Umstrittener Arzt:Schrauben im Genick

Er galt vielen als Wunderheiler, manche reisten für seine Behandlung bis aus Schweden an. Nun entlässt die Kreisklinik Mindelheim den Chirurgen, der in riskanten Operationen Schleudertrauma-Patienten den Hals versteifte.

Mike Szymanski

Zu "Dr. Monti", wie seine Patienten ihn nannten, kamen die Hoffnungslosen. Kranke, die oft nach Unfällen Schmerzen in Kopf und Nacken hatten, aber weit und breit keinen Arzt fanden, der sie ihnen nehmen konnte. Abbas Montazem, 67, versprach genau dies. Er wollte Menschen heilen, indem er ihnen etwa nach einem Schleudertrauma den Hals versteifte.

Umstrittener Arzt: Im Internet wirbt der Neurochirurg Abbas Montazem mit Röntgenbildern für seine fragwürdigen Operationen, bei denen er Wirbel künstlich mit Metall versteift.

Im Internet wirbt der Neurochirurg Abbas Montazem mit Röntgenbildern für seine fragwürdigen Operationen, bei denen er Wirbel künstlich mit Metall versteift.

(Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

In riskanten Operationen schraubte Montazem wie ein Mechaniker Halswirbel an Metallschienen fest, weil er meinte, der Wirbelsäule fehle es an Halt. Bis Anfang der Woche praktizierte er als freier Neurochirurg an der Kreisklinik im schwäbischen Mindelheim. Die Patienten kamen sogar aus Schweden angereist, um sich bei ihm unters Messer zu legen. Am Montag warf die Klinik Montazem raus.

Etliche Patienten beschuldigen den Arzt inzwischen, er habe sie zu Krüppeln operiert. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel listet in seiner aktuellen Ausgabe Fälle auf, in denen Patienten das Schlimmste noch vor sich hatten, als Montazem mit ihnen fertig war. Noch am selben Tag reagierte die Kreisklinik. Deren Chef Alfons Hawner sagte zur SZ: "Wir haben die Zusammenarbeit schlagartig beendet. Wir wussten nicht, dass Montazem eine umstrittene Person ist."

Christine B., 51, weiß das schon seit Mitte der 1990er Jahre. Die Hausfrau aus dem Kreis Augsburg hat sich in Behandlung des Arztes begeben, der damals noch am Klinikum Augsburg praktizierte. Christine B. und ihr Anwalt Rainer Stopp haben Montazem verklagt. Vor dem Landgericht Kempten wollen sie erreichen, dass der Mediziner der Frau 98 000 Euro Schadenersatz zahlt. "Montazem hat an meiner Mandantin von oben bis unten herumoperiert. Heute ist sie nur noch ein Häuflein Elend", sagt Anwalt Stopp.

"Sinnloses Leiden"

Im September 1994 hatte Christine B. die Neurochirurgische Klinik aufgesucht. Sie hatte starke Kopfschmerzen und litt dann auch unter Seh- und Sprachstörungen. Laut medizinischem Gutachten, das das Landgericht bei der Uniklinik Erlangen-Nürnberg in Auftrag gegeben hat, deutete alles auf eine besonders schwere Form von Migräne hin. Montazem jedoch operierte die Frau insgesamt sieben Mal an der Wirbelsäule.

"Im vorliegenden Fall haben wir es mit einer außergewöhnlichen Folge von letztendlich nicht erfolgreichen Eingriffen zu tun", heißt es in dem Bericht. Der Gutachter wirft schließlich die Frage auf, "ob Dr. Montazem nicht irgendwann Zweifel an der Richtigkeit des operativen Konzeptes gekommen sein müssten". Anwalt Stopp sagt: "Meine Mandantin ist heute schwerbehindert."

Christine B. ist offenbar kein Einzelfall. Ein Sprecher des Landgerichts in Kempten berichtet von insgesamt sieben Verfahren gegen Montazem. Zwei seien noch offen, eines davon, das Verfahren von Christine B., werde wohl demnächst mit einem Vergleich zum Abschluss gebracht. Am Landgericht Baden-Baden klagt ein Jockey auf Schmerzensgeld. Ihm versprach Montazem nach einem Unfall Heilung, der Patient ist jedoch ein Invalide.

Mediziner-Kollegen warnen vor Montazem. Der Münchner Rechtsmediziner Wolfgang Eisenmenger sagt, dessen Methoden "entsprechen nicht den Regeln ärztlicher Kunst". Hälse operativ zu versteifen, bedeute "sinnloses Leiden" zu erzeugen. Trotzdem genießt Montazem in Patientenkreisen den Status eines Wunderheilers. Es gibt Patienten, die werden nach einem Schleudertrauma, wie es jährlich 200 000 Menschen erleiden, nicht wieder gesund. Jahrelang schleppen sie sich mit ihren Beschwerden von Arzt zu Arzt. Montazems brachiale Methode erscheint ihnen als Ausweg.

Als der Mediziner im vergangenen Jahr der Kreisklinik Mindelheim die Zusammenarbeit anbot, zögerte die Klinikleitung nicht lange. Sie schnürte für Privatpatienten gleich noch ein Rundum-Paket mit Anreise und warb sogar in Schweden damit. Die Klinik versprach sich ein lukratives Geschäft - dass Montazem zuletzt nur an kleineren Landkliniken wie Füssen und Wertingen tätig war, machte niemanden stutzig.

Montazem sieht sich als Opfer einer Kampagne. Der Mediziner verweist auf 500 erfolgreiche Operationen, die er in 20 Jahren durchgeführt habe. "Die Patienten sind verzweifelt, wenn sie zu mir kommen. Ich verhelfe ihnen zu einer besseren Lebensqualität", sagt der Arzt. Die Vorwürfe ehemaliger Patienten weist er als ungerechtfertigt zurück: "Jeder meiner Patienten hat profitiert. Bei einem kleinen Prozentsatz sind aber die Erwartungen der Patienten nicht erfüllt worden." Er habe sich nichts vorzuwerfen.

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