Urteil:Protzig und motzig

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Marcus von Anhalt erhält erneut eine Haftstrafe - und wehrt sich

Donnerstag, kurz vor 9 Uhr, die Show beginnt. Der weiß-schwarze Rolls Royce Ghost fährt vor das Augsburger Strafjustizzentrum. Die blondierte Fahrerin macht sich nicht die Mühe, einen Parkplatz zu suchen. Sie fährt direkt vor den Haupteingang des Gerichtsgebäudes - fett rein ins Halteverbot. Auf dem Beifahrersitz sitzt mit Sonnenbrille und zum Spoiler hochgegelten Haaren Marcus Eberhardt alias Marcus von Anhalt alias Prinz Protz. Der Auftritt kann beginnen. Er steigt aus, zeigt den Kameras sein Dentagard-Lächeln und sein Glitzer-Totenkopf-Shirt und beginnt wie gewohnt über die "Augsburger Justiz" zu lästern. "Hier sind nur Dilettanten am Werk", schimpft er. Der Staatsanwalt habe bei seinem Plädoyer bewiesen, dass er "keine Ahnung vom deutschen Steuerrecht" habe. Deshalb werde er, Prinz Protz, heute "wieder rechtswidrig verurteilt". Aber er werde gegen das Urteil vorgehen. "Ich habe die Geduld und die Eier und vor allem habe ich das Geld dafür", tönt er.

Wenige Minuten später lässt er das Gericht warten, weil er noch mal schnell mit dem Handy am Ohr den Gerichtssaal 160 verlässt. "Wo ist der Angeklagte?", fragt die Richterin Anhalts Anwälte. Die zucken mit den Schultern. Nach kurzem Warten schneit der Möchtegern-Prinz, der zuletzt in der TV-Sendung Promi Big Brother aufgetreten war, wieder herein. Das Urteil kann verkündet werden. Es lautet auf drei Jahre Freiheitsstrafe. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass der Bordellbesitzer 640 000 Euro Steuern hinterzogen hat.

Der 49-Jährige darf den Gerichtssaal aber als freier Mann verlassen. Ob er die Haftstrafe antreten muss, entscheidet erst eine Strafvollstreckungskammer, sobald das Urteil rechtskräftig ist. Und das kann dauern. Anhalt kündigt Revision vor dem Bundesgerichtshof an. Die hatte er schon einmal beantragt - mit Erfolg. Im Januar 2015 war der gelernte Metzger zu vier Jahren Haft verurteilt worden, weil er seine zahlreichen Sportwagen von der Steuer abgesetzt hatte. Der Bundesgerichtshof hatte dieses erste Urteil zwar bestätigt, dabei aber auch moniert, dass der geschäftliche Anteil der Fahrzeugnutzung nicht ausreichend berücksichtigt worden sei.

Deshalb kam es nun zur Neuauflage vor einer anderen Kammer des Landgerichts. Diese reduzierte die Strafe um ein Jahr - und ermöglicht es damit, die Haft auf Bewährung auszusetzen. Anhalts Chancen stehen gut, da er bereits mehr als zwei Jahre in Untersuchungshaft saß. Nach der Urteilsverkündung verabschiedet sich der Angeklagte vom Staatsanwalt mit einem freundlichen "Ade", um sodann wieder in die Kameras zu schimpfen: "Die haben sie nicht mehr alle." Er werde die Strafe bei seinem Gang durch die Instanzen "Stüflein für Stüflein" abtragen, "Geld spielt keine Rolle". Dann zückt er sein Handy und filmt die Journalisten, wie sie ihn filmen. 10 Uhr, Abgang Prinz Protz. Sein Anwalt Olaf Langhanki lächelt zufrieden: "Dieser Prozess rechnet sich - über Facebook."

© SZ vom 23.09.2016 / stma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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