Unterfranken:Getötete Elfjährige - Justizangestellter hat absichtlich geschossen

Verdächtiger nach Todesschuss auf Elfjährige festgenommen

Polizeifahrzeuge stehen in Oberaurach in der Nähe des Ortes, an dem das elfjährigen Mädchen in der Silvesternacht erschossen wurde.

(Foto: dpa)
  • Knapp zwei Wochen nach einem tödlichen Schuss auf eine Elfjährige im unterfränkischen Unterschleichach hat die Polizei einen Mann nun festgenommen
  • Es handelt sich dabei um einen Nachbarn, der in Sichtweite zum Tatort wohnt.
  • Er hat bereits gestanden, mit Absicht auf die feiernde Menschenmenge auf der Straße geschossen zu haben. Töten habe er jedoch niemanden wollen.

Von Olaf Przybilla und Katja Auer

Geradezu erleichtert soll der Mann gewesen sein. Erleichtert, dass sie ihn erwischt haben. Den Mann, der in der Silvesternacht im unterfränkischen Unterschleichach ein elfjähriges Mädchen erschossen haben soll. Am Dienstag nahm ihn die Polizei fest, am Mittwoch erließ die Ermittlungsrichterin Haftbefehl wegen Mordes.

"Er stand unter starkem psychischen Druck", sagte Oberstaatsanwalt Christopher Rosenbusch, als die Ermittler am Mittwoch vor die Presse traten. Sichtlich erleichtert, dass sie den 53-Jährigen erwischt haben. Der Tod des Mädchens erschütterte den 400-Seelen-Ort im Steigerwald. Die Elfjährige war eine Stunde nach Neujahrsbeginn von einem Projektil am Kopf getroffen worden und starb wenige Stunden später im Krankenhaus.

Wer der mutmaßliche Täter ist

Knapp zwei Wochen später ist der mutmaßliche Täter nun gefasst. Ein Nachbar, einer, der in Sichtweite zum Tatort wohnt. Er war als Kraftfahrer in der Justizvollzugsanstalt Ebrach angestellt, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager.

Seit längerem soll der Mann psychische Probleme haben, er sei deswegen auch in Behandlung gewesen. Im Dienst sei der Mann jedoch nie aufgefallen. Offenbar hatte er die Trennung von seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind vor einigen Jahren nicht verkraftet.

Wie die Ermittler auf den Mann gekommen sind

Das Landeskriminalamt hatte Spuren auf dem Projektil festgestellt, mit dem die Elfjährige erschossen wurde. Diese stammen offenbar aus der Kleinkaliberwaffe des 53-Jährigen. Die Ermittler hatten in den vergangenen Tagen Waffenhalter aus der Region überprüft, die im Waffenregister des Landratsamtes festgehalten sind.

Bereits am Neujahrstag waren die Waffenbesitzer des Ortes gebeten worden, ihre Waffen freiwillig überprüfen zu lassen. Auch der mutmaßliche Täter hatte seine beiden Kleinkaliberwaffen abgegeben. Mehr als 60 Waffen wurden überprüft, sagte Polizeisprecherin Kathrin Thamm. Das habe einige Zeit gedauert. Seine Waffe könnte die Tatwaffe sein, ein Gutachten muss das aber noch endgültig klären.

Warum der Mann schoss

Der Mann machte sich verdächtig, als er falsche Angaben zum Silvesterabend machte. Nach einer Hausdurchsuchung am Dienstag habe er ein erstes Geständnis abgelegt, das er vor der Ermittlungsrichterin wiederholt habe. So will er am Abend zunächst auf der Couch eingeschlafen sein und gegen Mitternacht von feiernden Menschen auf der Straße und dem Krach von Böllern geweckt worden sein.

Wütend sei er gewesen und ärgerlich "wegen der Stimmung und wegen seiner persönlichen Situation", sagte Ohlenschlager. So habe er die Waffe aus dem Keller geholt und aus dem Garten in die feiernden Menschen auf der Straße geschossen. Er habe jedoch weder gezielt auf das Mädchen geschossen noch überhaupt jemanden töten wollen. Das jedoch bezweifelt die Staatsanwaltschaft. Es wird wegen Mordes ermittelt.

Wie die Familie und das Dorf auf die Festnahme reagierten

Im SZ-Gespräch sagte der Bürgermeister von Oberaurach, Thomas Sechser, er fühle etwas zwischen "Schock und Erleichterung". Schock deshalb, weil es offenbar ein Mann aus dem Dorf gewesen war, der die Schüsse abgegeben habe. Unterschleichach zählt etwa 400 Einwohner.

Erleichterung deshalb, weil er und viele andere Einwohner in der Kommune Angst gehabt hätten, der Fall könnte womöglich niemals aufgeklärt werden. Es hätten in den vergangenen Tagen sehr viele Gerüchte in der Ortschaft kursiert. Es seien darüber womöglich auch persönliche Beziehungen zerbrochen. Dass es nun wohl ein Mann seines Alters gewesen war, verstöre ihn sehr. "Ich bin ehrlich gesagt davon ausgegangen, dass es ein jüngerer Mensch gewesen sein könnte", sagte Sechser.

Woher die Waffe stammt

Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Ebrach, Gerhard Weigand, wollte sich auf Anfrage nicht zu der Festnahme äußern. Nach SZ-Informationen wurde die persönliche Habe des Mannes in der JVA am Dienstag ebenfalls von Ermittlern durchsucht. Ohlenschlager betonte, dass der Mann im Dienst keine Waffen getragen und auch keine Gefangenen betreut habe.

Der Mann besaß privat legal vier Schusswaffen, weil er früher im Schützenverein war. Zwei davon waren Kleinkaliberwaffen. Einer Bekannten des Mannes zufolge arbeitete der 53-Jährige schon mehr als zehn Jahre in der Justizvollzugsanstalt, zuvor habe er einen anderen Beruf ausgeübt.

Was die Familie zur Festnahme sagt

Der Vater der Elfjährigen äußerte sich erleichtert. In einem Interview mit dem Fernsehsender Sat 1 Bayern sagte er, er würde dem Menschen, der seine Tochter getötet habe, gerne in die Augen schauen. "Er hat mir mein Kind genommen, und ich würde ihn gerne mal fragen, was er sich dabei gedacht hat", sagte der Vater. Er habe in den knapp zwei Wochen seit dem Tod seiner Tochter kaum geschlafen, aber die Hoffnung nie aufgegeben, dass der Todesschütze doch noch entdeckt werde.

Auch die Tante des Mädchens äußerte sich in dem Interview. Man habe jetzt viele Fragen an den Schützen: "Warum musste das so stattfinden? Was hast du in dieser Nacht getan? Warum benutzt du an Silvester eine Waffe? Was fällt dir überhaupt ein?" Der Täter habe auch das Leben der Angehörigen des Mädchens zerstört. "Und das wollen wir ihm auch sagen. Er soll wissen, was er angerichtet hat."

Immerhin bestehe nun nach der Festnahme des Mannes die Hoffnung, mit der Tat abschließen und in Ruhe trauern zu können.

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