Umstrittenes Gedenken:Kein Kreuz mehr für den Kriegsverbrecher

Umstrittenes Gedenken: Die Leiche des Kriegsverbrechers Alfred Jodl liegt nicht auf dem Friedhof der Fraueninsel, auch wenn das Kreuz etwas anderes suggeriert.

Die Leiche des Kriegsverbrechers Alfred Jodl liegt nicht auf dem Friedhof der Fraueninsel, auch wenn das Kreuz etwas anderes suggeriert.

(Foto: Mauritius)
  • Der Gemeinderat von Chiemsee hat beschlossen, dass das umstrittene Grabkreuz für den Wehrmachtsgeneral Alfred Jodl entfernt werden muss.
  • Jodl wurde als Hauptkriegsverbrecher verurteilt und 1946 hingerichtet.
  • Das Grab - in dem er selbst nicht liegt, aber seine zwei Frauen - bleibt aber mit neuer Gestaltung erhalten, da die Angehörigen einer der Frauen dies wünschen.

Von Matthias Köpf, Chiemsee

Das umstrittene Grabkreuz für den Wehrmachtsgeneral und Kriegsverbrecher Alfred Jodl soll vom Friedhof der Fraueninsel im Chiemsee entfernt werden. Dies haben die Räte der Gemeinde Chiemsee am Dienstagabend beschlossen. Die Nachfahren einer von Jodls Witwen dürfen an der Stelle einen neuen Grabstein aufstellen, an dem sie ihrer tatsächlich dort begrabenen Verwandten gedenken können. Alfred Jodl selbst liegt nicht am Friedhof der Insel. Nach dem Todesurteil als Hauptkriegsverbrecher und der Hinrichtung 1946 war seine Asche in die Isar gestreut worden. Sein mittig platziertes Grabkreuz überragt die Grabsteine seiner zwei Frauen - eine war vor ihm gestorben, die zweite nach ihm - bisher deutlich.

"An ihn wird an dieser Stelle nichts mehr erinnern", sagt der Chiemseer Bürgermeister Georg Huber. Das Nutzungsrecht für das Grab war schon im Januar ausgelaufen, der Gemeinderat hatte unter dem Druck einer Landtagspetition schon im Jahr 2014 beschlossen, es nicht weiter zu verlängern. Diesen Beschluss hat die Gemeinde im vergangenen Jahr noch einmal bekräftigt, zuletzt aber eine "Duldung" des Grabs ohne förmliche Verlängerung des Nutzungsrechts ins Spiel gebracht.

Damit will sie dem Wunsch der Angehörigen einer der beiden Jodl-Frauen nach einem Familiengrab entsprechen, den Huber "ein absolut legitimes und nachvollziehbares Anliegen" nennt. Im Gemeinderat sei vor der Entscheidung über die Gestaltungsvorschläge der Nachfahren noch einmal kontrovers diskutiert worden, ob man das Grab nach dem Auslaufen des Nutzungsrechts nicht doch komplett auflösen müsse, um endlich aus den Schlagzeilen zu kommen.

In den Fokus war die 235-Einwohner-Gemeinde geraten, nachdem sich Inselbürger Georg Wieland wegen des Jodl-Grabkreuzes an den Landtag gewandt hatte. In der Folge hatte auch Wolfram Kastner mit seinen künstlerischen Interventionen auf das Kreuz aufmerksam gemacht. Unter anderem hatte er eine zusätzliche Tafel mit der Aufschrift "Keine Ehre dem Kriegsverbrecher!" angebracht und den Stein mit roter Farbe übergossen. Seine Aktionen haben einige öffentliche Aufmerksamkeit erregt, was die folgenden Straf- und Zivilprozesse in München und Rosenheim noch verstärkt haben. Bürgermeister Huber sieht Kastner nicht als Künstler, sondern als reinen Sachbeschädiger. "Ich unterstelle, dass er nur seine privaten wirtschaftlichen Interessen verfolgt", sagt Huber.

Dass die Sache für die Gemeinde mit der Umgestaltung der Grabstelle ausgestanden sein wird, hofft der Bürgermeister mehr, als dass er wirklich damit rechnet. Für den Inselbewohner Georg Wieland ist es mit dem nun getroffenen Beschluss jedenfalls nicht getan. "Ich gebe mich damit überhaupt nicht zufrieden", kündigt der Architekt an. Vier Jahre, nachdem ihm auf seine Petition hin auch das bayerische Innenministerium die Entscheidung bestätigt habe, dass im Januar 2018 das gesamte Grab aufgelassen werde, habe die Gemeinde Chiemsee nun wieder "einen faulen Kompromiss" gefunden, um den eigenen Beschlüssen doch nicht entsprechen zu müssen. Die Absicht der Gemeinde, das Grab ohne gültiges Nutzungsrecht weiterhin bestehen zu lassen, hält Wieland für mehr als angreifbar.

Unterdessen lässt die nahe gelegene Gemeinde Bernau am Chiemsee das Grab eines ehemaligen KZ-Kommandanten ohne großes Aufsehen auf. Karl Chmielewski wurde von Überlebenden der "Teufel von Gusen" genannt, weil er als Kommandant dieses Lagers bei Mauthausen in Oberösterreich eine Schreckensherrschaft führte, die noch über den Schrecken anderer Lager hinausging. Er starb 1991 in Bernau, wo er die letzten zwölf Jahre seines Lebens verbracht hatte. 1979 war er nach 18 Jahren Haft wegen einer schweren Krankheit und seines absehbar baldigen Ablebens von Franz Josef Strauß begnadigt worden. Auch in Bernau ist nach Angaben der Friedhofsverwaltung das Grabnutzungsrecht kürzlich ausgelaufen, allerdings legten hier keine Angehörigen Wert auf eine Verlängerung.

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