Verfallene Denkmäler in Bayern:Einstürzende Altbauten

Wenn Geschichte dem Erdboden gleichgemacht wird: Immer mehr Baudenkmäler stehen leer und verfallen. Die Besitzer stört das häufig nicht - im Gegenteil: Sie spekulieren darauf, dass der Platz frei wird für neue Gebäude. In Bildern.

Hans Kratzer

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Quelle: Hans Kratzer

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Schon in seinem Landshut-Film von 1973 hat der Kulturjournalist Dieter Wieland den Verlust an historischer Bausubstanz beklagt und kritisiert, die pseudogotischen Neubauten verwandelten die Stadt in ein Architektur-Disneyland. Immerhin bewirkte Wieland, dass die Landshuter ein Bewusstsein für ihre einzigartige Stadtlandschaft entwickelten und keine Verkehrsschneise quer durch ihre Altstadt schlugen.

Seit den neunziger Jahren aber setzt sich der Raubbau wieder ungebremst fort. In der parallel zur Altstadt verlaufenden Neustadt stechen zurzeit Bagger, Baugruben und Schuttberge ins Auge. Neben dem Ursulinenkloster sind zwei Anwesen verschwunden, direkt gegenüber werden gerade zwei weitere Häuser abgerissen. Und das in einer Stadt, die eigentlich eine unverfälschte Fassadenkulisse braucht, wenn das "Festspiel Landshuter Hochzeit" auch künftig Publikum aus aller Welt anlocken soll.

Auf dem Foto: ein Geschäfts- und Wirtshaus in der Landshuter Neustadt

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Quelle: Hans Kratzer

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Landshut ist mit altertümlichen Bauwerken reich gesegnet, die Altstadt ist vom Bombenkrieg weitgehend verschont geblieben. Immer noch existieren dort 569 Einzeldenkmäler, 216 Bodendenkmäler und drei Ensembles.

Freilich, allein in den vergangenen fünf Jahren wurden 20 Denkmäler abgerissen, das sind ungefähr vier Prozent des Gesamtbestands. Die nächsten Abrisse (wie auf dem Foto zu sehen) werden bereits vollzogen oder zumindest geplant, demnächst soll ein spätklassizistischer Bau in der Altstadt der Spitzhacke weichen.

Die Entwicklung wird sich künftig wohl noch beschleunigen. Der Stadtrat hängt nicht allzu sehr an Bauten, die einen heruntergekommenen Eindruck machen, Oberbürgermeister Hans Rampf sagte in der Landshuter Zeitung, man müsse den Mut zum Abriss haben, wenn ein Haus nicht mehr saniert werden könne. Hier aber liegt genau das Problem. Die Besitzer entledigen sich ihrer alten Häuser, indem sie diese so lange verfallen lassen, bis sie unrettbar verloren sind und durch moderne und ertragreichere Immobilien ersetzt werden können.

Das Foto zeigt eine Baustelle in Landshut.

Trockenstadel der alten Ziegelei in Oberföhring, 2010

Quelle: Stephan Rumpf

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Was die Denkmalmisere anbetrifft, bildet Landshut keine Ausnahme. In manchen Dörfern sind die Abbruchquoten noch viel höher. "Die Verluste haben katastrophale Ausmaße angenommen", sagt Egon Johannes Greipl, der Generalkonservator des Landesamtes für Denkmalpflege.

Tatsächlich stehen zurzeit in Bayern 3000 denkmalgeschützte Objekte leer und werden damit dem Verfall preisgegeben. Es handelt sich meistens um Bauern- und Bürgerhäuser, also um Zeugnisse, die das Leben der unteren und mittleren Gesellschaftsschichten widerspiegeln. Das Problem der Denkmalpflege sind nicht Schlösser wie Neuschwanstein und Kirchen wie die Wies, die Bayern erstrahlen lassen, sondern die vielen Kleindenkmäler, die den Dörfern und Städten ihr unverwechselbares Gesicht und ihre Anmutung verleihen.

Das Foto zeigt einen verfallenen Trockenstadel auf dem ehemaligen Ziegelei-Gelände in Oberföhring.

Alte Ziegelei in Oberföhring, 2011

Quelle: Robert Haas

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Die Gründe für ihren Niedergang sind vielschichtig. Zwar brachte die Erschütterung über die Zerstörungen im und nach dem Krieg anno 1973 ein Denkmalschutzgesetz hervor, aber: "Von 1990 an ging es bergab, und zwar bis heute", resümiert Greipl.

Einen schweren Schlag versetzte dem Denkmalschutz die Deregulierung in der Ära Stoiber und die damit einhergehende Degradierung und finanzielle Austrocknung der Denkmalämter. Dazu kommt die strukturelle Entwicklung von Städten und Gemeinden, die dem Erhalt alter Bausubstanz zuwiderläuft: Wirtshäuser sterben, kleine Geschäfte weichen der Billigkonkurrenz auf der grünen Wiese und die Sensibilität für Altertümer ist volatil. "Der Schandfleck muss weg", das ist die gängige Begleitmusik des Denkmalschutzes.

Die Bilanz nach fast 40 Jahren Denkmalschutzgesetz: Von Hauslandschaften sind oft nur noch Fragmente da, viele Ortskerne sind ruiniert und Kulturlandschaften in großem Umfang zerstört. Dabei steht mit der Betonierung des Isentals die größte Naturlandschaftszerstörung der vergangenen Jahrzehnte erst noch bevor.

Das Foto zeigt einen verfallenen Trockenstadel auf dem ehemaligen Ziegelei-Gelände in Oberföhring.

GRAFRATH: Badstrasse 27 / abrissbedrohtes BAUDENKMAL / Bauernhaus

Quelle: Johannes Simon

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Für Greipl belegt diese Entwicklung, dass das System Denkmalschutz, zu dem die Eigentümer der Denkmäler, die Kommunen und die Denkmalschutzbehörden gehören, schwere Mängel hat und drastisch unterfinanziert ist.

Das Foto zeigt ein vom Abriss bedrohtes Baudenkmal in Grafrath.

Pumpenhaus in Pasing, 2011

Quelle: Robert Haas

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Da die 60.000 privaten Denkmaleigentümer nur unzureichend unterstützt werden können, ist ein weiterer massiver Denkmalverlust programmiert. In staatlichen Planungen wird der Denkmalschutz oft gar nicht mehr berücksichtigt.

Als die Kommunen kürzlich Unterlagen vom Umweltministerium erhielten, in denen mögliche Standorte für Windkraftanlagen ausgewiesen waren, kam der Schutz der historischen Kulturlandschaft nicht vor.

Das Foto zeigt das Alte Wasserpumpenhaus an der Kaflerstraße in München-Pasing.

Pumpenhaus in Pasing, 2011

Quelle: Robert Haas

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Dass es auch anders geht, ist ebenfalls in Landshut zu sehen. Ein Anwesen aus dem 14. Jahrhundert in der Alten Bergstraße, das ein Sachverständiger als reif für den Abriss bewertet hatte, wurde von der Eigentümerin dennoch behutsam saniert. Das Haus blieb für Wohnzwecke nutzbar, und trotzdem blieb ein großes Maß an historischer Substanz erhalten.

© SZ vom 23.04.2012/tob
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