Tussenhausen:Erfolg spornt an

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Grundschüler bereiten sich auf den kommenden Blattmacher-Wettbewerb vor

Von Katharina Schmid, Tussenhausen

Was gehört ins Vorwort, was ins Nachwort und was eigentlich ist ein Impressum? Fragen, auf die Clara, Ben und ihre Mitschüler in diesem Tag Antworten suchen. Außerdem müssen ihre Texte den jeweiligen Rubriken des Rotstift s zugeordnet werden: Titelthema, Tipps und Wissenswertes, Schulleben, Klatsch und Tratsch heißen die beispielsweise. "Das gehört doch nicht hierhin", meckert einer, als ein Schulkamerad das Interview mit der Direktorin unter "Unterhaltung" einordnet, "das muss zum Titelthema". Dann wird abgestimmt; das Interview landet in der Rubrik "Titelthema". So entsteht Zeitung an der Grundschule Tussenhausen, engagiert und demokratisch.

Rotstift heißt diese Zeitung, mit der die Grundschüler schon landesweit Erfolg hatten. Im vergangenen Jahr standen die Grundschüler aus Tussenhausen beim Schülerzeitungswettbewerb "Blattmacher" ganz oben auf dem Treppchen. Der Name der Zeitung ist als Anspielung auf den roten Korrekturstift ihrer Lehrer gedacht, damit jeder, der vom Rotstift hört, gleich weiß, dass der an einer Schule zu verorten ist. Nämlich an der Grundschule Tussenhausen, einem Markt im schwäbischen Landkreis Unterallgäu, dessen Ortszentrum neben der Schule noch das Rathaus, eine Bank, die Kirche mit dem Storchennest und ein paar Bauernhöfe rahmen.

Die Kinder der Grundschule Tussenhausen nehmen ihre Aufgaben als junge Redakteure sehr ernst, doch der Spaß daran kommt auch nicht zu kurz. (Foto: Katharina Schmid)

In diesem Dorfidylle treffen sich jeden Mittwochnachmittag die Schüler der Arbeitsgemeinschaft (AG) Rotstift für eineinhalb Stunden. Redaktionssitzung. Ideen werden gesponnen, Themenblöcke festgelegt, Zuständigkeiten verteilt. Immer im Hinterkopf sowohl der Schüler als auch ihrer AG-Leiterin Gabriele Binder-Stoll: Die nächste Ausgabe des Rotstifts soll ansprechend und informativ sein für ihre Kernleserschaft, die Schüler der Grundschule Tussenhausen.

Doch noch eine zweite Leserschaft sitzt mit im Hinterkopf: die Jury des "Blattmacher"-Wettbewerbs. Die prämierte Rotstift-Ausgabe von 2016 trug den Titel "Eine Welt"; die Urkunde der Erstplatzierten hängt im Treppenhaus der Schule. So ein Sieg ist Motivation, oder? "Klar, wir wollen schon gern wieder Erster werden", sagt Antonia, die bereits vergangenes Jahr mit im Redaktionsteam saß, "aber ich mache eigentlich einfach mit, weil es Spaß macht".

Heuer treten die Schüler beim "Blattmacher"-Wettbewerb, den die Süddeutsche Zeitung in Kooperation mit dem bayerischen Kultusministerium ausrichtet, mit der insgesamt siebten Ausgabe des Rotstifts an. 60 Seiten sollen es wieder werden, in einer Auflage von 250 Stück wird gedruckt, drei Euro kostet die einmal jährlich erscheinende Ausgabe. Und das Thema? Knüpft an das Jahresthema der Schule an und auch an das der letzten Ausgabe, aber mehr wird - ganz dem Redaktionsgeheimnis entsprechend - nicht verraten. Nur so viel: Darauf gestoßen sind die Schüler selbst. Aber wie geht das eigentlich, Geschichten finden? Auf dem Laufenden bleiben und schauen, was für den Rotstift interessant sein könnte, sagt Antonia. Zu den Fakten-Texten, die in den Rotstift kommen, erfinden die Schüler auch Geschichten, die ihren Lesern Freude bereiten könnten. Lilian erklärt das so: "Als ich im Bett lag und nicht einschlafen konnte, da habe ich mir überlegt, dass ich ja eine Geschichte über eine Katze schreiben könnte." Und Noah sagt, dass ihm genau das am meisten Spaß mache, "wenn man nachdenkt und eine eigene Fantasiegeschichte erfindet".

Im Rotstift gibt es aber nicht nur Fantasiegeschichten zu lesen. Die Mehrheit sind Texte zu Themen aus ihrem Alltags- und Schulleben, für die sich die Schüler der ersten bis vierten Klasse interessieren. Das können Bauernhofgeschichten sein, Texte über alte Fahrräder oder Interviews mit interessanten Leuten. Moritz etwa hat einmal eine Geschichte über seinen Opa gemacht, der früher Schiedsrichter war. Und wie hat er die umgesetzt? "Ich habe einen Termin ausgemacht, habe mir Fragen überlegt, bin mit einem Schmierblock zu meinem Opa gegangen und habe dann in eigenen Worten aufgeschrieben, was er mir erzählt hat." Und danach sei er noch mal zu seinem Opa, um den Text mit ihm auf Fehler durchzusehen, damit auch alles passt, wenn die Geschichte gedruckt wird.

Für die letzte Durchsicht der Texte vor dem Druck ist Lehrerin Gabriele Binder-Stoll zuständig, die die AG Rotstift seit sieben Jahren betreut. "Wir wurden ehrgeiziger", sagt sie auf den Erfolg bei den "Blattmachern" angesprochen, und trotzdem lässt sie ihren Schülern freie Hand beim Suchen der Themen und auch bei ihrer Umsetzung. Die Redaktionssitzungen sieht sie als Hilfestellung und Ort für Fragen. Wo es aber möglich ist, müssen die Kinder selbst ran. Auch beim Anzeigenverkauf. Die 19 Redaktionsmitglieder klappern derzeit ein paar örtliche Geschäfte ab, erzählen von ihrer Schülerzeitung und haben nach dem Besuch im besten Fall eine Anzeige im Gepäck. Mit den Einnahmen von Zeitungsverkauf und den Anzeigen finanzieren die Schüler dann den Druck der nächsten Ausgabe - und meistens bleibt auch noch ein bisschen Geld übrig für einen gemeinsamen Kinobesuch oder ein Eis, als Belohnung für die monatelange Arbeit.

© SZ vom 05.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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