Urteil über Zwangsruhestand für Politiker:Aufstand der Alten

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Er will bleiben: Gebhard Kaiser, CSU-Landrat im Oberallgäu. (Foto: picture alliance / dpa)

Wer Bürgermeister oder Landrat werden will, darf nicht älter als 65 Jahre alt sein. Darauf beharren CSU und FDP mit der Begründung, dass ältere Politiker nicht mehr so leistungsfähig seien. "Unfug", schimpfen die Betroffenen. Sie kämpfen gegen den Zwangsruhestand und hoffen ausgerechnet auf einen SPDler.

Von Christian Sebald

Der Oberallgäuer Landrat Gebhard Kaiser (CSU) zum Beispiel: Seit 40 Jahren ist der gelernte Käser und Diplom-Finanzwirt in der Kommunalpolitik. "Ich lebe für meine Heimat", sagt der 1,90-Meter-Mann. "Erst als Gemeinderat und Bürgermeister in meinem Heimatort Wiggensbach, dann zwölf Jahre als Vize-Landrat und nun seit 16 Jahren als Landrat." Nun soll die Ära Kaiser zu Ende gehen - aber nicht weil die Wähler ihrem Landrat überdrüssig geworden wären oder der 63-jährige Kaiser amtsmüde ist.

Die eigene CSU und die FDP verhindern, dass Kaiser bei der Kommunalwahl 2014 erneut kandidieren kann. Schwarz-Gelb hat im Landtag darauf beharrt, dass die bisherige Altersgrenze für hauptamtliche Bürgermeister und Landräte bleibt. Danach dürfen sie zu Beginn der Wahlperiode 2014 nicht älter als 65 Jahre sein. Der CSU-Mann Kaiser setzt nun auf den 74-jährigen SPD-Abgeordneten Peter Paul Gantzer. Der hat vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen das Gesetz geklagt. An diesem Mittwoch verkünden die Richter das Urteil.

Mit keiner anderen Regelung hat die Koalition die Kommunalpolitiker landauf landab so gegen sich aufgebracht wie mit der Altersgrenze für hauptamtliche Bürgermeister und Landräte. Seit Jahren kämpfen diese dafür, dass die Altersgrenze fällt. Aber auch diesmal stellten sich CSU und FDP stur: Erst einmal bleibt alles beim Alten - wer zu Beginn der neuen Wahlperiode 65 Jahre und älter ist, darf sich erst gar nicht mehr bewerben. Erst 2020 soll die Grenze auf 67 steigen. "Das ist Unfug", schimpft Kaiser, "als Landrat bin ich ein Politiker wie jeder andere - es geht nur die Wähler und mich was an, ob ich mich zur Wahl stelle oder nicht. Eine Altersgrenze ist eine Missachtung sondergleichen - den Wählern und uns gegenüber."

Kaisers Kollegen sehen das nicht anders. "Egal ob Bundespräsident, Kanzler oder Ministerpräsident - für keinen Politiker gilt eine Altersgrenze", sagt Jakob Kreidl, CSU-Landrat in Miesbach und Präsident des Landkreistags. "Nur für Landräte und die Bürgermeister gibt es eine." Kreidl, 60 und bis 2008 zwölf Jahre lang Landtagsabgeordneter, hat sich wie kein zweiter für den Verzicht auf sie eingesetzt. "Aber da war nichts zu machen", sagt er verärgert. "Die waren so was von uneinsichtig."

Uwe Brandl, 53, CSU-Bürgermeister in Abensberg und Chef des Gemeindetags, und der Nürnberger OB und Vorsitzende des Städtetags, Ulrich Maly (52 und SPD), sind auch sauer. "Es gibt eine Instanz, die besser weiß als jedes Gesetz, wer als Bürgermeister oder Landrat taugt, das sind die Wähler", sagt Maly. "Wenn ihnen einer zu alt ist, zu dacklert, wählen sie ihn ab."

Vorgeschobene Gründe

Wenig verwunderlich, dass die Kommunalpolitiker und der Kläger Gantzer all die Gründe für eine Altersgrenze nicht akzeptieren. CSU und FDP, aber auch das Innenministerium als oberste Kommunalbehörde verweisen stets darauf, dass Bürgermeister und Landräte ja nicht nur Politiker sind. Sondern Chefs von zum Teil sehr großen Verwaltungen. Als solche müssten sie so leistungsfähig wie Berufsbeamte in anderen Spitzenpositionen sein. Und für diese gelte ja auch eine Altersgrenze. Außerdem sei es eine "Binsenweisheit", dass mit steigendem Alter die Leistungsfähigkeit nachlasse. Und überhaupt, könnten Landräte und Bürgermeister weit über 65 hinaus im Amt bleiben - sie dürfen nur nicht zu Beginn der Wahlperiode 65 sein. Feiern sie ihren 65. nur einen Tag nach deren Beginn, können sie diese natürlich vollenden - auch wenn sie dann fast 71 sind.

Kreidl und andere halten all das nur für vorgeschoben. In Wahrheit, so heißt es, ging es um zwei Dinge. "Zum einen wollte man unbedingt eine erneute Kandidatur des Münchner SPD-OB Christian Ude verhindern", sagt ein hochrangiger CSU-Mann. Dem überaus beliebten Ude, der bei der Kommunalwahl 2014 bereits 66 Jahre alt ist, hat man durchaus zugetraut, dass er noch eine Periode dranhängt. "Das sollte nicht sein", sagt der CSU-Politiker. " Dass man sich damit einen ernsthaften Herausforderer für Ministerpräsident Horst Seehofer einhandelt, damit hat keiner gerechnet."

Der andere Grund seien die Landrats-Ambitionen etlicher CSU-Abgeordneter. "Einige haben sich längst fest darauf eingestellt, dass sie ihren Heimat-Landrat beerben, wenn der 2014 nicht mehr antreten darf", sagt der CSU-Mann. "Deshalb haben sie massiv gegen die Freigabe der Altersgrenze mobilisiert."

Wie auch immer: Der SPD-Mann Gantzer fuhr schweres Geschütz auf. Er begründete seine Klage mit der Gleichbehandlungsrichtlinie der EU. Schon allein wegen ihr dürfe niemand aus Gründen des Alters benachteiligt werden, sagt er. Bei der Landtagswahl 2013 kandidiert er selbstverständlich wieder. Beobachter indes mutmaßen, dass die Richter - angelehnt ans Berufsbeamtentum - die Altersgrenze von 67 für rechtens erklären könnten. Zumal eine Altersgrenze für Bürgermeister und Landräte ja in den allermeisten Bundesländer üblich sei.

Womöglich kassieren sie, dass 2014 noch die Grenze von 65 gelten soll. Schließlich traten bisher stets alle Änderungen des Wahlrechts zur nächsten Wahl in Kraft. Dem Oberallgäuer Landrat Kaiser würde so ein Spruch schon helfen. Denn er ist 2014 erst gute 65 Jahre alt. Ob er dann noch einmal antritt, ist noch nicht ausgemacht. "Denn dann berate ich erst einmal mit meiner Frau", sagt Kaiser. "Das habe ich ihr ganz fest versprochen."

© SZ vom 18.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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