Ungewöhnliche Hilfskräfte:Ein-Euro-Jobber am Lehrerpult

Lehrermangel und die Folgen: Um wochenlangen Unterrichtsausfall zu verhindern, helfen an einem bayerischen Gymnasium Arbeitslose aus - nicht nur Eltern reagieren empört.

Birgit Taffertshofer

Kein Zweifel, in dieser Idee steckt Potential, gerade jetzt, da Bayerns Schulen selbständiger werden sollen: Ein-Euro-Jobber in der Schule. Fast zum Nulltarif können sie Pausenaufsichten übernehmen, den Schulweg sichern, in Schulkantinen aushelfen oder - warum auch nicht - einen kranken Lehrer vertreten.

Kein guter Vorschlag? Das finden einige Eltern aus dem Landkreis Starnberg auch. Doch der Direktor des Gilchinger Gymnasiums wusste keinen anderen Ausweg mehr, um wochenlangen Unterrichtsausfall zu verhindern.

"Pädagogische Hilfskräfte" nennen die Lehrer des Christoph-Probst-Gymnasiums ihre neuen, unschlagbar günstigen Kollegen. Zunächst waren es zwei, die für 15 bis 20 Wochenstunden an der Schule aushalfen. Mal übernahmen sie eine Aufsicht, mal eine Vertretung.

Inzwischen gibt es noch eine Kinderpflegerin, die Schuldienst schiebt. Die Idee ist nicht neu. Auch in anderen Bundesländern erhalten Langzeitarbeitslose in Schulen Arbeit. In Berlin Neukölln etwa sollen sie den Weg der Kinder zur Schule und nach Hause sicherer gestalten oder dem Hausmeister helfen. Dass Ein-Euro-Jobber jedoch kranke Lehrer vertreten, das gilt selbst in der klammen Hauptstadt als Tabu.

Einige Eltern aus Gilching und Umgebung finden, diese Regel sollte auch in Bayern gelten. Schließlich gehe es hier nicht ums Kehren im Schulhof, sondern um die Bildung der Kinder. Und bei allem Verständnis für den Lehrermangel an Bayerns Schulen: Eine Kinderpflegerin könne eben keine qualifizierte Englischlehrerin vertreten.

"Wir kommen uns etwas verschaukelt vor"

Die Mütter und Väter wandten sich also an den Verantwortlichen, an Kultusminister Siegfried Schneider - und erhielten eine verblüffende Antwort. Offenbar sieht das bayerische Kultusministerium kein Problem darin, dass Ein-Euro-Jobber im Klassenzimmer stehen.

Zumindest findet sich in dem Antwortschreiben, das der SZ vorliegt, keinerlei Einwand gegen die Praxis an der Gilchinger Schule. Keinerlei Sorge, dass solche Sparmodelle die Qualität der Bildung gefährden. Und auch kein Wort darüber, dass die Institution Schule nicht geeignet ist für solche Experimente.

Stattdessen heißt es lapidar: "Die Schule hat alles Mögliche getan, um einen weitergehenden Unterrichtsausfall in der Klasse zu vermeiden." Das Gymnasium habe zwei Ein-Euro-Jobber eingestellt, die "als Vertretungen und Aufsichten fungieren sowie vorbereitete Materialien absenter Lehrkräfte einsetzen". Die Unterrichtssituation habe sich in Gilching zudem wieder entspannt.

Im Wesentlichen beschränkt sich das ministeriale Schreiben auf die Wiedergabe der Informationen von Direktor Horst Fessel, der zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert worden war. Informationen also, welche die Eltern längst kannten. Denn auch wenn das Verhältnis zwischen Eltern und Schulen in Bayern zuweilen angespannt ist, in Gilching redet man noch offen miteinander. "Wir kommen uns etwas verschaukelt vor", sagt eine Mutter, die sich vom Ministerium eine ganz andere Reaktion erwartet hatte, nämlich: qualifizierte Lehrkräfte statt billiger Leihkräfte.

Die Bildungsexpertin der Grünen, Simone Tolle, ist empört. Sie richtete nun eine Anfrage an den Landtag, wie viele Ein-Euro-Jobber an Bayerns Schulen beschäftigt sind. Es sei zwar zu begrüßen, dass Schulleiter selbständig handeln dürften, betont sie, aber genügend Lehrer einzustellen, sei immer noch Sache des Staates.

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