Verhaltenskodex für die CSU:Nicht nur sauber, sondern rein

Die Christsozialen wirken nervös: Als Reaktion auf die Abgeordnetenaffäre will sich die CSU jetzt einen Verhaltenskodex geben. Der frühere Parteivorsitzende Theo Waigel soll Richtlinien für Mandatsträger ausarbeiten.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Als Konsequenz aus der Verwandtenbeschäftigung von bayerischen Abgeordneten will sich die CSU offizielle Verhaltensregeln nach dem Vorbild der Wirtschaft geben. CSU-Chef Horst Seehofer beauftragte am Montag im Parteivorstand den früheren Parteichef Theo Waigel damit, einen Leitfaden für alle Mandatsträger zu entwickeln. Außerdem soll in der CSU-Landesleitung aller Voraussicht nach ein Jurist Politikern als sogenannter Compliance-Berater, wie es in der Wirtschaft heißt, zur Seite stehen.

Seehofer erklärte nach der Sitzung: "Wir wissen aus der Lebenserfahrung, dass man nicht alles in Paragrafen gießen kann." Umso wichtiger sei es, sich auf wesentliche Grundzüge des Verhaltens zu verständigen. Er habe Theo Waigel gebeten, die Aufgabe zu übernehmen, weil er in der CSU eine "hohe Autorität" genieße. Außerdem hat Waigel bereits Erfahrungen in der Wirtschaft gesammelt. Für den Siemens-Konzern arbeitete er als sogenannter Compliance-Monitor jahrelang die Korruptionsaffäre des Konzerns auf.

Waigel sagte der Süddeutschen Zeitung: "Die CSU ist in einer nicht ganz einfachen Situation." Deshalb habe er sich auch nicht verweigert, als Seehofer mit der Bitte auf ihn zu kam, obwohl es "attraktivere Mandate" gebe. "Es geht darum, Grenzfragen zu definieren und zu beantworten." Er wolle sich nicht nur die umstrittene Anstellungspraxis von Verwandten vornehmen, sondern auch die Gehaltszulagen für das Spitzenpersonal der Fraktion, die Zuarbeitsmodelle für Abgeordnete und den Umgang mit Nebeneinkünften und Spenden.

CSU-Chef Seehofer bezeichnete die Affäre nach der Vorstandssitzung als "Rückschlag" für die CSU. "Die Diskussion bleibt nicht ohne Wirkung." In der Sitzung sicherte er sich die Zustimmung der Parteispitze für den Weg seiner Krisenbewältigung zu. Seehofer hatte den Rücktritt des früheren Fraktionsvorsitzenden Georg Schmid erzwungen und seine Kabinettsmitglieder genötigt, an Ehefrauen oder Geschwister ausgezahltes Geld an die Staatskasse zurück zu überweisen. "Ich wollte Klarheit", sagte Seehofer und zeigte sich nach dem einstimmigen Votum zufrieden.

Landtag ein "Freibier-Parlament"?

Den in die Affäre verstrickten Kabinettsmitgliedern sprach er "uneingeschränktes Vertrauen" aus. Er sieht auch keine Notwendigkeit, dass die einfachen Abgeordneten deren Beispiel folgen und ebenfalls Geld zurückzahlen. Seiner CSU machte er trotz scharfer Angriffe aus der Opposition Mut. "Wir lassen uns durch die ständigen Versuche, zu diffamieren und skandalisieren, nicht aus der Reserve locken."

Auch der Landtag hat es nun mit neuen Transparenz-Regeln außerordentlich eilig. Noch in dieser Woche sollen nicht nur die umstrittenen Familienjobs für alle Verwandten komplett verboten werden. Auch das heikle Thema Nebeneinkünfte wird nun im Eiltempo angegangen. Anders als Regierungsmitglieder dürfen normale Abgeordnete zusätzliche Tätigkeiten ausüben, müssen darüber aber bisher kaum Auskünfte abgeben, vor allem nicht über die Höhe. Insbesondere Anwälte verdienen beträchtlich hinzu, von Ex-CSU-Justizminister Alfred Sauter ist der ironische Spruch überliefert, er habe sehr wohl einen Nebenjob: nämlich das Abgeordnetenmandat. Der Bundestag hatte seine Regeln erst kürzlich verschärft. Sie sehen ab der kommenden Legislaturperiode vor, dass Berliner Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte in einem zehnstufigen System offenlegen müssen.

Das wollte der Landtag schon vor Monaten übernehmen, aus dem Plan stieg die Landtags-CSU jedoch im April aus. Viele Mittelständler hatten Bedenken, ihre Bilanzen offenzulegen. Die Kritik gibt es zwar noch immer, dennoch ist die CSU nun wieder im Boot. Die öffentliche Debatte verbiete es, das Thema auf die lange Bank zu schieben, heißt es in der Fraktion. Auch Seehofer will "unbedingt" Transparenz bei diesem Thema. Derzeit bremst eher die SPD, der die bisher kursierenden Vorschläge nicht weit genug gehen. Fraktionschef Markus Rinderspacher verlangt, dass Abgeordnete bei Verstößen gegen die Offenlegung auch Strafe zahlen müssen und öffentlich genannt werden. Sie, wie von der CSU gewünscht, nur intern zu rügen, reiche nicht aus. In zahlreichen Sitzungen wollen die fünf Fraktionen nun versuchen, bis zur Plenarsitzung am Donnerstag ein von allen getragenes Modell zu finden.

Immer mehr Aufsehen im Landtag erregt inzwischen die gemeinsame Erklärung "gegen öffentliche Parlamentarismusschelte". 52 Abgeordnete aller Fraktionen haben sie unterschrieben, der Großteil davon (33) aus der CSU. "Wir wehren uns in aller Schärfe gegen eine pauschale und durch nichts begründete Verunglimpfung des Bayerischen Landtags als ,Freibier-Parlament', ,Abzocker-Bude' und ,Selbstbediener-Laden', heißt es darin.

Die Erklärung findet sich inzwischen auch wie eine Präambel auf der Landtags-Homepage. In der SPD sorgte vor allem die darin enthaltene Ehrenerklärung für Landtagspräsidentin Barbara Stamm für Debatten. Deren integre Amtsführung und ehrlicher Einsatz für die Abgeordneten verdienten Respekt, heißt es. Rinderspacher sagte der SZ, Stamm habe die Krise "schlecht gemanagt", die Formulierung sei daher "ein Witz". Dennoch unterschrieben fünf SPD-Abgeordnete, darunter auch Ex-Partei-Vize Thomas Beyer.

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