US-Soldaten in der Oberpfalz:Wir waren Freunde

US-Soldaten: Fallschirmspringer üben in der Oberpfalz

US-Fallschirmspringer üben in der Oberpfalz.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Die Zeit der wilden Feiern in der Micky Bar ist vorbei. Heute ist die Stimmung zwischen den in der Oberpfalz stationierten US-Soldaten und den Deutschen schlecht. Nicht nur der NSA-Skandal und Drohnen tragen dazu bei.

Von Wolfgang Wittl, Grafenwöhr

So ein Kommandowechsel macht schon etwas her, da klatschen sogar Gäste, denen militärischer Pomp an sich suspekt ist. Strammen Schrittes marschieren drei Generäle an salutierenden Soldaten vorbei zum Mikrofon.

Wie ein Paradies sei dieses Bayern, ruft Walter E. Piatt, der scheidende Kommandeur am US-Stützpunkt Grafenwöhr, seinem Nachfolger zu, "the most beautiful part" aber komme den Menschen zu. Piatts Rat an den neuen Befehlshaber Christopher Cavoli: "Dieses majestätische Land wird dich in demselben Maß lieben, wie du Bayern lieben wirst."

Liebe? Zur US-Armee? Diese Vorstellung fällt vielen Menschen in der Oberpfalz nicht mehr ganz so leicht.

Elvis Presley absolvierte in Grafenwöhr ein Manöver

Das Joint Multinational Training Command (JMTC) ist das größte Ausbildungskommando des US-Militärs außerhalb der Vereinigten Staaten. Hier, in der Oberpfalz, schlägt das amerikanische Herz in Bayern. Etwa 9500 Soldaten sind an den Standorten Grafenwöhr, Vilseck, Hohenfels sowie im oberbayerischen Garmisch stationiert, mehr als 35 000 Soldaten kommen jährlich zum Üben hierher.

Auch der Panzerspäher Elvis Presley absolvierte in Grafenwöhr ein Manöver, doch so wie damals, Ende der Fünfzigerjahre, wird es wohl nicht mehr werden, das sagen inzwischen viele: Stellenabbau und Spionageskandal, Drohnen-Debatte und NSA-Affäre - so lauten die jüngsten Stationen einer schleichenden Entfremdung.

Etwas sei kaputt gegangen

Heidi Kaschner und Peter Braun stehen sich in politischen Grundsatzfragen vermutlich so nahe wie die USA und die Sowjetunion während des Kalten Krieges. Kaschner ist Kreisvorsitzende der Linkspartei in der mittleren Oberpfalz, Braun ein Bürgermeister der CSU in Schmidmühlen (Kreis Amberg-Sulzbach).

Doch wenn sie über das Verhältnis zur US-Army und im Speziellen über Drohnen sprechen, sind ihre Ansichten kaum zu unterscheiden. In der Bevölkerung herrsche ein Gefühl vor, die Amerikaner machten ohnehin, was sie wollen, sagt Braun. Ein Gefühl, dass etwas kaputt gegangen sei, "und gegen ein Gefühl können Sie schwer argumentieren".

"Die Zweifel an der Transparenz haben zugenommen"

Das Malheur mit den Drohnen etwa begann im vergangenen Jahr mit einer kleinen Zeitungsmeldung: Zwischen den 80 Kilometer entfernten Übungsplätzen Hohenfels und Grafenwöhr sollten zwei Korridore über zivilem Gebiet eingerichtet werden, um die unbemannten Flugzeuge günstiger auf dem Luftweg transportieren zu können. Gegner waren alarmiert.

Eine Anfrage der Linken im Bundestag ergab, dass das US-Militär schon seit zehn Jahren Drohnen im Sperrgebiet testet. Ohne Wissen der deutschen Öffentlichkeit. "Ich weiß nicht, was ich davon halten soll", sagt Heidi Kaschner. Nun, dass niemand etwas davon mitbekommen habe, beweise doch nur, dass die Drohnen nicht sonderlich störten, beschwichtigte ein US-Sprecher.

Nicht nur Kaschner und ihre Mitstreiter von der Bürgerinitiative "Keine Drohnen in der Oberpfalz" stellen sich seitdem aber die Frage, welche Geheimnisse die US-Armee sonst noch für sich behält. "Die Zweifel an der Transparenz haben zugenommen", beklagt auch der Amberger Landtagsabgeordnete Reinhold Strobl (SPD).

Ein ausgesucht höflicher Soldat

Immerhin: In dieser Woche wurde bekannt, dass die US-Streitkräfte vorerst doch keine Erlaubnis für Drohnenflüge über Wohngebieten beantragen wollen. Der Hersteller der Flugkörper sei nicht bereit gewesen, die vom Verteidigungsministerium geforderten technischen Details preiszugeben. Ob es dabei bleibt?

Brian Carlin ist ein ausgesucht höflicher Soldat. Ehe die Böllerschüsse zu Ehren des Kommandeurs die Luft erzittern lassen, warnt er die Umstehenden lieber zweimal, dass es nun gleich laut werde. Die Drohnen? Tja, sagt der US-Presseoffizier. Bislang seien doch gar keine außerhalb der Übungsplätze geflogen. Und ob es sich in Wahrheit nicht um wenige, dafür aber besonders lautstarke Beschwerden handele?

Kaschner findet: "Man kann den Amerikanern nicht trauen." Gleichzeitig traut sie ihnen alles zu. In der Oberpfalz kursieren Geschichten über ferngesteuerte Flugkörper, die fernab erlaubter Zonen umherschwirren. Gerüchte über Drohnen mit unerlaubten Kameras, über Industriespionage und Verstöße gegen den Datenschutz. Es sind Anekdoten des Argwohns. Demnächst will die Bürgerinitiative Mahnwachen veranstalten, vielleicht auch Friedensmärsche. Sie habe nichts gegen US-Soldaten, betont Kaschner. Vor allem dann, "wenn sie in ihrem Übungsplatz bleiben".

Die Gemeinde erwägt eine Klage

Die gut 2000 Bürger von Schmidmühlen leben seit Jahrzehnten in Nachbarschaft zum Übungsplatz Hohenfels. Wenn früher Panzer durch den Ort pflügten, sah dieser aus wie ein Schlachtfeld. Doch nach dem Manöver rückte der US-Geschirrmeister mit einem Bündel Geld an, die Sache war schnell aus der Welt.

Heute fallen die Schäden deutlich geringer aus, sagt Bürgermeister Braun, dafür koste das Gefeilsche mehr Nerven. Bald zwei Jahre warte Schmidmühlen auf das Geld vom letzten Manöver, die Gemeinde erwägt eine Klage. Das US-Militär versichert, es seien nahezu alle Schäden beglichen.

Lange hielt Bürgermeister Braun das Verhältnis zwischen Oberpfälzern und US-Armee für ein ausgewogenes Geben und Nehmen, doch "im Moment ist es mehr ein Geben von uns". Die Entfaltungsmöglichkeiten einer Gemeinde wie Schmidmühlen, die an militärisches Sperrgebiet grenzt, sind grundsätzlich beschränkt, hinzu kommen Umwelt- und Lärmbelastungen. "Wir haben 60 Kilometer eiserne Grenze", sagt Braun. Solche Nachteile nimmt man gerne in Kauf, solange der Nachbar wirtschaftlichen Wohlstand verspricht. Aber nun, da das Geld knapp wird?

Zivilbeschäftigte mussten Büros angeblich selbst putzen

In Grafenwöhr musste im vergangenen Jahr wegen der US-Haushaltssperre das deutsch-amerikanische Volksfest mit bis zu 100 000 Besuchern abgesagt werden. Zivilbeschäftigte mussten Büros zeitweise angeblich selbst putzen, weil die Army der Reinigungsfirma gekündigt hatte. 3200 Deutsche arbeiten an den JMTC-Standorten.

Ihre Zahl sinkt, und mit ihr die Akzeptanz für den Partner. 300 zivile Stellen sollen im vergangenen Jahr abgebaut worden sein, heuer sollen 200 folgen. Die Stimmung in der Belegschaft liege "weit unter dem Nullpunkt", schimpfte ein Betriebsrat. Die Staatskanzlei soll über den Stellenabbau per Fax abgespeist worden sein, Nachbargemeinden erfuhren gar nichts.

Vielleicht hätte die Kommunikation besser laufen können, räumt ein Garnisonssprecher ein. Tatsache sei aber auch, dass der Personalabbau sozialverträglich vonstatten gehe. Nur sechs Mitarbeiter seien 2013 entlassen worden, der Rest schied über Auflösungsverträge und Ruhestandsvereinbarungen aus. Für Schmidmühlens Bürgermeister Braun ist der Stellenabbau trotzdem ein weiterer Mosaikstein, "dass unsere Leidensbereitschaft, die mit den Übungsplätzen verbunden ist, abnimmt".

Hans-Martin Schertl hält die Diskussion für überzogen. Über vieles von dem, worüber sich mancher nun aufrege, werde doch bereits debattiert, seit die US-Streitkräfte sich hier niederließen. Er sagt: "Der Übungsplatz gehört mit allen Vor- und Nachteilen zu unserem Leben, wobei die Vorteile deutlich überwiegen."

Auf dem kurzen Dienstweg

Schertl ist Bürgermeister der Stadt Vilseck, als Deutscher befindet er sich hier in der Minderheit. Auf 6000 Einwohner kommen 5000 US-Soldaten und bis zu 9000 Familienangehörige. Die Stadt kassiert dafür Millionen Euro an Schlüsselzuweisungen. "Wir haben ein gutes Miteinander", versichert Schertl - oder zumindest keine Probleme, die sich nicht lösen ließen.

Wenn sich wie Anfang des Jahres eine Drohne nach draußen verirrt, klärt der Bürgermeister den Vorfall mit den US-Befehlshabern auf dem kurzen Dienstweg. Als junge US-Soldaten sich bis 5 Uhr morgens ungebührlich ausschweifend in Bars vergnügten, wurde die Sperrzeit eben um drei Stunden verlängert. Und wenn sich Obama und Merkel wegen der NSA-Affäre zoffen, "dann lachen wir hier darüber".

Unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor

Einen Stimmungsumschwung in den Beziehungen vermag Schertl jedenfalls nicht zu erkennen. Ob das deutsche Selbstbewusstsein zugenommen hat? Mag sein, sagt der Bürgermeister, doch vieles werde von deutscher Seite oft nur unnötig hochgekocht. Als ein Fernsehteam unlängst einen kritischen Beitrag über Drohnen drehte, sei er ausführlich interviewt worden. Gesendet wurde lediglich ein Satz von ihm. Die Journalisten seien wohl nicht an ausgewogener Berichterstattung interessiert gewesen, vermutet der Bürgermeister.

Trotz aller Kürzungen bleibt die US-Garnison Bavaria ein unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor: Aufträge für 327 Millionen Euro hat sie im vergangenen Haushaltsjahr laut eigenen Angaben an regionale Firmen vergeben, dazu kommen Löhne, Mieten, private Ausgaben von Soldaten - alles in allem 650 Millionen Euro im Jahr. Allein den Oberpfälzer Kliniken würden 1200 Geburten fehlen. "Wir brauchen die Amerikaner", sagt Richard Reisinger, der Landrat von Amberg-Sulzbach: "Ohne sie hätten wir hier eine große Wüste."

Gründung durch Prinzregent Luitpold

Vor ein paar Wochen hat der CSU-Mann mit dem Amberger Kreistag noch eine Resolution gegen die Drohnen verfasst, der Zorn auf den Partner war nicht mehr zu verhehlen. Inzwischen, sagt Reisinger, habe sich das Verhältnis wieder verbessert. Das US-Militär hätte sich zuletzt viel Mühe gegeben, die freundschaftlichen Beziehungen zu pflegen. Womöglich hatte ja jemand bemerkt, wie die Stimmung sich dreht.

Wer etwas über die alten Zeiten erfahren will, muss in eine Nebenstraße in Grafenwöhr gehen. Vor dem Kultur- und Militärmuseum steht ein einsames Rad, Besucher sucht man vergebens. Museumsleiter Hans Gleißner, Oberstleutnant a.D. der Bundeswehr und studierter Historiker, kann viel erzählen über die Gründung des Übungsplatzes vor gut hundert Jahren durch Prinzregent Luitpold und über die Übernahme durch die USA nach dem Krieg.

Die Beschlüsse fielen in Washington

Gleißner, 70, war nicht nur einmal mit von der Partie, wenn sein Kommandeur in der legendären Micky Bar einen Tisch für die Offiziere reservierte. Für den berühmten Auftritt Elvis Presleys war er zwar zu jung, doch wie es früher rund ging, als der Dollar noch etwas wert war, wie die Fäuste flogen, bis die Militärpolizei eingriff, das weiß Gleißner noch gut. Heute existiert die Micky Bar nicht mehr, in dem Haus ist jetzt eine Mormonen-Kirche.

Wilder seien die Zeiten gewesen, wilder und herzlicher. Dass das deutsch-amerikanische Verhältnis gelitten habe, schreibt Gleißner der Politik zu: Beschlüsse über Drohnen-Flüge und Stellenabbau fielen in Washington, die Soldaten hier müssten sie halt umsetzen. Da brauche sich niemand zu wundern, dass aus dem Miteinander mehr und mehr ein Nebeneinander wird.

Hunderte Millionen Euro für die US-Enklave

Das architektonische Sinnbild für dieses Nebeneinander ist in Netzaberg zu bestaunen, einem Wohngebiet zwischen Grafenwöhr und Eschenbach. 830 immer gleiche Häuser mit immer gleichen Vorgärten reihen sich in amerikanischer Vorstadtsymmetrie am John-F.-Kennedy-Ring oder der Dr.-Martin-Luther-King-Straße. In der Mitte, hinter einem mächtigen Stahlzaun, erheben sich Schule und Kindergarten. Auf der Zufahrt zur Siedlung lockt "Silvias Schnitzel Place", gegenüber gibt es Steckerl-Makrelen to go, wenn man so will.

Hunderte Millionen Euro kostete diese US-Enklave in der Oberpfalz - geschuldet wohl auch dem gestiegenen Sicherheitsbedürfnis seit den Anschlägen vom 11. September 2001. Errichtet wurde die Siedlung, weil die 172. Infanteriebrigade mit etwa 4000 Soldaten nach Grafenwöhr verlegt wurde. Die aber ist bereits wieder aufgelöst. Zwar kamen andere Einheiten als Ersatz, doch die Zahl der leer stehenden Wohnungen wächst, nicht nur in Netzaberg. Auch das beschäftigt Lokalpolitiker: Was passiert mit den Häusern, wenn die Army sich noch weiter zurückzieht?

Franz Zeilmann ist überzeugt, man müsse sich um die Zukunft keine Sorgen machen. Er arbeitet seit gut 30 Jahren für die US-Streitkräfte, hat sich zum Sprecher der Garnison Bavaria hochgearbeitet und vieles erlebt, was ihn an die Freundschaft der Länder glauben lässt. Bald wird er wieder zu Freunden in den USA reisen. Wer den Eindruck habe, zwischen Deutschen und Amerikanern knirsche es, der müsse nur eines der gemeinsamen Feste besuchen.

Militär als Gast und Partner

Brian Carlin, der freundliche Presseoffizier, lächelt Fragen nach möglichen Dissonanzen einfach weg. Die Army unternehme alles, um der Bevölkerung mit Respekt zu begegnen - mehr als je zuvor. Öffentliche Führungen gewähren einen Einblick in das Leben auf dem Übungsplatz, vom Militär verursachte Schäden würden tadellos hergerichtet, man verstehe sich als Gast und Partner der Menschen hier.

Wie auf Oberpfälzer Seite dann dieses seltsame Gefühl des Entfernens zu erklären sei? Vielleicht, sagt Carlin, habe sich das Verhältnis wie in einer guten Familie nur abgenutzt. Wie bei einem Vater und seinen Kindern: Irgendwann ziehen sie seine Worte in Zweifel, auch wenn es gar keinen Grund dafür gibt.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels wurden die Terror-Anschläge vom 11. September 2001 in den USA versehentlich auf den 9. September 2001 datiert. Der Fehler ist mittlerweile korrigiert.

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