Historisches Dia-Bild:Wie die Donauschwaben ins Altöttinger Land kamen

Trostberg: Flüchtlings-Treck der Donauschwaben in der Hauptstrasse

Fotografische Rarität: Die einzige Aufnahme des Flüchtlingszugs aus der Batschka, der im April 1945 Trostberg erreichte.

(Foto: Peter Hitzelsperger / A+E Pauli Bildarchiv)
  • Die Fotografen Arthur und Elisabeth Pauli haben ein Dia aus einem Nachlass erhalten, auf dem ein Flüchtlingstreck von Donauschwaben aus der sogenannten Batschka zu sehen ist.
  • Vor allem Frauen, alte Leuten und Kindern flüchteten, wie auf der Aufnahme vom April 1945, aus der alten Heimat der Donauschwaben im heutigen Serbien.
  • Die Aufnahme ist eine Rarität, denn kaum jemand fotografierte damals das Elend und die Flüchtlinge.

Von Hans Kratzer, Trostberg

Seit vielen Jahren dokumentieren die Fotografen Arthur und Elisabeth Pauli herausragende Ereignisse im Chiemgau, und überdies betreibt das Paar ein Bildarchiv. "Über jedes unserer Archivbilder könnte ich eine Geschichte erzählen", sagt Arthur Pauli. Aber manchmal verbergen sich hinter einer alten Aufnahme große Überraschungen, wie sich kürzlich wieder herausgestellt hat. Das Archiv Pauli hat nämlich aus einem Nachlass ein ausgebleichtes Diapositiv erhalten, auf dem einige von Pferden gezogene Planwagen zu erkennen sind. Es wirkt zunächst unspektakulär, und doch steckt eine spannende Geschichte dahinter. Wie Paulis Nachforschungen ergeben haben, handelt es sich dabei um einen Flüchtlingstreck von Donauschwaben aus der sogenannten Batschka, der alten Heimat der Donauschwaben im heutigen Serbien. Das weitgehend unbekannte Leben der Deutschen in der Vojvodina endete 1944/1945 mit Flucht, Enteignung, Vertreibung und Massenmord. Die Trostberger Aufnahme ist eine Rarität, denn kaum jemand hatte damals die Muße und die Mittel, um Flüchtlinge oder das Elend des Alltags zu fotografieren.

Das Foto wurde am Nachmittag des 24. April 1945 in Trostberg aufgenommen. Um diese Zeit zog besagter Flüchtlingstreck durch die Stadt. Sechs Tage vorher, am 18. April, waren die Flüchtenden bei einer Rast am Traunsteiner Bahnhof von einem Fliegerangriff überrascht worden. Es gab neun Todesopfer zu beklagen.

Die Kolonne bestand aus ungefähr 800 Menschen und 200 Pferden, die entkräftet waren. Am 8. Oktober 1944 war die Gruppe in ihrem Heimatort Futok aufgebrochen, da die Rote Armee immer näher rückte. Der Treck bestand vorwiegend aus Frauen, alten Leuten und Kindern. Aufgrund der Beschlüsse der provisorischen Regierung Tito hatte die deutsche Minderheit in der Batschka über Nacht alle bürgerlichen Rechte verloren, ihr Besitz wurde beschlagnahmt.

Eine einzigartige Aufnahme

Die Aufnahme in Trostberg machte der damals 82-jährige Peter Hitzelsperger, der nach der Bombardierung seines Wohnhauses bei Verwandten untergekommen war. Zu den Habseligkeiten, die ihm geblieben waren, gehörte ein Fotoapparat. Als die Donauschwaben durch die Stadt zogen, drückte Hitzelsperger auf den Auslöser. Der Agfacolor-Diafilm, um diese Zeit eine Rarität, wurde erst viel später in München entwickelt. Auf den Rahmen setzte er nur ein Stichwort: "Trostberg". "Wusste Hitzelsperger wirklich, welch ein außergewöhnliches Motiv er da fotografiert hatte?", fragt sich Arthur Pauli heute. Vermutlich ist dieses Foto das einzige überhaupt, das Teile des Trecks aus der Batschka zeigt. Vor seinem Tod anno 1946 vermachte Hitzelsperger die Bilder seinem Neffen. Mehr als 60 Jahre danach übergab sie dieser dann dem Bildarchiv Pauli, wo sofort Recherchen zu den Umständen dieser historischen Bilder eingeleitet wurden.

Zunächst habe sich niemand an diesen Zug erinnern können, sagt Arthur Pauli. Schließlich brachte die Heimatforscherin Maria Pfundstein Licht ins Dunkel. Sie hatte die Fluchtgeschichte von ihren Eltern und Verwandten so oft gehört, "dass ich schon das Gefühl hatte, die Flucht selbst erlebt zu haben", wie sie lachend erzählt. Als Tochter und Enkelin von Treckteilnehmern, welche die sechs Monate dauernde Flucht unversehrt überstanden hatten, besitzt sie die besten Kenntnisse über die Batschka-Deutschen in Bayern. Maria Pfundstein konnte auf der Fotografie sogar den Mann identifizieren, der hinter dem linken Planwagen geht: Es handelt sich laut ihrer Aussage um den 1903 geborenen Johann Beiwinkler, der ein gelernter Schmied war und deswegen vom Militärkommando abgestellt wurde, um notfalls die Planwagen zu reparieren.

Eine Heimatforscherin kann das Bild erläutern

Obwohl damals eine eklatante Wohnungsnot herrschte, wurden die Flüchtlinge innerhalb von drei Wochen auf Bauernhöfe verteilt. Manchmal standen freilich als Unterkünfte nur Schuppen und Scheunen zur Verfügung. Wie Arthur Pauli herausfand, haben die Gemeinden Garching an der Alz, Unterneukirchen, Oberburgkirchen, Oberkastl, Unterkastl, Wald, Halsbach und Kirchweidach im südlichen Landkreis Altötting die meisten Flüchtlinge aus der Batschka aufgenommen.

Viele Batschka-Deutsche wollten wieder in ihre Heimat zurückkehren. Daran aber war aber nicht mehr zu denken, als bekannt wurde, dass es dort zu Verhaftungen, Zwangsarbeit und Massenerschießungen gekommen war. In den 1950er Jahren bauten Flüchtlinge in Garching die sogenannte Batschka-Siedlung auf. Ihre Nachkommen wohnen noch heute größtenteils in Garching und im Landkreis Altötting. Auch in München-Solln gibt es eine Batschka-Siedlung, gegründet von Donauschwaben, die 1945 im Barackenlager Forstenried gestrandet waren.

Nachfahren der Futoker aus München und Garching werden vom 14. bis zum 19. Mai die Heimat der Vorfahren besuchen. In Futok soll unter anderem eine Erinnerungstafel enthüllt werden (Informationen unter Telefon 08634/8225).

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