Twitter und Facebook:Wenn Politiker zwitschern

Hubert Aiwanger twittert Blondinenwitze, Horst Seehofer präsentiert sich als authentisch, dabei schreibt er gar nicht selbst: Abgeordnete und Amtsträger tummeln sich bei Twitter und Facebook. Da wird ordentlich gestichelt, virtuell koaliert und in Fettnäpfchen getreten.

Frank Müller

Der Aufwand war bescheiden, die Resonanz allerdings beträchtlich: Noch am Montag wussten nur die wenigsten, dass Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger überhaupt einen eigenen Auftritt beim Internet-Netzwerk Twitter hat. Am Dienstag, nach einem kurzen SZ-Bericht, machten die Kurznachrichten des @AiwangerHubert im Internet im großen Stil die Runde.

Ein Schwung von Blondinenwitzen und Vergleichbarem waren durch einen Mitarbeiter in Aiwangers Twitterleiste geraten - und wurde schnell wieder gelöscht, nachdem sich im Internet Vertreter von CSU und den Grünen schon über Aiwanger lustig gemacht hatten.

Doch das beförderte das Thema erst richtig: Weil die Online-Gemeinde die Aiwanger-Witzchen wieder und wieder weitertrug, wurden diese erst richtig populär. Am Dienstagabend dürften dem @AiwangerHubert die Ohren geklungen haben, so oft wurde er zitiert.

Aiwangers Missgeschick wirft ein Licht darauf, wie sehr sich Tempo und Inhalt der politischen Debatte auch in Bayern gerade durch die neuen Medien ändern. Bei den führenden sozialen Netzwerken Facebook und Twitter häufen sich die Politiker-Auftritte, Journalisten und Anhänger mischen fleißig mit. So entstehen viele spontane politische Diskussionen, bei denen es zugeht wie am Stammtisch: mal laut, mal nachdenklich, unterhaltsam oder grob. Und mitunter eben auch frauenfeindlich.

Längst hat auch Ministerpräsident Horst Seehofer begriffen, dass dort präsent sein sollte, wer sich jugendlich und diskussionsfreudig geben will. 3895 Menschen haben bis Dienstag auf Seehofers Facebook-Profil den typischen Daumen-hoch-Knopf angeklickt mit der Botschaft: "Gefällt mir". Das ist noch nicht die absolute Mehrheit, aber beim Kampf um Sympathien zählt jede Stimme.

Dabei zeigt sich an Seehofers Profil auch gut, welche Diskussionen auf die Politiker durch Twitter und Co. zukommen. Als authentisch und zugänglich will man sich da präsentieren - prompt führten die Journalisten Seehofer kürzlich bei der Kreuther Klausurtagung aufs Glatteis mit der Frage, wie viele Freunde er denn auf Facebook habe. Seehofer wusste es nicht, redete sich dann raus: "unzählige". Und gestand schließlich ein, was sich ohnehin jeder dachte: dass seine Onlinenachrichten gar nicht von ihm selbst geschrieben werden.

Daran hatte es freilich schon zum Jahresauftakt keinen Zweifel gegeben. "Ich wünsche Euch allen ein gutes, gesundes und erfolgreiches 2012", duzte Facebook-User Horst Seehofer am 1. Januar um 11.51 Uhr seine Freunde, während er für Millionen Fernsehzuschauer gerade live beim Wiener Neujahrskonzert zu sehen war - natürlich ohne Smartphone in der Hand.

Kampfansage an den Parteifreund

Doch das handhaben auch herausgehobene Vertreter in der CSU durchaus anders. Staatskanzleichef Thomas Kreuzer etwa oder die JU-Vorsitzende Kathrin Albsteiger erzählten ebenfalls in Kreuth freimütig, sie fänden, zum Twittern oder Facebooken gehöre das Selbstgemachte schon dazu: aus Gründen der Unmittelbarkeit. In der Tat hat vor allem Twitter noch den Charme des Unverfälschten, gelegentlich auch Rohen.

Selbst CSU-Politiker geben sich dort in bester Piratenmanier, also so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, ohne dass drei Pressesprecher alles sprachlich geglättet hätten. "Ein Landeshaushalt mit Konzertsaal in München ist nicht zustimmungsfähig. Es gibt Schmerzgrenzen", twitterte CSU-Fraktionsvize @AlexKoenigMdL als unausgesprochene Kampfansage an seinen Parteifreund Seehofer. Falls der Ministerpräsident das gelesen hat, ließ er König zumindest gewähren.

Schon verschmelzen für manche das reale und das virtuelle Leben - so formuliert es Bayerns Grünen-Chef Dieter Janecek, der als @DJanecek einer der führenden bayerischen Polit-Twitterer ist. Für ihn ist Twitter zwar kein Massenphänomen, aber wichtig: "Das ist mein offener Kanal in Echtzeit."

Gleichzeitig dienen ihm die vielen Meldungen anderer wiederum zur Informationsbeschaffung. Dabei kommt es auch zu virtuellen Koalitionen, die im echten Leben noch nicht funktionieren. Regelmäßig frotzeln sich @DJanecek und die CSU-Vizegeneralsekretärin Dorothee Bär an, die als @DoroBaer inoffizielle Twitterkönigin der Union ist.

AiwangerHubert blieb am Dienstag auf Twitter übrigens still. Am Vortag hatte er auf die Panne souverän reagiert, und seine Mitarbeiter verteidigt. Der SZ gestand Aiwanger ein, Facebook und Twitter sei durchaus stressig: "Wenn das so weitergeht, schalte ich den Mist ab." @DoroBaer hielt prompt dagegen: "Damit er's noch lernt, brauchen wir Breitband bis auf den letzten Hof in Bayern."

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