Umwelt:So schlecht ist die Luft in Bayern

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München debattiert über Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge. Doch auch andere Kommunen haben Probleme mit Schadstoffen.

Von Andreas Glas, Matthias Köpf, Olaf Przybilla und Wolfgang Wittl

Der Streit um ein Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge schwappt von München in die Landespolitik über. Für Sonntagabend hat Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) eine kleine Runde von Ministern in die Staatskanzlei bestellt. Sie sollen schaffen, was dem Staat bislang in vielen Jahren nicht gelungen ist: einerseits Konzepte vorlegen, um die Schadstoffbelastung zu reduzieren; andererseits Diesel-Fahrverbote vermeiden - denn solche lehnt die CSU ab. "Klar ist: Die Fahrzeugflotte muss insgesamt schadstoffärmer werden", sagt ein Sprecher von Umweltministerin Ulrike Scharf. Aber wie sieht die Belastung in Bayern außerhalb von München aus? Ein Überblick.

Augsburg

In Augsburg betrifft das Problem mit den Stickoxiden nach Rathaus-Angaben nur wenige Straßenabschnitte und dies auch in deutlich geringerem Ausmaß als etwa in München. Gleichwohl prüfe die Stadt zusammen mit der Regierung von Schwaben, ob Diesel-Fahrverbote sinnvoll sein könnten. Dabei gibt Augsburgs Umweltreferent Reiner Erben aber zu bedenken, dass Fahrverbote auf bestimmten Strecken das Problem nur auf die Ausweichrouten verlagern würden.

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Die Politik streitet aber noch, ob München solche Verbote überhaupt verhängen dürfte.

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Deshalb gehe es vor allem auch darum, für einen besseren Verkehrsfluss zu sorgen, um so die Schadstoff-Grenzwerte einhalten zu können. Ehe die Stadt womöglich irgendwann dazu gezwungen sein wird, mit Fahrverboten zu reagieren, erwartet Erben vom Gesetzgeber auf Bundesebene, dass er einheitliche Lösungen etwa mit der blauen Plakette schafft und die Städte nicht mit dem Problem allein lässt.

Nürnberg

Auch in Nürnbergs Südstadt, in der Von-der-Tann-Straße, sind die Grenzwerte für Stickstoffdioxid deutlich erhört, wenn auch nicht so wie in München. Umweltzonen gibt es in Nürnberg bisher nicht und auch in der Diesel-Debatte ist die Haltung der Stadt eher defensiv. Die Verantwortung in erster Linie auf die Kommunen abzuwälzen, davon hält Umweltreferent Peter Pluschke (Grüne) wenig. Viel eher müsse man die Automobilindustrie auf gesetzte Normen verpflichten und Autos, die Richtwerten nicht entsprechen, nicht zulassen. Mit einer blauen Plakette könnte die Stadt notfalls leben. Man warnt aber vor Symbolpolitik.

Und davor, die Hauptverkehrsachse, den Mittleren Ring, bei hoher Schadstoffbelastung der Luft zu sperren. Die Stadt fürchtet, der Verkehr könnte stattdessen in Wohngebiete verlagert werden. Überhaupt scheint die Stickstoffdioxid-Belastung nicht das alarmierendste Problem in Nürnberg zu sein. Die Feinstaub-Werte waren zuletzt bedrohlicher. Im vergangenen Januar gab es, was diese betrifft, in keiner anderen deutschen Stadt so viele Überschreitungen.

Würzburg

Die Kessellage der Stadt Würzburg wirkt sich auch mehr auf die Feinstaub-Werte aus als auf die Belastung mit Stickstoffdioxid. Am Mittleren Ring ist diese stark, nicht aber so stark wie in der Landeshauptstadt. Umweltreferent Wolfgang Kleiner (CSU) sieht keine Veranlassung, Dieselfahrzeuge aus der Stadt auszusperren. "Wir würden da über das Ziel hinausschießen", sagt er, solche grundsätzlichen Verbote widersprächen in Würzburg klar dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

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Bayerns Ministerpräsident will mit seinen Ministern besprechen, wie die Stickoxidwerte gesenkt werden können. OB Reiter hat zuvor Fahrverbote ins Spiel gebracht.

Bis 2020 soll es stattdessen eine Umweltzone geben, geplant ist eine grüne Plakette. Würzburg setzt verstärkt auf den öffentlichen Nahverkehr, Car-Sharing, Fahrrad-Verleih und den Ausbau von Radwegen. Kleiner ist zuversichtlich, dass "wir in Würzburg dann die Grenzwerte auf jeden Fall einhalten werden".

Ingolstadt

Ein Dieselverbot am Audi-Standort Ingolstadt? Nach Auskunft der Stadt liegen die Messwerte für Stickstoffdioxid bei zehn Mikrogramm pro Kubikmeter - und damit unter dem zugelassenen Mittelwert von 40 Mikrogramm. Eine vorläufige Auswertung des Landesamts für Umwelt listet dagegen einen höheren Wert auf. Demnach wurden 2016 in der Rechbergstraße 26 Mikrogramm gemessen. "In Ingolstadt wird ein Dieselverbot derzeit nicht diskutiert", teilt die Stadt mit.

Auch die Belastung durch Feinstaub hält sich offenbar innerhalb der vorgegebenen Grenzen. Die klimatischen Bedingungen seien in Ingolstadt sehr günstig, der Verkehr habe da relativ wenig Einfluss, sagte Umweltreferent Rupert Ebner im vergangenen Jahr dem Donaukurier. "Unsere Einflussmöglichkeiten auf die Feinstaubbelastung, insbesondere die Überschreitung der Tagesgrenzwerte, sind äußerst begrenzt", sagte der Grünen-Politiker.

Oberaudorf

Probleme mit Stickoxiden gibt es auch abseits der großen Ballungsräume - etwa entlang viel befahrener Autobahnen. So hat die Regierung von Oberbayern Ende 2011 einen Luftreinhalteplan für den Abschnitt aufgestellt, wo die A 93 an dem 5000-Einwohner-Ort Oberaudorf im Landkreis Rosenheim vorbeiführt.

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Im gesamten Stadtgebiet kommt es vor allem durch Dieselfahrzeuge zu hohen Belastungen mit giftigem Stickstoffdioxid. Oberbürgermeister Dieter Reiter will sie deshalb verbannen.

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Das Dorf und die Autobahn liegen im engen Inntal, hier rollt viel Verkehr von Norden zum Brenner Richtung Italien, Lastwagen machen etwa ein Sechstel aller Fahrzeuge auf der A 93 aus. Hier betreibt das Landesamt für Umwelt am Rande einer Wohnsiedlung wenige Meter hinter der Lärmschutzwand eine Messstation ihres "Lufthygienischen Landesüberwachungssystems Bayern", die regelmäßig Überschreitungen der Jahresgrenzwerte bei den Stickoxiden registriert.

Als Gegenmaßnahmen sind im Luftreinhalteplan vor allem zusätzliche Schutzwände sowie Tempolimits auf der Autobahn verzeichnet. Die Hoffnung ruht jedoch darauf, dass sich der Schwerverkehr mit der für 2026 geplanten Fertigstellung des Brennerbasistunnels auf die Schiene verlagern wird. Dass Tallagen und viel Verkehr nicht zwangsläufig zu Schwierigkeiten mit den Stickstoffoxid-Grenzwerten führen, zeigt das Beispiel Garmisch-Partenkirchen.

In dem heilklimatischen Kurort gibt es zwar ein Problem mit dem Durchgangsverkehr, Messungen haben nach Rathaus-Angaben aber keine Überschreitung von Stickstoffoxid-Grenzwerten ergeben.

Regensburg

In Regensburg ist die Luft besonders dreckig. Zuletzt waren die Feinstaubwerte so hoch wie in keiner anderen bayerischen Stadt. Auch die Stickstoffdioxid-Grenzen wurden in den vergangenen Jahren mehrfach überschritten. Zuletzt lag der Messwert bei 42 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Die Stadt beobachte "sehr aufmerksam die aktuelle politische Debatte über innerstädtische Fahrverbote für Diesel-Pkw mit Motoren unterhalb der Schadstoffklasse 6", teilt Umweltbürgermeister Jürgen Huber (Grüne) mit. Von einem Diesel-Fahrverbot wären derzeit rund 25 000 Fahrzeuge betroffen.

Auf die hohen Werte hat die Stadt in der jüngsten Vergangenheit bereits reagiert. Auf der Buslinie in der Altstadt fährt seit Kurzem nur noch der Elektrobus "Emil". Außerdem könnte noch in diesem Jahr die bereits beschlossene Umweltzone in der Altstadt und in Stadtamhof umgesetzt werden. Dadurch dürften die Schmutzwerte aber nur leicht sinken. Laut einem TÜV-Gutachten ist beim Feinstaub ein Minus von 1,9 Prozent der Gesamtbelastung zu erwarten, beim Stickstoffdioxid 3,4 Prozent.

© SZ vom 17.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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