Uniklinik Erlangen wehrt sich:Probleme mit der Leber

Das Transplantationszentrum in Erlangen soll geschlossen werden, weil die Sterberate nach Lebertransplantationen weitaus höher sein soll, als dies europäischen Standards entspricht. Nun wehrt sich die Uni-Klinik gegen eben jenes Gutachten - das sei "zweifelhaft".

Von Dietrich Mittler, Erlangen

In Erlangen werden auch in absehbarer Zeit Lebern transplantiert. Dies regelt ein am Mittwoch unterzeichneter Kooperationsvertrag zwischen den Transplantationszentren Erlangen-Nürnberg und München-Großhadern. Doch die Zukunft des mittelfränkischen Leber-Transplantationszentrums hängt an einem seidenen Faden: Nach wie vor ist seine Schließung geplant - auf Grundlage eines Kommissionsberichts unter Federführung des Wiener Transplantationsexperten Ferdinand Mühlbacher.

Der kommt zum Ergebnis, dass in Erlangen - wie auch im Münchner Klinikum Rechts der Isar - die Sterberate nach Lebertransplantationen weitaus höher sei, als dies europäischen Standards entspricht.

Die Erlanger schießen nun aus vollen Rohren zurück: Der Mühlbacher-Bericht sei "zweifelhaft" und gebe keine durch Fakten begründete Handhabe, das Erlanger Lebertransplantationszentrum zu schließen. Dies sei dem Wissenschaftsministerium auch dargelegt worden, dennoch aber hätten Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) und Gesundheitsminister Marcel Huber (CSU) Mitte Mai die geplante Schließung des Erlanger Zentrums bekanntgegeben.

Der zunächst akademische Streit um die korrekte Auswertung von Daten gewinnt zunehmend an politischer Brisanz - zumal der Wiener Transplantationsexperte im Gesundheitsausschuss des Landtags einräumte, seine Aussagen über die Ergebnisqualität der bayerischen Lebertransplantationszentren seien nicht "der Weisheit letzter Schluss" gewesen.

"Ich muss mir Kritik gefallen lassen", sagte Mühlbacher am vergangenen Donnerstag. Er betonte aber, dass der gegebene zeitliche Rahmen nicht die Möglichkeit gelassen habe, weiterreichende Untersuchungen über die Ergebnisqualität anzustellen. Dies sieht allerdings auch der Sonderprüfer der Landesärztekammer Berlin, Gerd Otto, kritisch: "Hier wurden Äpfel mit Birnen verglichen", sagte Otto als geladener Experte.

Das Wissenschaftsministerium dementierte am Mittwoch aufkommende Gerüchte, es habe der Mühlbacher-Kommission Vorgaben bezüglich der Statistiken gemacht. Der Mühlbacher-Bericht sei sehr fundiert. Dass die gegebenen Empfehlungen valide sind, "steht nicht in Frage", teilte eine Sprecherin mit.

Die Erlanger indes schöpfen aus den kritischen Äußerungen im Landtag - auch dargebracht durch die mittelfränkische CSU-Abgeordnete Christa Matschl - wieder Hoffnung, dass sich die Schließung ihres Leber-Transplantationszentrums doch noch vermeiden lässt. Zumal die Opposition Heubisch und Huber mit den Worten angriff, die geplante Schließung der Zentren in Erlangen und Rechts der Isar sei ein "Befreiungsschlag", um vom eigenen Versagen abzulenken.

"Die Diskussion im Gesundheitsausschuss hat die Entscheidungsgrundlage des Wissenschafts- und des Gesundheitsministeriums ins Wanken gebracht", sagte ein Sprecher des Uniklinikums Erlangen zuversichtlich. Diese Hoffnung allerdings fußt angesichts der Entschlossenheit der Staatsregierung auf tönernen Füßen. Die Zahl der bayerischen Lebertransplantationszentren werde definitiv von fünf auf drei reduziert. Nach bisherigem Stand bleiben nur die Zentren in München-Großhadern, Würzburg und Regensburg erhalten.

Regensburg darf trotz Skandal weiter transplantieren

Dass die Regensburger weiterhin Lebern transplantieren dürfen, entzürnt die Erlanger um so mehr, als es in Regensburg bei Lebertransplantationen zu erheblichen Unstimmigkeiten gekommen war. Dass nun Erlangen, wo auch die Mühlbacher-Kommission keinerlei Verstöße festgestellt hatte, geopfert werde, sei unerträglich.

In einer Stellungnahme des Universitätsklinikums Erlangen gegen die angeblichen Qualitätsmängel, heißt es: "Diese Einschätzung stützt sich weder auf die Prüfungsarbeit der Kommission, noch hält sie einer genaueren Überprüfung stand." Die Transplantationsärzte in Erlangen seien trotz Bitten nicht angehört worden, um zu den festgestellten Sterblichkeitszahlen Stellung nehmen zu können. Auch ihre schriftliche Stellungnahme sei "praktisch nicht zur Kenntnis" genommen worden.

So sei man darüber hinweggegangen, dass die Sterblichkeit damit zusammenhänge, dass in Erlangen viele schwer erkrankte Patienten noch eine Spenderleber erhalten hätten - den Regeln entsprechend. "Ein Gesamtvergleich der Überlebensdaten der Patienten ist daher unsinnig", sagt Heinrich Iro, der Ärztliche Direktor des Erlanger Uniklinikums.

Iro stellte klar, dass er weiterhin dafür kämpfen will, dass Transplantationen von Lebern im Großraum Mittelfranken ortsnah erfolgen kann. "Deshalb sind wir so dankbar für die Kooperation mit München-Großhadern. Sie schützt die lebererkrankten Patienten in unserer Region - erst mal wenigstens", sagte er.

Einem 17-jährigen Jugendlichen aus dem Kreis Forchheim hat der neue Kooperationsvertrag - zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vollständig unterzeichnet - womöglich sogar das Leben gerettet.

Nach einer Knieverletzung war er in einer niederbayerischen Klinik operiert worden. Die Schmerzmittel, die man ihm dort verabreicht hatte, hatten allerdings ein akutes Leberversagen ausgelöst. Doch das stellten die Ärzte zunächst nicht fest. "Er wurde zu uns mit der Frage gebracht: Was hat er eigentlich?", sagt Iro, "und das in einem so desolaten Zustand, dass er nur noch durch eine Lebertransplantation zu heilen war." An dieser nahm erstmals ein aus München angereister Leber-Experte teil. Dem jungen Mann gehe es den Umständen entsprechend gut, sagte Iro.

Über die Laufzeit des neuen Vertrag sagt er nur lapidar: "Er ist unbefristet, so lange wir als Leber-Transplantationszentrum überleben." Trotzig fügt er hinzu: "Wir streben nicht an, geschlossen zu werden."

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