Unwetter in Bayern:"Als würde es hier kein Morgen geben"

Unwetter in Süddeutschland

"Alles hinüber": Eine zerstörte Straße in der Nähe von Flachslanden.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Wenn ein Bach in wenigen Minuten zum gewaltigen Strom anschwillt: Ein Besuch in dem mittelfränkischen Ort Flachslanden, über den das Chaos hereingebrochen ist.

Von Olaf Przybilla, Flachslanden

In Johann Hufnagels Autowerkstatt brach sich das Wasser kurz vor Mitternacht Bahn. Erst drückte es in die eine Gerätehalle, danach hielt das Tor zur anderen Halle dem Druck nicht mehr stand. Am Morgen danach schaut Hufnagel auf die elektrischen Anlagen seines Betriebs, soweit er sie noch zu erkennen vermag unter der Brühe, die in seinem Betrieb steht. "Alles hinüber", sagt er, und schiebt gleich hinterher, dass er ja noch Glück gehabt habe. Immerhin standen sämtliche Autos und Oldtimer in der anderen, der neuen Halle, die etwas weiter entfernt ist vom Flüsschen Zenn. Und im Nachbardorf von Buch, in Sondernohe, habe es die Leute noch viel schlimmer erwischt. "Bei mir ist es ja nur die Technik", sagt Hufnagel.

Es gibt mehrere Schauplätze in Bayern, an denen die Gewitterfront in der Nacht zu Montag, kurz nach dem Länderspiel in Augsburg, gewütet hat. In Franken und Niederbayern rutschten Hänge ab. In der Oberpfalz prallte auf der Strecke zwischen Regensburg und Weiden ein Zug gegen einen Baum, der auf die Gleise gestürzt war, verletzt wurde niemand. Im Kreis Straubing-Bogen wurde eine Frau beim Telefonieren von einem Blitz getroffen und leicht verletzt.

In Schwaben wurden Straßen überflutet, bei Illertissen stand das Wasser auf einer Straße bis zu 20 Zentimetern hoch. In Hohenthann im Kreis Landshut prasselten in der Nacht 65 Liter vom Himmel. Im Durchschnitt fallen 90 Liter pro Quadratmeter in Bayern, das aber im gesamten Monat Mai. Nirgends hat das Unwetter so arg gewütet wie in den Dörfern entlang der Zenn und im Tal der Fränkischen Rezat.

Vor allem in Sondernohe, einem Ortsteil von Flachslanden im Kreis Ansbach, können sie am Tag danach noch gar nicht glauben, was da über sie hereingebrochen ist. "Vieles hab' ich mir vorstellen können", sagt Johann Sand, der gerade durch das ehemalige Gästezimmer seines Hauses watet. Nicht aber, dass der örtliche Bach, ein plätscherndes Zuflüsschen der Zenn, mal mehr als einen Meter hoch durchs Dorf rauschen würde. Das sprenge auch zwölf Stunden danach noch seine Vorstellungskraft. Man höre so oft von Jahrhunderthochwasser, sagt Sand. "Aber bei uns war es innerhalb weniger Stunden so, als würde es hier kein Morgen geben."

Offenbar, sagt der Einsatzleiter der Feuerwehr, hatte sich das Wasser auf den Feldern und Wiesen über Sondernohe gesammelt, bis es wie ein Sturzbach in den Ort schoss. In einem der Nachbargärten der Sands steht ein Auto vor einer Hauswand, die verhindert haben dürfte, dass der Wagen einfach aus dem Dorf getrieben wurde. Auch das Wirtshaus hat es voll getroffen, die Wirtin flucht, der Keller steht unter Wasser. Am Stammtisch stehen noch halb volle Gläser, so überfallartig mussten die Gäste das Haus verlassen. Entlang der Hauptstraße durch den Ort türmen sich vor nahezu jedem Haus Möbelberge. Und daneben gluckert der Bach. Braun gefärbt zwar, aber friedlich wie eh und je. "Das war wie so ein Monsunregen", sagt einer der Männer, die beim Aufräumen helfen, "es ging alles so unfassbar schnell."

In der Nacht haben sie in Sondernohe befürchtet, ihre Häuser könnten einstürzen angesichts der Wassermassen. Das, beruhigt Landrat Jürgen Ludwig, ist dem Ort glücklichweise erspart geblieben. Einsturzgefahr bestand am Montag keine, aber es dürfte lange dauern, bis es in Sondernohe wieder so ist wie vor Sonntagnacht. Und bis Reinhart Schmenger am mittleren Lauf der Zenn wieder trocken in sein altes Mühlhaus kommt. "Wir leben hier jetzt erst mal auf einer Insel", sagt er.

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