Unter Bayern:Ein Hoch auf den Schlepplift

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Frühlingsskifahren in Bayern - gemütlicher geht's kaum. Im Schneckentempo den Berg hoch, dann erst mal ab in den Liegestuhl. Den ganzen Tag rumfläzen, dann die Talabfahrt, und statt Après Ski Presssack und Blutwurz. Alles herrlich unperfekt

Von Sebastian Beck

Das Skifahren in Bayern gewinnt seinen besonderen Reiz dadurch, dass meistens kein Schnee liegt. Der Winter hat in diesem Jahr ja erst im März richtig angefangen, an Ostern kann man sich ein letztes Mal vom altehrwürdigen Sessellift von Bayrischzell aufs Sudelfeld hochhelfen lassen, wo die Kunstschneepisten ausapern und sich in der Nachmittagssonne eine angenehme Wurstigkeit aufs Gemüt legt.

Es ist eine Art Bleischwere, ein sehr spezielles Frühjahrsgefühl, das sich beim Blick aufs grüne Tal einstellt. Ein Zustand ohne jegliche Ambitionen, weder im Sport oder Beruf noch im Privatleben. Selbst der letzte Rest von Ehrgeiz und Zweifeln verdampft im Liegestuhl vor der Speckhütte. Die Bibel erwähnt das Frühlingsskifahren übrigens im 1. Buch Mose: "Und Gott sah, dass es gut war." Und ja, es wäre sogar noch besser, wenn man nicht zu faul wäre, um sich einen Jagertee zu holen. Dann müsste man aber aufstehen, was das innere Gleichgewicht gefährden könnte.

Überhaupt, die Schlepplifte auf dem Sudelfeld: Sie sind so lang und langsam, dass man sich für die Fahrt Proviant mitnehmen sollte oder lieber gleich mit Tourenski aufsteigt, wenn man es eilig hat. Es soll ja Menschen geben, die glauben, sie müssten den Bügel zwischen die Zähne nehmen, weil sie noch nie zuvor mit einem Schlepper gefahren sind. In den Industriegebieten des Wintersports sind Schlepplifte längst ausrangiert worden, weil sie es zu gemütlich angehen lassen. Schlepplifte sind Leistungsverweigerer und Müßiggänger, sie passen deshalb zum Frühlingsskifahren in Bayern.

Langläufern sei der Bretterschachten im Bayerischen Wald empfohlen. Die Loipen führen durch eine Gegend, die so abgelegen ist, dass sie bei der Schneeschmelze vergessen wird. Das Beste am Bretterschachten aber ist das Après-Ski: Das gibt es hier nicht, es sei denn, man rechnet eine Brotzeit mit roten Presssack und Blutwurz dazu. Oder das Weißwurstseminar bei der Metzgerei Einsle in Bodenmais, das aber schon wieder mehr zum Kulturprogramm zählt.

Die Skigebiete in Bayern leben davon, dass sie im Gegensatz zu Österreich oder Südtirol unperfekt wirken. Es quietscht und schaukelt und selbst für die Schneekanonen ist es hier oft zu warm. Aber an diesem Wochenende wird es wieder, nun ja, zum Dahinschmelzen.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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