Umwelt:Glück plädiert für eine verträglichere Landwirtschaft

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Der langjährige CSU-Politiker warnt vor Hysterie in der Debatte ums Tierwohl, sieht aber auch die bayerischen Bauern in der Pflicht

Von Christian Sebald, München

Es ist jetzt neun Jahre her, dass sich Alois Glück aus der Landespolitik verabschiedet hat. Seither meldet sich der vormalige Spitzenpolitiker der CSU nur noch selten zu Wort. In die Politik, gar in die seiner Partei, mischt er sich nicht mehr ein. Auch wenn manch einer das begrüßen würde - gerade nach der desaströsen Niederlage der CSU bei der Bundestagswahl und dem Chaos um ihre Zukunft. Der inzwischen 77-Jährige aus dem oberbayerischen Hörzing ist nach wie vor eine hohe moralische Instanz im Freistaat. Innerhalb und außerhalb der CSU genießt er eine Autorität, wie sie nur wenige frühere Landespolitiker beanspruchen können.

Doch wenn ihn ein Thema umtreibt, bricht Glück sein Schweigen. Auf Einladung seines Parteifreunds, Agrarminister Helmut Brunner, hat er am Montag in München auf dessen groß angelegtem Symposium "Der bayerische Weg in der Agrarpolitik" gesprochen. Die Bauern liegen Glück sehr am Herzen. Und zwar nicht nur weil er selbst gelernter Landwirt ist und vor seiner politischen Laufbahn den elterlichen Bauernhof geführt hat. Sondern weil die Landwirtschaft für ihn nach wie vor das Rückgrat des ländlichen Bayerns ist - auch wenn es hier nur noch 110 000 Bauern gibt.

Glück ist offenkundig in großer Sorge um die Landwirtschaft. Da ist zum einen die "öffentliche Kommunikation" über das Tierwohl, die aus seiner Sicht zum Teil so "hysterische Züge" angenommen hat, dass sich immer mehr Bauern "an den Pranger gestellt fühlen". Da ist aber auch der immer dramatischere Verlust an Flora und Fauna in der freien Landschaft, dessen Hauptgrund, so sagen es alle Experten, die hoch technisierte Landwirtschaft mit ihrem überbordenden Einsatz von Agrarchemie ist. Als aktuelles Beispiel nannte Glück "das Insektensterben". Die Landwirtschaft ist also massiv unter Druck.

Dabei sind sie im Freistaat so stolz auf ihren "bayerischen Weg in der Agrarpolitik", gleich ob das nun Agrarminister Brunner oder der bayerische Bauernverband ist. Erfunden hat diesen Weg der legendäre Landwirtschaftsminister Hans Eisenmann (CSU), der von 1969 bis zu seinem Tod 1987 im Amt war. Eisenmann setzte von Anbeginn an auf den Erhalt einer vielfältigen Landwirtschaft mit zahlreichen kleinen und mittleren Bauernhöfen, statt den Aufbau möglichst großer, hoch industrialisierter Betriebe zu fördern. Tatsächlich steht nach wie vor jeder dritte Bauernhof Deutschlands in Bayern. Und die Höfe im Freistaat sind nur halb so groß wie die in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein und sogar zehnmal kleiner als die in Mecklenburg-Vorpommern. Eisenmann verlangte auch schon sehr früh, dass "wir weg müssen von einer einseitig produktionsorientierten und hin zu einer umweltbezogenen und umweltbewussten Landbewirtschaftung". Eine Forderung, die sich eins zu eins mit Brunners Öko-Initiative deckt, mit der er bis 2020 die Zahl der Bio-Bauernhöfe in Bayern verdoppeln will. Auch seine Förderung der Regionalvermarktung ist ganz in Eisenmanns Sinn.

Doch auch in Bayern zeigt die Landwirtschaft immer öfter ihr hässliches Gesicht. Im niederbayerischen Rottal etwa reichen die Maismonokulturen bis an den Horizont - trotz aller schlimmen Folgen für die Bodenerosion, die Artenvielfalt und das Landschaftsbild. In der Region Landshut gibt es Gemeinden, in denen 50-mal mehr Mastschweine leben als Menschen, die Gülle der Tiere ist längst zu einer immensen Belastung für das Grundwasser in der Region geworden. Auch die Ställe der Milchbauern werden immer größer. Die Zahl der Höfe mit hundert und mehr Rindern steigt von Jahr zu Jahr. Und drei Viertel der Legehennen im Freistaat werden in Großställen mit mehr als 10 000 Tieren gehalten.

Gefragt, was der bayerische Weg für die Bauern heute bedeute, antwortete Glück denn auch knapp: "Gelebte Zukunftsverantwortung." Zuvor hatte Brunner erklärt: "Tierwohl, Tierhaltung in überschaubaren Größenordnungen und der Schutz von Wasser und Natur haben höchste Priorität für die Verbraucher."

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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