Streiks in der Logistikbranche:Weihnachtsfriede in Gefahr

  • Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgeber der Logistikbranche verhandeln über Tarife. Wenn sie sich nicht einigen, könnten die bisher nur vereinzelten Streiks ausgeweitet werden.
  • Kleinere Streiks in den vergangenen Wochen zeigen, welche Auswirkungen größere Ausweitungen haben könnten.

Von Ralf Scharnitzky

Das Weihnachtsfest ist in Gefahr. Wenn am Montag keine Entscheidung fällt, dann sieht es in Bayern schlecht aus mit Geschenken und den Zutaten für das Festmahl. In einem Hotel in Ismaning bei München treffen sich wichtige Menschen, die für den pünktlichen Transport der Pakete und Leckereien verantwortlich sind. Wenn sich die Vertreter von Gewerkschaft und Arbeitgebern der Logistikbranche nicht auf einen Tarifabschluss einigen, dann droht eine Ausweitung der bisher nur vereinzelten Streiks bei Paketdiensten und Transporteuren - und das kurz vor Weihnachten.

"Das wäre bedauerlich, aber nicht zu vermeiden", sagt Verdi-Verhandlungsführer Anton Hirtreiter. "Es ist Dampf im Kessel", sagt Sebastian Lechner vom Landesverband bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT). Beide Seite hoffen trotzdem, in der dritten Verhandlungsrunde zu einem Kompromiss zu kommen. Auch im Interesse des Weihnachtsfriedens. Bisher liegen Forderung und Angebot allerdings noch ziemlich weit auseinander.

Der LBT hat in der zweiten Verhandlungsrunde im November kein Angebot vorgelegt. Allenfalls über einen Inflationsausgleich könnte verhandelt werden. Der Landesverband Bayerischer Spediteure (LBS), die andere Arbeitgeberorganisation, bot 1,9 Prozent Lohnerhöhung an. Die Gewerkschaft Verdi fordert dagegen eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 5,5 Prozent, mindestens jedoch um 120 Euro, sowie eine Erhöhung der Auszubildendenvergütung um 50 Euro bei einer Laufzeit von einem Jahr.

Welche Auswirkungen größere Streiks haben könnten

Wie breit gefächert die Logistikbranche mit ihren mehr als 100 000 Mitarbeitern im Freistaat ist und welche Auswirkungen größere Streiks haben könnten, zeigen bereits die kleinen Nadelstiche, die Verdi seit Ende November setzt. In Röthlein (Unterfranken) fand ein erster Warnstreik von zehn Gewerkschaftern bei einem Versandspediteur statt. Zwei Stunden wurde nachts der komplette Umschlag des sogenannten Sammelgutes nicht bearbeitet. Etwa 25 Lkw-Anhänger konnten dadurch nicht beladen werden, die Lkw blockierten die Straßen in der Umgebung wegen der Nichtbearbeitung. Der Streik hatte bundesweit Auswirkungen auf Unternehmen, die das Sammelgut wieder verteilen.

Deutsche Post DHL

Bei DHL blieben aufgrund eines Ausstands im Nürnberger Hafen bereits Tausende Express- und Terminzustellungen liegen.

(Foto: Bernd Thissen/dpa)

Bei einigen Unternehmen streikten die Mitarbeiter im Kundenwareneingang. Die Folge: Komplette Chargen für Pharmafirmen wurden nicht bearbeitet. Besonders gravierend war ein Streik in Aschaffenburg bei DPD. Hier legten etwa 100 Beschäftigte die Arbeit nieder, 50 000 Pakete kamen deshalb verspätet auf den Weg. Bei DHL wurden im Nürnberger Hafen 50 Lkw-Brücken bestreikt. Tausende von Termin- und Expresszustellungen blieben liegen. "Die Paketbranche boomt, Fahrermangel und Dienst rund um die Uhr sind kennzeichnend für die Branche, aber bei den Löhnen und Gehältern tut sich fast nichts", kritisiert Gewerkschafter Hirtreiter.

Wenn Verdi will, könnten Streiks nicht nur die Weihnachtsstimmung trüben, sondern auch ganze Industrieproduktionen zum Erliegen bringen. So sind etwa die beiden großen Autofirmen BMW und Audi auf Speditionen angewiesen. Um große Lagerhaltung in den Firmen zu vermeiden, bringen Lastwagen bedarfsgerecht (just-in-time) wichtige Teile von Zulieferfirmen. Hirtreiter: "Wir können mit wenig Aufwand viel lahm legen. Aber das wollen wir vorerst nicht." Allerdings müsse man die Warnstreiks ausweiten, wenn die Arbeitgeberverbände am Montag kein vernünftiges Angebot vorlegen. Ob das kommt, dazu wollten LBT und LBS zunächst keine Aussage machen. Beide Arbeitgeberverbände haben Stillschweigen gegenüber der Öffentlichkeit vereinbart: "Kein Kommentar", hieß es.

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