Urteil im Reichenhall-Prozess:Freispruch für den "Statikpapst"

Lesezeit: 1 min

Drei Jahre vor dem Einsturz der Eishalle von Bad Reichenhall bescheinigte er dem Gebäude einen guten Zustand - wegen dieser Einschätzung, so der Vorwurf, soll der Bauingenieur mitverantwortlich am Tod von 15 Menschen sein. Nun ist das Urteil im Revisionsprozess gesprochen worden.

Trägt er eine Mitschuld am Tod von 15 Menschen? Seit September musste sich ein 58 Jahre alter Mann vor dem Landgericht Traunstein verantworten. Als Gutachter hatte er drei Jahre vor dem Einsturz der Eislaufhalle von Bad Reichenhall dem Gebäude einen guten Zustand bescheinigt. Am 2. Januar 2006 waren bei dem Einsturz 15 überwiegend junge Menschen gestorben.

Nach dem Unglück am 6. Januar 2006 herrschte in Bad Reichenhall tagelang Trauer. (Foto: dpa)

Im Revisionsprozess um die verheerende Katastrophe ist der wegen fahrlässiger Tötung angeklagte Mann nun erneut freigesprochen worden. Nach Ansicht des Gerichts ist der Bauingenieur nicht für das Unglück mitverantwortlich. Sein Freispruch im ersten Prozess war 2010 vom Bundesgerichtshof kassiert worden.

Damit folgte das Gericht der Forderung der Verteidigung, die auf Freispruch plädiert hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte eine zweijährige Bewährungsstrafe gefordert. Nicht nur nach Überzeugung der Verteidiger saß in dem Prozess der Falsche auf der Anklagebank. Selbst mehrere Nebenkläger warfen der Staatsanwaltschaft vor, nach dem ersten Verfahren neue Ermittlungen gegen städtische Verantwortliche unterlassen zu haben. So trat die Verjährung bei fahrlässiger Tötung ein und konnten keine Beamten mehr angeklagt werden.

Nebenkläger Robert Schromm - er verlor bei dem Unglück seine Frau - nannte dies einen Justizskandal. "Die wahren Verantwortlichen wurden der Reihe nach vor Gericht vorgeführt, aber nicht als Angeklagte, sondern als Zeugen." Eine Anzeige gegen den Chefermittler wegen Strafvereitelung im Amt blieb ohne Folgen.

Nach Ansicht von Verteidiger Rolf Krüger wäre das Unglück zu verhindern gewesen, wenn Hinweise auf Jahrzehnte zurückliegende Baumängel der Halle im Rathaus gehört worden wären. "Die Stadt hat so lange nichts getan, bis es nichts mehr zu tun gab", hatte der Anwalt in seinem Plädoyer gesagt.

Für die Staatsanwaltschaft hatte der Bauingenieur jedoch seine Pflicht als Gutachter verletzt. Er hätte auch bei einer Studie für lediglich 3000 Euro erkennen müssen, dass Leimfugen in Dachbalken defekt waren, argumentierte die Anklage. Auch hätte dem im Rathaus als "Statikpapst" geschätzten Bauingenieur das Fehlen der geprüften Statik auffallen müssen. Dies sah das Gericht offensichtlich anders.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: