Franken:Was sich beim Fasching in Veitshöchheim ändert

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Fernsehfastnacht im besten Sinn: Veitshöchheim hat die eher abgestandene Konkurrenz vom Rhein in der Beliebtheit überholt. (Foto: David Ebener/dpa)
  • Am Freitagabend um 19 Uhr geht die Fränkische Fastnacht in Veitshöchheim wieder auf Sendung.
  • Die Karnevalssitzung hat die eher abgestandene Konkurrenz vom Rhein in der Beliebtheit überholt.
  • Millionen Fans können sich in diesem Jahr freuen: Neben den vielen altbekannten Stars soll die Show jetzt noch flotter werden.

Von Uwe Ritzer, Veitshöchheim

Flüchtlings- und Eurokrise, der VW-Skandal und die dunklen Geschäfte im Vatikan, die korrupte Fifa und Pegida. Steilere Vorlagen für Komiker, Kabarettisten und Fastnachts-Spötter gibt es kaum. "Das wird alles im Programm eine Rolle spielen", sagt Rüdiger Baumann. Sogar der Terror, auch wenn sich Witze darüber verbieten.

Aber es gibt ja Peter Kuhn, den fein ziselierenden Intellektuellen unter Deutschlands Büttenrednern, der auch über ein schwieriges Thema niveauvoll formulieren kann. Er tritt in diesem Jahr als normaler Bürger auf, der angesichts der politischen Verwerfungen die Nase voll hat und lieber über das Wetter reden will. Was dann wiederum hochpolitisch wird.

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"Wir wollen nicht den moralischen Zeigefinger heben und keine bösen Tritte verteilen", sagt Baumann, zuständiger Redakteur im BR-Studio Franken für die Fastnacht in Franken. Aber bissig und lustig werden soll sie schon, die Karnevalsshow, die am kommenden Freitag zum 29. Mal ausgestrahlt wird, live aus den Mainfrankensälen in Veitshöchheim.

Was sich Politiker und BR vom Fasching erhoffen

Im Publikum wird dort einmal mehr "nahezu das ganze bayerische Kabinett mit dem Ministerpräsidenten an der Spitze" sitzen, sagt Bernhard Schlereth, Präsident des Fastnachtsverbands Franken (FVF). Der eine Politiker originell, der andere weniger originell verkleidet. Hauptsache da und Hauptsache von der Kamera eingefangen. "Einen besseren PR-Termin, wo ich mehr Leute erreiche, gibt es für mich das ganze Jahr nicht", räumt ein bayerischer Staatsminister freimütig ein.

Der BR und der Fastnachtsverband hoffen auf einen ähnlichen Zuspruch wie voriges Jahr. Während den meisten Karnevalsshows im deutschen Fernsehen massenhaft die Zuschauer davonliefen, feierten die Macher der Narrenshow aus Unterfranken den neuen Rekord: Knapp vier Millionen Zuschauer bundesweit; in Bayern zeigte fast jedes zweite TV-Gerät die Fastnacht in Franken.

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Mit Pumps in Größe 47, aufgeklebten Fingernägeln und Klunkern am Hals: Markus Söder schlägt bei der Fastnacht in Franken alle. Als Marilyn Monroe tänzelt er in den Saal in Veitshöchheim. Dobrindt geht als Biest, Ude als Miraculix. Nur Seehofer ist leicht zu erkennen.

Seit Jahren ist die Sendung der Quotenrenner im bayerischen Fernsehen. Außer "mit den hervorragenden Künstlern", habe das damit zu tun, "dass die Fastnacht in Franken speziell für das Fernsehen konzipiert und inszeniert wird", sagt der nach 20 Jahren altersbedingt scheidende Regisseur Thomas Meissner. "Wir filmen nicht einfach eine Prunksitzung ab, sondern wir haben von Anfang an die Abläufe, die Dramaturgie und das Geschehen nach den Erfordernissen des Fernsehens ausgerichtet." Auf dass sich "nicht nur das Saalpublikum amüsiert, sondern genauso die Zuschauer zu Hause vor dem Fernseher".

"Wir legen zum Beispiel sehr großen Wert darauf, dass die Künstler nicht statisch aus der Bütt heraus ihre Texte ablesen, sondern auf der Bühne spielen und in Bewegung sind", sagt Schlereth, der auch Vizepräsident im Bund Deutscher Karneval ist und erst unlängst mit dem Ettlinger Narrenbrunnenpreis ausgezeichnet wurde, der angesehensten Karnevalsauszeichnung hierzulande.

Seit Wochenbeginn wird in Veitshöchheim geprobt. Wer in der Sendung auftreten darf, entscheiden BR und Fastnachtsverband lange im Vorfeld gemeinsam. Kandidaten müssen sich vorab in kleineren Faschingssendungen wie "Franken helau" und "Die närrische Weinprobe" warmlaufen und beweisen. Den Kern der Show bilden jedoch ihre etablierten Größen: die Fürther Komiker Volker Heißmann und Martin Rassau, der selbsternannte "Dregg-sagg" Michl Müller, Peter Kuhn, Bauchredner Sebastian Reich, Wortspieler Oliver Tissot und als oberpfälzischer Import die Altneihauser Feierwehrkapell'n. Und doch wird diesmal einiges anders sein.

"Nicht alles soll erwartbar sein"

"Wir haben das Programm gestrafft, einige Auftritte etwas gekürzt und bringen so mehr Tempo rein", sagt Bernhard Schlereth, "und es gibt auch einige Änderungen in den Abläufen." So wird Sitzungspräsident Bernd Händel seinen Platz für etwa eine Stunde räumen, um selbst auf der Bühne einen Mafioso zu geben, der einige Jahre im Knast saß und dort nicht nur Uli Hoeneß getroffen hat.

Büttenredner Peter Kuhn
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Er zählt zu den Intellektuellen in der Bütt: Peter Kuhn ist einer jener rar gewordenen Redner, die mit Sprachwitz brillieren und nie peinlich sind. Bei der Prunksitzung in Veitshöchheim gehört er zum Inventar - und überrascht jedes Jahr von neuem.

Von Uwe Ritzer

"Nicht alles soll erwartbar sein", sagt BR-Redakteur Baumann. So sollen Heißmann und Rassau, die zum 20. Mal dabei sind, diesmal mit Running Gags einen roten Faden durch die Sendung spinnen. Gerlinde Heßler aus Karlstadt kehrt als integrierte Türkin, die sich an deutschen Sprichwörtern abarbeitet, nach einigen Jahren Pause in die Sendung zurück, die für einige der Künstler die Funktion eines Durchlauferhitzers für ihre Karrieren erfüllte.

So gehören Heißmann und Rassau zu den Ganzjahres-Quotenbringern im bayerischen Fernsehen. Michl Müller, im ersten Leben Werkzeugmechaniker beim Schweinfurter Kugellagerhersteller SKF, füllt inzwischen nicht nur große Arenen. Er darf in diesem Jahr viermal im ARD-Hauptprogramm blödeln, beginnend an diesem Donnerstagabend.

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Der gelernte Bäcker Sebastian Reich ist nicht nur erfolgreich auf Tourneen unterwegs; er tauchte unlängst mit seiner Nilpferdpuppe Amanda auch auf RTL auf und ist einer von wenigen Unterhaltungskünstlern derzeit, die von Kindern bis zu betagten Senioren alle Altersklassen ansprechen.

"Es ist ein gegenseitiges Nehmen und Geben", sagt BR-Redakteur Baumann. Die Sendung helfe den Künstlern, und umgekehrt hilft deren Präsenz naturgemäß der Sendung.

© SZ vom 27.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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