Urteil im Schreiber-Prozess:Grandiose Selbsterhöhung

Auf den ersten Blick geht es um Steuerbetrug. Auf den zweiten Blick wird klar: Schreiber hat einen weit größeren Schaden angerichtet - für den man ihn nicht belangen kann.

Hans Holzhaider

Im Rückblick könnte man geneigt sein, die Schmiergeldaffären des Karlheinz Schreiber in einem nostalgisch milden Licht zu sehen: Da geht es um Provisionen im zweistelligen Millionenbereich, die von Firmen wie Thyssen, Airbus und MBB bereitwillig und, wie man annehmen darf, nicht zum eigenen Nachteil bezahlt wurden, und um nicht bezahlte Steuern in Höhe von etwas mehr als sieben Millionen Euro.

Karlheinz Schreiber, Augsburg, Reuters

Karlheinz Schreiber: Mit einem Geständnis hätte er sich einen Strafrabatt verdienen können.

(Foto: Foto: Reuters)

In einer Zeit, in der von habgierigen Bankern im Handumdrehen Hunderte Milliarden Euro in den Sand gesetzt werden, in der ganze Volkswirtschaften am Rande des Abgrunds dahintaumeln, hat das eine etwas altbacken-kleinkarierte Anmutung, und diese ganze Geschichte spielt ja auch in einer Zeit, die mehrere politische Generationen zurückliegt - in der Zeit eines Franz Josef Strauß, als, zumindest in Bayern, Politik noch hemdsärmelig und ohne kleinliche legalistische Erbsenzählereien betrieben wurde.

Karlheinz Schreiber ist ein Fossil, eine Art Quastenflosser aus der politischen Kreidezeit, der sich dank seiner formidablen Anpassungsfähigkeit in unsere Tage herübergerettet hat. So einer gründet eben, wenn sich keine Flugzeuge und Schützenpanzer mehr verhökern lassen, auch schnell mal einen Instant-Nudel-Vertrieb.

Aber auf den zweiten Blick waren die Geschäfte des Herrn Schreiber doch nicht ganz so harmlos. Sicher, das Zahlen von Schmiergeldern - "nützlichen Aufwendungen", wie man das damals nannte - war bis in die 1990er Jahre eine allgemein übliche und von den Finanzämtern ausdrücklich tolerierte Praxis, solange das Geld an ausländische Empfänger floss.

Dass Schreiber diese Klippe umschiffte, indem er die Millionenbeträge über ausländische Briefkastenfirmen auf seine Schweizer Konten lenkte, macht ihn zu einem gewöhnlichen, wenn auch raffinierten Steuerbetrüger, erklärt aber noch nicht, warum er für die deutsche Justiz nachgerade zur Symbolfigur für die politische Sumpfblütenflora der Ära Strauß und Kohl avancierte.

Diesen fragwürdigen Ruhm verdankt er seiner Neigung, sich in grandioser Selbsterhöhung, ähnlich wie sein Idol Franz Josef Strauß, als quasi außerhalb des Gesetzes stehend zu betrachten, als einen master of the universe, den großen Strippenzieher im politischen Marionettentheater, der an jedem Finger eine dieser armseligen Beamtenseelen tanzen lässt, die für ein paar lumpige Millionen vor ihm zu Kreuze kriechen.

Schreiber hat die politische Kultur in Deutschland korrumpiert, er hat dazu beigetragen, das Politik und Wirtschaft in den Generalverdacht der Bestechlichkeit gerieten. Der Schaden, den er damit angerichtet hat, übersteigt bei weitem den Wert der Steuern, die er dem Fiskus vorenthalten hat, und für diesen Schaden kann ihn, leider, kein Strafgericht haftbar machen.

Der Steuerprozess vor dem Augsburger Landgericht war dagegen eine eher schlichte Angelegenheit. Der Vorsitzende Richter Rudolf Weigell reduzierte ihn in souveräner Weise auf seinen wesentlichen Kern. Das Gericht musste nicht wie bei den Thyssen-Managern Maßmann und Haastert und - versuchsweise - bei Max Strauß den Nachweise führen, dass und gegebenfalls wie viel Geld tatsächlich geflossen war.

Angesichts der nahezu lückenlosen Bankunterlagen aus der Schweiz konnten die Zahlungsflüsse minutiös belegt werden, und es blieb nicht der Schatten eines Zweifel, dass Schreiber selbst über die Beträge nach seinem Gutdünken verfügte.

So klar lag das zutage, dass die Taktik der Verteidigung, Schreiber schweigen zu lassen, von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Sie hat dem Angeklagten auch geschadet, denn durch ein frühzeitiges, umfassendes Geständnis hätte sich Schreiber einen erheblichen Strafrabatt verdienen können.

Falls Schreiber die Hoffnung hegt, der Bundesgerichtshof werde, wie bei Maßmann, Haastert, und Max Strauß - das Urteil zu seinen Gunsten abändern, wird er enttäuscht werden. Sein Fall liegt anders, die Beweise sind lückenlos, das Augsburger Urteil wird mit großer Wahrscheinlichkeit Bestand haben.

Aber vielleicht muss man damit rechnen, dass demnächst die Küchen der bayerischen Justizvollzugsanstalten mit Schreiber'schen Instantnudeln beliefert werden.

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