Verfahren gegen Amtsrichter:Verdacht der Vetternwirtschaft

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Ein Würzburger Richter hat jahrelang einem örtlichen Reitsportverein Bußgeldbeträge zugeschustert. In dem Verein sind allerdings seine Frau und seine Tochter aktiv. Der Fall hat auch Folgen für Bayerns Justiz.

Von Olaf Przybilla

Wenn Anklage erhoben ist, der Amtsrichter das Verfahren aber gegen eine Geldauflage einstellt, dann darf der Richter darüber entscheiden, an welche gemeinnützige Institution das Geld überwiesen wird. Qua richterlicher Unabhängigkeit, wie das so heißt.

In Würzburg hat ein Amtsrichter dieses Prozedere offenkundig sehr eigenwillig interpretiert: Er wies Bußgeldbeträge seit etlichen Jahren einem örtlichen Reitsportverein zu, bei dem seine Tochter Geschäftsführerin ist. Und bei dem seine Ehefrau derzeit als Schatzmeisterin tätig ist. Nachdem das ARD-Fernsehmagazin "Report Mainz" in der Sache recherchierte, hat das Landgericht Würzburg nun ein dienstaufsichtliches Verfahren gegen den Amtsrichter eingeleitet.

Der Fall löst erhebliche Unruhe in Bayerns Justiz aus. So habe die Präsidentin des Landgerichts Würzburg - auch auf Bitte des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Bamberg, wie es heißt - die Causa zum Anlass genommen, die Richter "zu sensibilisieren". Und zwar dafür, dass bei der Zuweisung von Bußgeld schon jeder "Anschein vermieden werden" müsse, dass "sachfremde Motive in die Entscheidung einfließen" könnten.

Es soll um mehr als 20 000 Euro gehen

Konkret will die Präsidentin nun sichergestellt wissen, dass Zuwendungen an Vereinigungen vermieden werden, "zu denen persönliche Beziehungen bestehen". An dieser dem Anschein nach selbstverständlichen Sensibilität scheint es bislang gefehlt zu haben, zumindest im Fall des Würzburger Amtsrichters.

Dieser hat in einer Stellungnahme eingeräumt, er habe einem bestimmten Würzburger Reitsportverein mehrfach Geldauflagen zugewiesen. Insgesamt soll es sich um mehr als 20 000 Euro handeln. Dass seine Tochter und seine Ehefrau in diesem Verein leitende Funktionen innehaben, ist kein Geheimnis: Es erschließt sich schon aus der Internetseite. Und trotzdem schusterte der Richter offenbar ungehindert bereits seit vier Jahren dem Verein Geld zu.

Nach Angaben des Würzburger Landgerichts habe der Richter allerdings betont, er habe solches Geld auch einem örtlichen Sozialwerk, einer Lebenshilfe, einem Kinderzentrum und anderen Einrichtungen zugeleitet. Mit Bedacht habe er vor allem Institutionen aus Würzburg und Umgebung ausgewählt, damit das eingezogene Geld regional verwendet werde.

Mögliche Einrichtungen, die für solche richterlichen Zuweisungen in Betracht kommen, werden in Listen geführt. Um Aufnahme in solche Verzeichnisse dürfen sich gemeinnützige Institutionen bewerben. Die Ehefrau des Richters sieht im Gespräch mit der ddeutschen Zeitung dann auch gar kein Problem in diesen Zuweisungen.

Schon seit 2007 sei der Verein in so einer Liste eingetragen. Zu Hause, so stellt es die Vereins-Schatzmeisterin dar, habe man über die Zuwendungen gesprochen - aber "kein Problem" darin gesehen. Die Eheleute seien sich einig gewesen, dass man auf "der sicheren Seite" sei, wenn der Verein auf der besagten Liste erwähnt ist.

Dass nun der Verdacht der Vetternwirtschaft im Raum stehe, finde sie "sehr schade". Immerhin seien solche Zuweisungen "ein wichtiges Instrument der Vereinsfinanzierung". Ihr Mann habe bei dem Reitverein sicher sein können, dass das Geld in die Jugendarbeit investiert werde und "nicht etwa zur Finanzierung eines privaten Pferdes".

Im Justizministerium nimmt man die Verdachtsmomente sehr ernst

Gerade durch die persönlichen Einblicke ins Vereinsleben habe ihr Mann das bestens beurteilen können. Sie selbst sei in dem Verein schon Geschäftsführerin gewesen, auch Erste Vorsitzende, nun Schatzmeisterin. Der Richter ließ eine Anfrage am Dienstag unbeantwortet.

Auf der sicheren Seite? Die Reaktion aus dem Justizministerium lässt den Schluss zu, dass man das dort ganz anders sieht. Man nehme die Verdachtsmomente gegen den Richter "sehr ernst", erklärt eine Sprecherin. Es sei selbstverständlich, dass Richter bei ihren Entscheidungen nicht den geringsten Anschein von Parteilichkeit oder "Vetternwirtschaft" erwecken dürften.

Das Ministerium habe daher umgehend einen Bericht angefordert und die zuständige Präsidentin des Landgerichts Würzburg "gebeten, ein dienstaufsichtsrechtliches Verfahren einzuleiten". Die Präsidentin habe die in ihrem Bezirk tätigen Richter zudem explizit auf deren Pflicht hingewiesen, ihre Dienstaufgaben so wahrzunehmen, dass "das eigene Verhalten der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, das der Beruf eines Richters" erfordere. Offenbar war das nötig.

© SZ vom 05.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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