Umgang mit G-7-Gegnern:Schokoriegel für jeden Festgenommenen

  • Die Polizei hat in Garmisch-Partenkirchen eine Gefangenensammelstelle für bis zu 200 mutmaßliche Krawallmacher errichtet.
  • In den 18 Quadratmeter großen Zellen sollen bis zu fünf Festgenommene sitzen und schlafen können. Dafür hat man eine "Containerlandschaft" im Innenhof des sogenannten Abrams-Komplexes aufgebaut.
  • Die Polizei hat hier 600 Kripo-Beamte im Einsatz. Gesteuert wird der große Polizeieinsatz aber ein paar Hundert Meter weiter, in den ehemaligen Hallen und Räume eines Autozulieferers.

Von Heiner Effern, Garmisch-Partenkirchen

Der Weg in die Zellen führt über einen dicken weichen Teppich, bordeauxfarben mit grün-grauem Blättermuster. Man sieht ihm an, dass schon viele Gäste auf ihm empfangen worden sind. Früher traten hier an der Rezeption des Abrams-Komplexes in Garmisch-Partenkirchen US-Soldaten ihren Urlaub an. In den kommenden Tagen werden an zwei eigens aufgestellten Bürotischen im Foyer Gefangene registriert. Jeder mutmaßliche Krawallmacher und Randalierer, den die Polizei erwischt, wird hier landen.

Wenn es schlecht läuft, sitzt er oder sie schon eine Stunde später in einem der grauen Container im Innenhof. Hinter den dicken Stangen, die dort hineingeschraubt worden sind. An der Seitenwand ist eine dünne Holzbank befestigt, an der Rückseite lassen zwei Lüftungsschlitze kaum Sonnenlicht herein. Bis maximal fünf Gefangene werden in den 18 Quadratmeter großen Zellen herumsitzen oder auch schlafen. "Jeden erdenklichen Komfort" wolle man den Gipfelgegnern bieten, sagt Raimund Wildmann von der Kriminalpolizei, die zu einem Rundgang in ihre provisorische Gipfelzentrale eingeladen hat.

600 Kripo-Beamte arbeiten im Abrams-Komplex

Wenn man ihn mitten in der "Containerlandschaft", wie er die Zellen nennt, nach konkretem Komfort fragt, wird "erdenklich" schnell zum üblichen Niveau einer Haftzelle in einer beliebigen Polizeistation plus Klimaanlage. Und natürlich müssten die Häftlinge nicht auf dem blanken Boden liegen, ihnen würde zum Schlafen eine Matratze in die Zelle gelegt. Bleibt nur zu hoffen, dass die Urinale in beliebigen Polizeistationen eine andere Geruchsnote haben als die Container-Toiletten, in denen sich die Häftlinge an Becken auch werden waschen müssen.

Die Kripo hat für den größten Einsatz, den die bayerische Polizei je erlebt hat, eine eigene Zentrale in die frühere Liegenschaft der US-Armee eingebaut. Im Hof stehen 40 Zellen, in den Zimmern haben Techniker 200 Arbeitsplätze eingerichtet. Bis zu 600 Beamte sollen im Schichtdienst für eine sofortige Abfertigung auch großer Mengen von Festgenommenen sorgen.

Um das schnell zu erledigen, habe man eine "Behandlungsstraße" eingerichtet, sagt Kripo-Mann Wildmann. Das System, das er in den kommenden Minuten schildert, erinnert an die Effizienz einer Fertigungsstraße in der Industrie. Registrierung, Durchsuchung, Treppe rauf, Laufzettel aufnehmen, Messen, Wiegen, Fingerabdrücke, Foto, Treppe runter, raus und hinüber in die Containerlandschaft. Bis zu 30 Fälle könne man gleichzeitig bearbeiten. Und natürlich werde jeder Unschuldige so schnell wie möglich wieder entlassen.

Sogar ein Spielzimmer für Kinder ist vorhanden

Darüber befinden die Ermittlungsrichter, die wie die Staatsanwälte im Abrams-Komplex Büros bezogen haben. Daneben stehen laut Polizei 15 Räume zur Verfügung, in denen sich Anwälte mit ihren Mandanten beraten können. Mit der bemerkenswert offenen Präsentation will die Polizei schon vor dem Gipfel ein Zeichen setzen: Vorwürfe wie nach dem letzten deutschen Gipfel in Heiligendamm 2007 soll es nicht geben.

Dort verglichen Kritiker die Zellen mit Käfigen und prangerten die schlechte Behandlung von Gefangenen an. In Garmisch erhält jeder Gefangene, der durch das Tor des Abrams-Komplexes angeliefert wird, zuerst einmal "ein Getränk und einen Riegel", sagt Wildmann. Es gebe ein Spielzimmer für Kinder, jedes Detail eines Aufenthalts werde genau dokumentiert. "Wir haben nichts zu verbergen."

Von der Gegendemo in München bis zur Abschluss-PK mit Merkel auf Schloss Elmau: Vom 3. bis 8. Juni 2015 steht Bayern im Zeichen des G-7-Gipfels. Egal ob Gruppenbild mit Kanzlerin, Debatten über Klimawandel oder Verkehrsstaus rund ums Sperrgebiet - die SZ informiert Sie umfassend und live. Alle Berichte finden Sie hier: SZ.de/g7

Bunker-Atmosphäre in der Polizeizentrale

Das gilt auch für die zweite bayerische Polizeizentrale, die für den Gipfel provisorisch eingerichtet wurde. In die ehemaligen Hallen und Räume eines Autozulieferers ist der Führungsstab eingezogen, der den Einsatz der 17 000 Landespolizisten koordiniert. "Hier laufen alle Informationen zusammen, hier wird entschieden", sagt der Münchner Polizei-Vizepräsident Robert Kopp, der mitverantwortlich für den Gipfeleinsatz ist.

Seine Leute arbeiten in einer Bunker-Atmosphäre, die an Filme über die Zentrale der ersten Weltraumflüge erinnert. In einer umgebauten Industriehalle ohne Fenster sitzen etwa 80 Beamte in vier Reihen fast in einem Halbkreis vor ihren Rechnern und Telefonen. Heben sie ihre Köpfe, blicken sie auf vier große Flatscreens an der Frontwand, die jeder Großgaststätte für eine Fußballübertragung reichen würden. Links läuft live eine Verkehrskamera aus Garmisch, rechts eine andere, in der Mitte prangt auf einem Schirm das G-7-Logo, auf dem anderen ein Ortsplan von Garmisch-Partenkirchen.

Die Männer und Frauen, viele von ihnen in Uniform, sichten Informationen, bewerten sie, leiten sie weiter. Bisher ohne größere Folgen. "Im Moment haben wir keine wirkliche Sicherheitsstörung zu verzeichnen", sagt Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer. Wenn sich das ändert, hat sein oberster Chef, Polizeipräsident Robert Heimberger aus Rosenheim, keine Sorge: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht."

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