Unter Bayern:Die Umwertung der Werte

Bei den Jamaika-Sondierern fallen besonders Andreas Scheuer und Alexander Dobrindt auf. Beide geben sich als Bewahrer des wahrhaftig Wertvollen. Handeln dann aber völlig anders

Kolumne von Franz Kotteder

Nach allem, was man so aus Berlin hört, scheint sich unsere geschätzte kleine Regionalpartei mal wieder mächtig aufzuführen. Aus lauter Angst, noch kleiner zu werden, poltern CSU-Generalsekretär Andi Scheuer und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt herum, als gehörten sie zu den ganz Großen. Man sieht vor dem geistigen Auge die anderen Jamaika-Sondierer, wie sie sich gegenseitig peinlich berührt anschauen und insgeheim denken: "Mein Gott, kann Mutti die nicht endlich rausschicken, damit sie woanders spielen?"

Das Bemerkenswerte an den beiden Helden ist ja, dass sie unablässig so tun, als ginge es ihnen um tiefste Überzeugungen und unverrückbare Werte. In Wirklichkeit fordern sie dann aber das genaue Gegenteil. Womöglich würden sie auch den Islam zum Christentum erklären, wenn es dafür eine Mehrheit gäbe oder sich wenigstens finanziell irgendwie auszahlen würde. Jedenfalls machen sie das so, wenn es etwa darum geht, Heimat und Landschaft zu pflegen und zu bewahren. Das lässt sich laut Scheuer und Dobrindt nur machen mit Kohlestrom und Verbrennungsmotoren. Weil das ja klar ist, um mit Edmund Stoiber zu sprechen. Und auch die Familien sind der CSU viel wert. Deshalb ist es wichtig, Familienzusammenführung zu verhindern. Jedenfalls, wenn diese Familien aus Fluchtgründen getrennt sind. Die Fans von Scheuer und Dobrindt sagen, die hier Angekommenen könnten doch jederzeit zu ihren Familien zurückkehren, der Krieg in Syrien sei ja praktisch aus. Ein Land ist also offenbar sicher, wenn dort politisch Andersdenkende ermordet oder zu Tausenden ins Gefängnis gesteckt werden? So gesehen wäre auch Nazideutschland ein sicherer Herkunftsstaat gewesen.

Wenn man das hört, dann kriegt man richtig Ehrfurcht vor den Vätern des Grundgesetzes, die Moral und christliche Werte selbst in Zeiten hochgehalten haben, als ihr Land völlig am Boden lag. Wie das Grundgesetz bei heutigen, im Wohlstand lebenden Demokraten mit ihrer Umwertung der Werte wohl aussehen würde? Man mag es sich nicht ausmalen.

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