nur, wenn es in keiner Kategorie Minusbewertungen gibt. Und da kann sich sogar ein fehlendes Plastikteil in der Infobox negativ auswirken.

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