Unerwünschte Denkanstöße:Großes Theater um die Coburger Bühne

Unerwünschte Denkanstöße: Wer meint, dass das innen prächtig funkelnde Landestheater für eine Stadt mit 41 000 Einwohnern überdimensioniert wirkt, der kennt die Coburger nicht.

Wer meint, dass das innen prächtig funkelnde Landestheater für eine Stadt mit 41 000 Einwohnern überdimensioniert wirkt, der kennt die Coburger nicht.

(Foto: R. Feldrapp)

Irritierte Bürger: Ein auswärtiger SPD-Stadtrat regt an, aus dem Dreisparten-Haus einen Gastspielbetrieb zu machen

Von Olaf Przybilla, Coburg

Wolfram Salzer hat keine ruhigen Tage derzeit. Über den Coburger Rathausplatz kommt er kaum noch, ohne angehalten zu werden, und der Ton der Passanten ist nicht immer freundlich. Was ihm denn einfiele, die Existenz des Landestheaters zu hinterfragen? Zumal er ja nicht mal für Coburg verantwortlich sei, sondern für die SPD im Stadtrat von Neustadt bei Coburg sitzt, in der Großen Kreisstadt also im Coburger Land. Salzer hält sich selbst für kulturaffin. Das Landestheater besucht er regelmäßig, aber so eine Diskussion, findet er, müsse man jetzt "mal ganz grundsätzlich" führen: Kann sich eine Stadt mit 41 000 Einwohnern ein Dreispartentheater mit mehr als 260 Angestellten leisten? Oder würde auch ein prachtvolles Haus mit Gastspiel-Betrieb reichen?

Das Coburger Theater ist ein besonderes in Bayern, in jeder Hinsicht. Ein Theater dieser Größenordnung würde man in einer überschaubaren Stadt wie Coburg sicher nicht erwarten. Und das klassizistische Haus ist zweifellos auch einer der schönsten Theaterbauten in Bayern, mit 550 Sitzen zählt es überdies zu den größten im Land. Alle drei Sparten - Musiktheater, Schauspiel und Ballett - werden mit eigenem Ensemble bedient. Vergleichbar große Häuser gibt es in Regensburg und Würzburg, in Städten also, die etwa dreimal so groß sind wie Coburg. Grund für diese Sondersituation ist die lange Theatertradition in Coburg, wo die Herzöge von Sachsen-Coburg schon im 17. Jahrhundert so etwas wie Theaterleidenschaft entfachten. Als der Freistaat Coburg dann 1920 mit Bayern vereinigt wurde, verpflichteten sich die neuen Landesherren, das Theaterhaus maßgeblich mitzufinanzieren. Während die Halbmillionenstadt Nürnberg lange mit einem Stadttheater vorlieb nehmen musste, rühmt sich Coburg seit inzwischen mehr als 90 Jahren eines Landestheaters. Nun aber: Schluss damit?

Salzer, der Stadtrat, will das Haus nicht dichtmachen, das betont er. Aber bei Betriebskosten von mehr als sechs Millionen Euro pro Jahr hält er es für unverantwortlich in einer Stadt wie Coburg, einfach immer so weiter zu machen. Salzer stammt ursprünglich aus Schweinfurt, das dortige Theater kennt er ebenso gut wie das Coburger, und "ich wage die Behauptung, dass dort keine schlechtere Kunst geboten wird", sagt er. Gastspiele aus München, Düsseldorf, Berlin, auch aus dem Ausland, er fühle sich dort gut bedient. Zumal auf das früher wohlhabende, längst aber ebenfalls klamme Coburg ohnehin immense Theater-Kosten zukämen. Mehr als 60 Millionen Euro soll die Sanierung des Hauses von 2018 an kosten, mehr als 20 Millionen wird die Stadt berappen müssen. Für eine Kommune dieser Größe hält Salzer das für untragbar. Auch wenn der Freistaat 40 Prozent der laufenden Kosten übernimmt.

Eine Debatte über die Existenz eines Dreisparten-Hauses gab es vor 15 Jahren in Würzburg, in der Zeit versetzte das die halbe Stadt in Erregung. Würzburg war als erste Großstadt in Bayern extrem von der kommunalen Finanzkrise betroffen, der damalige Oberbürgermeister provozierte mit dem Gedanken, in dieser Notlage das feste Ensemble aufzulösen. Demonstrationen und bundesweite Empörung waren die Folge, der Freistaat sah sich gezwungen, sich an den Kosten des Theaters stärker zu beteiligen, seither gilt es als gerettet. Kommt das nun alles auf Coburg zu?

Bestimmt nicht, beteuert ein Stadtsprecher, "diesen Vorschlag nimmt keiner ernst". Die Stadt-SPD hat gleich mit einer Presseerklärung auf die Idee des Landkreis-Genossen reagiert, "kleingeistig" seien solche Gedankenspiele. Christian Müller, Fraktionsvorsitzender der Christlich Sozialen Bürger (CSB), fürchtet den Niedergang Coburgs von einer Theater-Stadt in ein "austauschbares Provinzkaff" mit "Chiemgauer Bauerntheater im Großen Haus", sollte sich die Idee durchsetzen. Eine "immense Identifizierung mit dem Ensemble" beobachtet er, "das kann man nicht von irgendwoher einkaufen". Auch Oberbürgermeister Norbert Tessmer, wie Salzer Sozialdemokrat, reagiert irritiert, "nicht zielführend" sei der Vorschlag. Und auch die CSU möchte sich Salzer nicht anschließen. Wobei Jürgen Oehm, der CSU-Chef im Stadtrat, vor allem den Zeitpunkt falsch gewählt findet: In sechs Jahren, wenn das Haus vollständig saniert sein soll, könne man "über alles nachdenken". Momentan aber, vor Beginn der Arbeiten, komme die Debatte "zur Unzeit".

So dürfte die kulturelle Infrastruktur in Oberfranken eine besondere bleiben: mit dem Wagner-Festspielhaus in Bayreuth, einem herausragenden Orchester samt Konzerthaus in Bamberg und einem für die Stadt außergewöhnlich groß ausgefallenen Dreispartenhaus in Coburg. Intendant Bodo Busse ist sich sicher, dass sich daran nichts ändern wird. "Abwegig" nennt er Salzers Idee, würde sie weiterverfolgt, ist er sich sicher, dass die "Stadtgesellschaft auf die Straße gehen würde". Ganz abgesehen davon, dass er Salzer nicht ernst nehmen könne: "Will dieser Sozialdemokrat wirklich 260 Angestellte unseres Theaters auf die Straße schicken?", fragt Busse.

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