Untermerzbach:Verdächtige Todesfälle in Seniorenheim

Untermerzbach: An der Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf wird derzeit gebaut. Mehr Staub wirbeln allerdings die Haftbefehle gegen führende Mitarbeiter auf.

An der Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf wird derzeit gebaut. Mehr Staub wirbeln allerdings die Haftbefehle gegen führende Mitarbeiter auf.

(Foto: Matthias Hoch)

Geschäftsführerin und Pflegedienstleiter von Schloss Gleusdorf sind wegen des Verdachts auf Totschlag in Haft. Mitarbeiter berichten von gefälschten Dokumenten, zu wenig Essen und ruhiggestellten Bewohnern

Von Olaf Przybilla, Untermerzbach

Die Seniorenresidenz im unterfränkischen Schloss Gleusdorf preist sich selbst als "Haus zum Wohlfühlen" an. Bewohner sollen sich dort einmal im Leben wie "Schlossherren" fühlen dürfen. So die Eigenwerbung. Am Donnerstag aber herrscht in dem Heim im Kreis Haßberge ein barscher Ton am Telefon: "Seniorenresidenz, Grüß Gott. Keine Auskunft, auf Wiedersehen." Am Vormittag hat die Staatsanwaltschaft zwei Haftbefehle "wegen dringenden Verdachts des Totschlags" gegen die Geschäftsführerin und den Pflegedienstleiter des Heims beantragt.

Nach Angaben des Bamberger Oberstaatsanwalts Otto Heyder gehen die Ermittlungen auf zwei Anzeigen zurück, beide gingen vor etwa sechs Monaten ein. Aufgrund dieser leitete die Staatsanwaltschaft Verfahren gegen Verantwortliche der "Seniorenresidenz" ein, zunächst wegen des Verdachts der Misshandlung von Schutzbefohlenen. In dem Heim sollen Medikamente ausgetauscht und unangemessene Sanktionen gegenüber Heimbewohnern ausgesprochen worden sein. Auch wegen diverser Vermögensdelikte ermittelte die Staatsanwaltschaft zunächst. Nachdem mehrere Zeugen vernommen wurden, weiteten sich die Vorwürfe aber erheblich aus.

Vor etwa drei Wochen, erklärt Staatsanwalt Heyder, hätten Zeugen erstmals Vorwürfe geäußert, denen zufolge es durch fehlerhafte medizinische Versorgung sogar zu Todesfällen im Heim gekommen sein könnte. Zeugen berichteten überdies, dass Heimbewohner nicht hinreichend behandelt oder, trotz offenkundiger gesundheitlicher Probleme, nicht ins Krankenhaus eingewiesen wurden. Auch dies habe zum Teil dramatische Folgen gehabt. In einem Fall soll die Heimleitung nach dem Sturz eines Senioren über Tage hinweg keinen Arzt hinzugezogen haben, obwohl sich der Zustand des Mannes drastisch verschlechterte. Der Bewohner, so der Verdacht, könnte deshalb gestorben sein.

Man habe diese Zeugenaussagen "eingehend" geprüft, erklärt der Staatsanwalt. Dabei erhärteten sich die Verdachtsmomente offenbar massiv. Der Pflegedienstleiter und die Geschäftsführerin kamen am Donnerstag in Haft. Außerdem wurden mehrere Objekte in Franken durchsucht. Nach Angaben eines Sprechers wird das Bamberger Amtsgericht am Freitag entscheiden, ob beide weiter in Haft bleiben.

In dem Heim für etwa 80 Senioren wurden Behandlungsunterlagen und Dienstpläne sichergestellt. Auch gegen einen im Seniorenheim tätigen Arzt wird ermittelt. Er soll unrichtige Gesundheitszeugnisse ausgestellt haben. Auch Objekte dieses Arztes wurden durchsucht, Patientenunterlagen betroffener Heimbewohner sichergestellt. Für dieses Verfahren soll ein rechtsmedizinischer Sachverständiger hinzugezogen werden. Die Auswertung aller Dokumente werde "einige Zeit" in Anspruch nehmen, erklärt Heyder. Weitere Auskünfte wollen Ermittler in dieser Zeit nicht geben.

Nach Angaben einer ehemals im Schloss tätigen Mitarbeiterin soll ihr verboten worden sein, einen Arzt für einen gestürzten Senior zu verständigen, obwohl eine Gesichtshälfte das Bewohners mit Blut unterlaufen gewesen sein soll. Man habe ihr die Sprachregelung mitgeteilt, der Senior habe sich an einem Einrichtungsgegenstand gestoßen. Der Zustand des Mannes habe sich dann zunehmend verschlechtert. Wenige Tage später sei der Mann gestorben. Andere Ex-Mitarbeiter sprachen im Bayerischen Rundfunk davon, Heimbewohner seien willkürlich, jedenfalls ohne erkennbare Dokumentation oder ärztliche Anordnung, mit Medikamenten "ruhiggestellt" worden. Auch von gefälschten Patientendokumenten und zu wenig Personal ist die Rede. Angeblich sollen Senioren zu wenig Essen bekommen haben und beschimpft worden sein, zumindest hinter vorgehaltener Hand. Bei Kontrollen sollen die Zustände systematisch vertuscht worden sein.

Dem in Bamberg erscheinenden Fränkischen Tag erzählten ehemalige Mitarbeiter sogar die Geschichte, wonach das Konto eines Verstorbenen geplündert worden sei - durch nachträgliche Abbuchung von Pflegeleistungen. Damit konfrontiert hatte die Heimleitung von einem "Rachefeldzug" gesprochen. Man habe sich im Frühjahr von Mitarbeitern trennen müssen. Die Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage. Der medizinische Dienst habe keine Mängel gesehen, die Heimaufsicht des Landkreises habe erst kürzlich keine Besonderheiten festgestellt. Dies bestätigte am Donnerstag das zuständige Landratsamt: Das Heim sei erst am 16. November kontrolliert worden. Dabei habe man, wie auch bei Kontrollen zuvor, "keine erheblichen Mängel" gesehen. Man habe deshalb "keine Anordnungen erlassen oder Auflagen verhängt".

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